Donnerstag, 29. August 2019

Geradheit ausgelehrt

Zur Enthauptung des Täufers und als vorläufigen Abschluss meines Ärgers über das Deutsche Messbuch gibt es noch einmal das volle Programm: die malerischen Neukompositionen des Reformmissales, die Fantasieleistungen des DM, die nüchternen Gebete des alten Messbuchs und als Bonus die einschlägige der zahlreichen neuen Präfationen, nämlich „von der Sendung des Vorläufers“.

Tagesgebet
Deus, qui beátum Ioánnem Baptístam et nascéntis et moriéntis Fílii tui Præcursórem esse voluísti, concéde, ut, sicut ille veritátis et iustítiæ martyr occúbuit, ita et nos pro tuæ confessióne doctrínæ strénue certémus.
Übersetzung
Gott, der du wolltest, dass der selige Johannes der Täufer sowohl im Geborenwerden als auch im Sterben der Vorläufer deines Sohnes sei, gewähre, dass, wie jener als Blutzeuge der Wahrheit und Gerechtigkeit starb, so auch wir für das Bekenntnis deiner Lehre energisch kämpfen mögen.
Deutsches Messbuch
Allmächtiger Gott, du hast den heiligen Johannes den Täufer berufen, deinem Sohn im Leben und im Tod voranzugehen und für Recht und Wahrheit Zeugnis zu geben. Gib auch uns die Kraft, für den Anspruch deiner Lehre unerschrocken einzutreten.
Anmerkungen
  • Gott ⇒ allmächtiger Gott
  • du wolltest, dass [er] sei ⇒ du hast [ihn] berufen
  • Vorläufer deines Sohnes sein ⇒ deinem Sohn vorangehen
    Johannes wurde zeitlich früher als Jesus geboren und getötet; außerdem war er sein Vorläufer im Sinne von Wegbereiter (eine Stimme ruft in der Wüste: bereitet dem Herrn den Weg usw.). „voranzugehen“ klingt mehr nach Beispiel geben oder anführen, was nicht gemeint ist
  • sowohl im Geborenwerden als auch im Sterben ⇒ im Leben und im Tod
    Leben [und irgendwie auch Tod] bezeichnet gelegentlich ziemlich lange Zeiträume, Geborenwerden oder Sterben dagegen Zeitpunkte. Wenn die ursprüngliche Aussage nicht unverständlich ist, wird sie doch ziemlich verwischt.
  • wie jener als Blutzeuge der Wahrheit und Gerechtigkeit starb ⇒ für Recht und Wahrheit Zeugnis zu geben
    Im Original Teil der Bitte in Form eines Vergleiches zwischen dem Vorläufer und uns, im DM ein Teil der Beschreibung von Johannes, unabhängig von der Bitte. Man rückt das (Blut)zeugnisgeben ein bißchen weiter von sich weg.
    Blutzeuge (Martyrer) zu sein geht deutlich über bloßes „Zeugnis geben“ hinaus.
  • gewähre, dass, wie jener … so auch wir ⇒ gib auch uns die Kraft
    Im Original ist das Beispiel des Vorläufers das Maß, im DM steht plötzlich eine „Kraft“ statt des Blutzeugnisses im Raum.
  • für das Bekenntnis deiner Lehre ⇒ für den Anspruch deiner Lehre
    confessio ist Bekenntnis (Geständnis, Beichte oder Glaubensbekenntnis), dann auch Lobpreis. Wo das DM seinen Anspruch her hat sehe ich nicht.
Diskrepanz
Lass uns Blutzeuge sein oder gib uns Kraft, für den Anspruch einzutreten?

Oratio (1962)
Sancti Ioannis Baptistae Praecursoris et Martyris tui, quaesumus, Domine, veneranda festivitas: salutaris auxilii nobis praestet effectum
Übersetzung
Das ehrwürdige Fest deines Heiligen Vorläufers und Blutzeugen Johannes’ des Täufers, bitten wir, Herr, verschaffe uns die Wirkung der heilbringenden Hilfe.

Gabengebet
Da nobis, Dómine, per hæc múnera quæ tibi offérimus, illam tuárum rectitúdinem semitárum, quam beátus Ioánnes, vox in desérto clamántis, edócuit, et, fuso sánguine, magna virtúte signávit.
Übersetzung
Gib uns, Herr, durch diese Gaben, die wir dir opfern, jene Geradheit deiner Pfade, die der selige Johannes, eine Stimme in der Wüste rufend, ausgelehrt* und durch das vergossene Blut mit großer Kraft besiegelt hat.
* So wie ausleeren eine Verstärkung von leeren ist, soll hier auslehren eine Verstärkung von lehren sein; korrektes Deutsch: gründlich gelehrt

Deutsches Messbuch
Herr, unser Gott, durch dieses heilige Opfer führe uns auf den geraden Weg, den uns Johannes als Rufer in der Wüste gewiesen hat und den er selbst bis zur Hingabe seines Lebens gegangen ist.
Anmerkungen
  • Herr ⇒ Herr, unser Gott
  • gib uns jene Geradheit deiner Pfade ⇒ führe uns auf den geraden Weg
    Das Original bittet, dass unsere Wege gerade seien wie Gottes Wege (d.h. dass wir gerecht und aufrichtig leben), das DM kennt den einen geraden Weg, auf dem es geführt werden will.
  • durch diese Gaben, die wir dir opfern ⇒ durch dieses heilige Opfer
    Es ist halt das Gebet über die Gaben, weshalb das Original von den Gaben spricht, das DM von etwas anderem.
  • der selige Johannes ⇒ Johannes
  • Stimme in der Wüste rufend ⇒ als Rufer in der Wüste
    Das Original zitiert die Heilige Schrift (Mt 3, 3; Mk 1,3; Lk 3, 4; Joh 1, 23, alle einen Bezug zwischen dem Täufer und Jes 40, 3 herstellend), das DM geht mit der Einheitsübersetzung (für die NT-Stellen – Beim einheitsübersetzen Jesaja ruft die Stimme: bereitet einen Weg in der Wüste). Nennen wir es einen Folgefehler.
  • [hat] ausgelehrt ⇒ uns gewiesen hat
    Ah, noch ein „Uns“ eingeschmuggelt.
    Original wird kein bestimmter Weg gewiesen, sondern die Geradheit der Wege gründlich gelehrt. Er könnte etwa gesagt haben: „Du elender und gerissener Betrüger, du Sohn des Teufels, du Feind aller Gerechtigkeit, willst du nicht endlich aufhören, die geraden Wege des Herrn zu verdrehen?“ (Apg 13, 10) oder anders: „Du bist gerecht in allem, was du getan hast. All deine Taten sind richtig, deine Wege gerade. Alle deine Urteile sind wahr“ (Dan 3, 27).
  • durch das vergossene Blut mit großer Kraft besiegelt hat ⇒ den er selbst bis zur Hingabe seines Lebens gegangen ist
    Johannes ist keinen Weg gegangen, sondern hat die Geradheit des Weges (bzw. deren Gegenteil, konkret: die Sündhaftigkeit von Herodes’ Ehebruch mit seiner Schwägerin) gelehrt, und hat diese Lehre mit seinem vergossenen Blut kraftvoll besiegelt. – Lektürehinweis für DM-Autoren: Mt 14, 3; Mk 6, 17; Lk 3, 19
    Er hat auch kein Leben hingegeben, wie jemand, der eine Wahl hätte (vgl. Joh 10, 18). Er wurde eher - quasi zur Partyunterhaltung gehörig - in Konsequenz seiner Konsequenz geköpft.
Secreta (1962)
Munera, quae tibi, Domine, pro sancti Martyris tui Ioannis Baptistae passione deferimus: quaesumus; ut eius obtentu nobis proficiant ad salutem.
Übersetzung
Die Gaben, die wir dir, Herr, für das Leiden deines heiligen Martyrers Johannes' des Täufers vorlegen: wir bitten, dass sie uns durch seinen Einfluss zum Heil nützen mögen.
[Das Anakoluth finde ich inelegant und unnötig. Hat jemand vergessen, das „ut“ zu streichen? Dann wäre das Satzgefüge stimmig.]


Schlussgebet
Concéde nobis, Dómine, beáti Ioánnis Baptístæ natále recenséntibus [Conferat nobis, Domine, sancti Ioannis Baptistae solemnitas], ut et salutária [magnifica] sacraménta quæ súmpsimus significáta venerémur, et in nobis pótius édita gaudeámus.
[Die in Klammern gegebene Einleitungszeile des Gebets im alten Missale wurde ersetzt, die Bitte weitgehend beibehalten.]

Übersetzung
Gewähre uns, Herr, die wir den Geburtstag* des seligen Johannes der Täufer betrachten [Das Hochfest des heiligen Johannes des Täufers, Herr, trage uns dazu bei], dass wir sowohl die durch die heilbringenden [großartigen] Sakramente, die wir empfingen, Bezeichneten verehren als auch uns an den in uns mächtiger Hervorgebrachten** erfreuen.
[* Gemeint ist der himmlische Geburtstag, also sein Todestag.
** Das Wort kann ebenfalls „geboren“ bedeuten, ist also eine Art Wortspiel mit Geburtstag; es meint die in uns hervorgebrachten Wirkungen der Sakramente.]

Deutsches Messbuch
Herr, unser Gott, wir haben das Sakrament des Heiles empfangen am Todestag Johannes‘ des Täufers, an dem er für das ewige Leben geboren wurde. Gib, dass wir dein Heilswerk verehren, das dieses heilige Mahl bezeichnet, und uns über das Große freuen, das es in uns wirkt.
Vergleich
  • Herr ⇒ Herr, unser Gott
  • des seligen Johannes der Täufer ⇒ Johannes‘ des Täufers
  • den Geburtstag ⇒ am Todestag, an dem er für das ewige Leben geboren wurde
  • gewähre uns, die wir … betrachten, dass ⇒ gib
  • [Sakramente, ] die wir empfingen ⇒ wir haben das Sakrament des Heiles empfangen
  • dass wir die durch die heilbringenden Sakramente Bezeichneten verehren ⇒ dass wir dein Heilswerk verehren, das dieses heilige Mahl bezeichnet
  • uns an den in uns mächtiger Hervorgebrachten erfreuen ⇒ uns über das Große freuen, das es in uns wirkt
Anmerkung
Das DM umschreibt im Erklärungsrausch ziemlich weitschweifig; da aber auch ich den Drang verspürte, erläutern zu sollen, bin ich bei diesem (doch ziemlich gestelzt formulierten) Original nicht geeignet, darüber zu klagen.

 
Präfation von der Sendung des Vorläufers
Vere dignum et iustum est, æquum et salutáre, nos tibi semper et ubíque grátias ágere: Dómine, sancte Pater, omnípotens ætérne Deus: per Christum Dóminum nostrum. In cuius Præcursóre beáto Ioánne tuam magnificéntiam collaudámus, quem inter natos mulíerum honóre præcípuo consecrásti. Qui cum nascéndo multa gáudia præstitísset, et nondum éditus exsultásset ad humánæ salútis advéntum, ipse solus ómnium prophetárum Agnum redemptiónis osténdit. Sed et sanctificándis étiam aquæ fluéntis ipsum baptísmatis lavit auctórem, et méruit fuso sánguine suprémum illi testimónium exhibére. Et ídeo, cum cælórum Virtútibus, in terris te iúgiter prædicámus, maiestáti tuæ sine fine clamántes: Sanctus, Sanctus, Sanctus …
Übersetzung
Wahrhaft würdig und recht ist, schicklich und heilsam, dass wir dir immer und überall Dank abstatten, Herr, heiliger Vater, allmächtiger ewiger Gott, durch Christus unseren Herrn.
In dessen Vorläufer, dem seligen Johannes, wir deine Großartigkeit loben, den du unter den von Frauen Geborenen mit vorzüglicher Ehre geheiligt hast. Der mit dem Geborenwerden große Freuden bereitet hatte und noch nicht hervorgebracht [geboren] gejubelt hatte über die Ankunft des menschlichen Heils*, der als einziger aller Propheten das Lamm der Erlösung gezeigt hat. Jedoch hat er sowohl den Schöpfer selbst in den zu heiligenden Fluten des Taufwassers gewaschen, als auch verdient, durch vergossenes Blut das höchste Zeugnis für jenen zu geben.
Und siehe, mit den Mächten der Himmel, verkünden wir dich fortwährend auf der Erde, deiner Majestät ohne Ende rufend: Heilig, heilig, heilig …
* = des Heils der Menschheit

Deutsches Messbuch
In Wahrheit ist es würdig und recht, dir, allmächtiger Vater, zu danken und am Fest des heiligen Johannes das Werk deiner Gnade zu rühmen. Du hast ihn geehrt vor allen, die je eine Frau geboren hat, schon im Mutterschoß erfuhr er das kommende Heil, seine Geburt erfüllte viele mit Freude. Als Einziger der Propheten schaute er den Erlöser und zeigte hin auf das Lamm, das die Sünde der Welt hinwegnimmt. Im Jordan taufte er Christus, der seiner Kirche die Taufe geschenkt hat, so wurde das Wasser zum heiligen Quell des ewigen Lebens. Bis an sein Ende gab Johannes Zeugnis für das Licht und besiegelte mit dem Blut seine Treue. Darum preisen wir dich mit allen Engeln und Heiligen und singen vereint mit ihnen das Lob deiner Herrlichkeit: Heilig, heilig, heilig …
Anmerkungen
Die Präfation kreist um zwei Themenbereiche: das des Vorläufers, das mit Worten des Wortfeldes Geburt gekennzeichnet ist (unter den von Frauen Geborenen [Mt 11, 11], Geborenwerden, hervorgebracht, Ankunft [Advent] des Heils), dann des Propheten, Täufers und Martyrers, der Zeugnis für Christus gibt. Das DM ersetzt die Hälfte der auf die Geburt bezogenen Ausdrücke und verwirrt die beiden Themenbereiche, denn es dreht die Reihenfolge der Ereignisse (im Mutterschoß …, seine Geburt …) um, verkennt dabei, dass sich das Jubeln im Mutterschoß und das folgende Zeigen des Lamms auf Johannes' prophetische Tätigkeit bezieht, während seine Geburt aus der als unfruchtbar geltenden Elisabeth ein davon getrenntes, im Original zuerst genanntes (und nicht zwischen die Aufzählung der prophetischen Taten geschobenes) Ereignis handelt. Also: die Tatsache, dass die Unfruchtbare ein Kind gebiert (vgl. „Freu dich, du Unfruchtbare, die nie gebar, du, die nie in Wehen lag, brich in Jubel aus und jauchze!“ Jes 54, 1), löst Freude aus (Lk 1, 58). Das prophetische Wirken umfasst den Jubel im Mutterleib (Lk 1, 41-44), das Zeugnis für das Lamm (Joh 1, 29.36), die Taufe Jesu (Mt 3, 13; Mk 1, 9; Lk 3, 21) und das Martyrium (Mt 14, 10; Mk 6, 27).
Das DM kürzt (entgegen der Gewohnheit in den übrigen Gebeten, aber wie immer zum Anfang der Präfation) energisch die Anrede und was sonst zum Ruhm Gottes gesagt wird, fantasiert dafür aber (wie immer) wortreich etliche nachgeholte Katechesen(?) dazu:
  • wahrhaft würdig und recht ist, schicklich und heilsam ⇒ in Wahrheit ist es würdig und recht
  • dass wir dir immer und überall Dank abstatten durch Christus unseren Herrn ⇒ dir zu danken
  • Herr, heiliger Vater, allmächtiger ewiger Gott ⇒ allmächtiger Vater
  • in dessen [Christi] Vorläufer, dem seligen Johannes, wir deine Großartigkeit loben ⇒ am Fest des heiligen Johannes das Werk deiner Gnade zu rühmen
    Großartigkeit = Werk der Gnade?
    Der „Vorläufer“ scheint ein schwieriger Begriff zu sein und wird im DM hartnäckig vermieden; hier fehlt aber sowieso durch die Streichung des„durch Christus unseren Herrn“ der Anschluss für das „dessen“ …
  • den du unter den von Frauen Geborenen mit vorzüglicher Ehre geheiligt hast ⇒ du hast ihn geehrt vor allen, die je eine Frau geboren hat
    mit vorzüglicher Ehre geheiligt = geehrt?
  • der mit dem Geborenwerden große Freuden bereitet hatte ⇒ seine Geburt erfüllte viele mit Freude
    große Freuden = Freude für viele?? Eigentlich freuten sich die nur Nachbarn und Verwandte mit Elisabeth und Zacharias (Lk 1, 58)
  • [der] noch nicht hervorgebracht gejubelt hatte über die Ankunft des menschlichen Heils ⇒ schon im Mutterschoß erfuhr er das kommende Heil
    Johannes erfuhr nicht Heil, sondern er bezeugte jubelnd Jesus als das Heil der Menschheit.
    Die Wendungen „kommend“ statt „Ankunft“ und „im Mutterschoß“ statt „noch nicht geboren“ zerstört die Einheit der Wortwahl, die das Original (wie oben gesagt) auszeichnet.
  • der als einziger aller Propheten das Lamm der Erlösung gezeigt hat ⇒ als Einziger der Propheten schaute er den Erlöser und zeigte hin auf das Lamm, das die Sünde der Welt hinwegnimmt
    So oft, wie das DM sonst „alle“ dazudichtet, kann es das tatsächlich dastehende nicht auch noch aufschreiben, vor allem, weil es sich hier nicht auf „Uns“ bezieht.
    Das ständige Fantasie-„schauen“ des DMs … *Kopfschüttel*.
    Das „Lamm der Erlösung“ erläutert der Katechismus der Katholischen Kirche Nr. 608: „das Osterlamm, das Sinnbild der Erlösung Israels beim ersten Pascha [Vgl. Ex 12,3-11; Job 19,36; 1 Kor 5,7.]“ Den Bezug zum Pascha des alten Bundes verliert das DM, indem es stattdessen Joh 1, 29 zitiert, wohl wähnend, dass der durchschnittliche Messbesucher ja nicht alles gelesen haben kann, und einen Hinweis auf das (erst mit der Liturgiereform in die Messe eingeführte) Agnus Dei gebend, mutmaßlich mit einem gewissen Stolz auf die erreichte „aktive Teilnahme“ der Gläubigen (die damit schließlich in ein Stichwort-Antwort-Spielchen einbezogen wurden).
  • er hat den Schöpfer selbst gewaschen ⇒ im Jordan taufte er Christus, der seiner Kirche die Taufe geschenkt hat
    Doppel-Ups.
    Das DM bezieht „baptismatis“ auf „auctor“ (Urheber der Taufe → „der seiner Kirche die Taufe geschenkt hat“), was mir so nicht eingefallen ist. Zwar ließ Jesus auch Taufen (Joh 3, 26.4, 1f.) und sandte vor der Himmelfahrt seine Apostel, alle Welt zu taufen (Mt 28, 19), aber hat man ihn je als „Urheber der Taufe“ bezeichnet? Zwar gab es um 440 einen gallischen Dichter Orientius, der über Christus sagte: Piscis natus aquis, auctor baptismatis ipse est. (Wie ein Fisch in Wassern geboren ist er selbst der Urheber der Taufe), und ein alter Hymnus wird verschieden punktiert; die mir sinnvollste Lesart ist aber „Tibi laus, perennis auctor, baptismatis sacrator“ (Lob dir, ewiger Schöpfer, du heiligst die Taufe). Passt also irgendwie nicht; daher hatte ich „baptismatis“ auf aquae bezogen (Wasser der Taufe → Taufwasser).
    Jordan [für „Fluten“?] und Christus [weil man für einen der vielen Nebensätze ein weiteres Bezugwort brauchte] sind wohl wieder wichtige Zusatzinformationen für den Gelegenheitszuhörer.
  • in den zu heiligenden Fluten des Taufwassers ⇒ so wurde das Wasser zum heiligen Quell des ewigen Lebens
    Das Taufwasser muss geheiligt werden, indem Christus in es hinabsteigt. Deshalb wird beim Ritus der Taufwassersegnung (Benedictio aquæ baptismalis) in der Osternacht auch die Osterkerze als Sinnbild für Christus [drei Mal] in das Wasser getaucht.
    Dies bestärkt mich in der Ansicht, dass auch im Text der Präfation „baptismalis“ auf „aquae“ zu beziehen ist. Und diese Zuordnung passt auch zum erwähnten alten Hymnus, wo Christus als Schöpfer und Heiligender der Taufe angesprochen wird.
    „zum heiligen Quell des ewigen Lebens“ ist wieder die wortreiche Fantasieleistung, die die Redeweise des DM so schwer erträglich macht. Das Taufwasser wird geheiligt, Punkt.
  • verdient, durch vergossenes Blut das höchste Zeugnis für jenen zu geben ⇒ bis an sein Ende gab Johannes Zeugnis für das Licht und besiegelte mit dem Blut seine Treue
    „mit dem Blut besiegelt“, hm, hätte das nicht im Gabengebet gesagt werden sollen? Aber besser spät als nie.
    Besiegelt er aber nicht eigentlich sein Zeugnis? Woher kommt die Treue?
    Das höchste Zeugnis ist das Martyrium – warum wird daraus ein „Zeugnis für das Licht“? Und es wird nicht „bis ans Ende“, sondern „durch das (gewaltsame) Ende“ gegeben.
    So viele Wörter, und so weit vom Ziel …

Mittwoch, 28. August 2019

Vom Geist, der Augustinus tränkte, erfüllt, dürsten wir

„Gott dürstet danach, daß wir nach ihm dürsten“, lehrt der Katechismus der Katholischen Kirche Nr. 2560 über das Gebet und verweist dabei auf den Heiligen Augustinus (quæs 1. 64,4). Von diesem Gedanken inspiriert betet die Katholische Kirche an seinem Festtag.
Die ganze Katholische Kirche? Sehen wir, was das Deutsche Messbuch daraus macht …

Abkürzungen zu den Anmerkungen
DM#1: Anrede geändert
DM#3: Bitte wird zum Imparativ
DM#5: weitschweifige Vielwörterei
DM#6: Konzentration auf „Uns“, worum es in der Messe schließlich geht, nicht wahr.
DM#8: Vertauschung von Mittel und Zweck

Tagesgebet
Innova, quǽsumus, Dómine, in Ecclésia tua spíritum, quo beátum Augustínum epíscopum imbuísti, ut, eódem nos repléti, te solum veræ fontem sapiéntiæ sitiámus, et supérni amóris quærámus auctórem.
Übersetzung
Erneuere, bitten wir, Herr, in deiner Kirche den Geist, mit dem du den seligen Bischof Augustinus getränkt hast, dass wir vom ihm [dem Geist] erfüllt nach dir als einziger Quelle der wahren Weisheit dürsten, und als Urheber der oberen Liebe suchen.
[imbuere und replere heißen beide „erfüllen“, dabei imbuere (von einem alten Wort für Wasser stammend) auch tränken, eintauchen, einweihen, unterweisen, was hübsch mit dürsten und Quelle zusammenspielt.]

Deutsches Messbuch
Allmächtiger Gott, wir rufen dich an: Erwecke in deiner Kirche aufs Neue den Geist, mit dem du den heiligen Bischof Augustinus erfüllt hast. Gib auch uns die Sehnsucht nach dir, dem Quell der wahren Weisheit und dem Ursprung der Liebe.
Anmerkungen
  • DM#1: Herr ⇒ allmächtiger Gott
  • DM#5: wir bitten ⇒ wir rufen dich an
    Drama-Queen am Werk?
  • DM#5: erneuere ⇒ erwecke aufs Neue
    Hier verrutscht es inhaltlich: original ist der Geist vorhanden, aber alt geworden, im DM muss der Geist (wieder mal, aufs Neue) erweckt werden.
  • dass wir vom ihm erfüllt dürsten ⇒ gib auch uns die Sehnsucht
    Das Bild vom tränken vs. dürsten nach der Quelle bzw. der Parallele zwischen Augustinus und Beter in dem zweifachen Ausdruck für „erfüllt“ geht komplett verloren.
    Im Original ist das Dürsten eine Folge des Erfülltseins mit dem erneuerten Geist, im DM die Sehnsucht eine weitere, mit dem vorherigen unverbundene Extra-Bitte.
    Das DM hat möglicherweise Augustinus-Zitate mit Sehnsucht (z.B. „Die Sehnsucht betet stets, auch wenn die Zunge schweigt. Wann schläft das Gebet ein? Wenn die Sehnsucht erkaltet.“) im Hinterkopf, aber das Original verwendet ein stimmiges Bild, und Sehnsucht nach der Quelle ist halt Durst, wie in dem Taizé-Lied Des Nachts, wenn wir gehn, die Quelle zu finden, ist der Durst unser einziges Licht.
  • Urheber der oberen Liebe ⇒ Ursprung der Liebe
    auctor ist wörtlich „Förderer, d.i. der, der etwas noch nicht Vorhandenes unmittelbar od. mittelbar ins Dasein fördert“, also in vielem Sinn der Anstifter von etwas, z.B. Erfinder, Gründer, Erbauer, Stammvater, Ratgeber, Verfasser, Lehrer, Erzeuger, Schöpfer, aber nicht (wie Quelle) einfach das, wo etwas herkommt, oder „Ursprung“ – dafür gibt es (nach meinem Wörterbuch) mindestens 14 andere Wörter.
    Das im DM gestrichene „obere“ vor Liebe kann himmlisch oder göttlich - halt „oben befindlich“ - meinen.
Fazit
Das Original ist um ein Bild gebaut, schlicht und schön, die DM-Variante mit großer Geste pathetisch und hohl. Das alte Tagesgebet war dagegen eher im üblichen Muster gehalten:

Oratio (1962)
Adesto supplicationibus nostris, omnipotens Deus: et, quibus fiduciam sperandae pietatis indulges, intercedente beato Augustino Confessore tuo atque Pontifice, consuetae misericordiae tribue benignus effectum.
Übersetzung
Merke auf unser Flehen, allmächtiger Gott, und denen du die Zuversicht auf die zu erhoffende Milde bewilligst, gestehe gütig, auf die Vermittlung deines Bekenners und Bischofs Augustinus, die Wirkung der gewohnten Barmherzigkeit zu.

Gabengebet
Salútis nostræ memoriále celebrántes, cleméntiam tuam, Dómine, supplíciter exorámus, ut hoc sacraméntum pietátis fiat nobis signum unitátis et vínculum caritátis.
Übersetzung
Unseres Heiles Andenken feiernd erflehen wir demütig deine Sanftmut, dass dieses Sakrament der kindlichen Liebe uns zum Zeichen der Einheit und zum Band der Nächstenliebe werde.
Deutsches Messbuch
Gütiger Gott, nach dem Auftrag Christi feiern wir das Gedächtnis unserer Erlösung. Mache diese Gaben zum Sakrament, das uns die Einheit verheißt und uns in Liebe zusammenschließt.
Anmerkungen
  • DM#1: Herr ⇒ gütiger Gott
  • feiernd ⇒ nach dem Auftrag Christi feiern wir
  • DM#3: wir erflehen demütig deine Sanftmut, dass [es] werde ⇒ mache [es]
    Das ist DM pur, das Paradebeispiel für „den Dialog auf Augenhöhe“, den der „mündige Christ“ mit Gott führen zu dürfen meint.
  • dieses Sakrament der kindlichen Liebe ⇒ diese Gaben
    Mir drängt sich der Verdacht auf, dass das „nach dem Auftrag Christi“ oben ein Ersatz für die kindliche Liebe (oder Frömmigkeit oder das Pflichtbewusstsein) hier sein soll. 
  • DM#5, DM#6, DM#8: zum Zeichen der Einheit und zum Band der Nächstenliebe ⇒ zum Sakrament, das uns die Einheit verheißt und uns in Liebe zusammenschließt
    Original wird das Sakrament zum Zeichen und Band, im DM die Gaben zum Sakrament.
    Zumindest konnte das DM noch zwei „Uns“ unterbringen und von „verheißen“ und „zusammenschließen“ fantasieren.
Fazit
Ich fühle mich außer Stand, den Unterschieden und ihren Implikationen im Einzelnen nachzuspüren, bin aber sicher, da es welche gibt. Das Gebet ist völlig ausgeweidet – alles, was seinen Ausdruck und sein Anliegen ausmacht, wurde gestrichen. Der Hochmut des DM, das Gott weder anflehen, noch demütig bitten, noch an göttliche Sanftmut oder die fromme Antwort der kindlichen Anhänglichkeit an Gott erinnern will, der nicht bittet, dass es werde, sondern Gott stattdessen wie einem Handlager befiehlt: „Mache“ – ist kaum zum Aushalten.
Das alte Gabengebet ist einfach gehalten:

Secreta (1962)
Sancti Augustini Pontificis tui atque Doctoris nobis, Domine, pia non desit oratio: quae et munera nostra conciliet; et tuam nobis indulgentiam semper obtineat.
Übersetzung
Deines Heiligen Bischofs und Doktors Augustinus frommes Gebet, Herr, möge uns nicht ermangeln, welches sowohl unsere Gaben empfehle als auch deine Nachsicht uns immer gewinne.

Schlussgebet
Sanctíficet nos, quǽsumus, Dómine, mensæ Christi participátio, ut, eius membra effécti, simus quod accépimus.
Übersetzung
Es heilige uns, bitten wir, Herr, die Teilnahme an Christi Tisch, dass wir, zu seinen Gliedern gemacht, seien was wir empfangen haben.
Deutsches Messbuch
Herr, unser Gott, heilige uns durch die Teilnahme am Mahl deines Sohnes, damit wir als Glieder am Leibe Christi in Wahrheit das sind, was wir im Sakrament empfangen haben.
Vergleich
  • DM#1: Herr ⇒ Herr, unser Gott
  • DM#8: die Teilnahme heilige uns ⇒ heilige uns durch die Teilnahme
  • DM#3: „bitten wir“ ersatzlos gestrichen
  • an Christi Tisch ⇒ am Mahl deines Sohnes
  • wir, zu seinen Gliedern gemacht ⇒ wir als Glieder am Leibe Christi
  • seien ⇒in Wahrheit das sind
  • was wir empfangen haben ⇒ was wir im Sakrament empfangen haben
Fazit
Bei einem so kurzen Gebet ohne „umstrittene“ Demutshaltungen kann man wohl nur an ein paar Wörtern drehen, ohne an Klarheit zu gewinnen, und einige Erläuterungen für die Kindergartenkinder, die etwa in der Messe sind, einstreuen.

Postcommunio (1962)
Ut nobis, Domine, tua sacrificia dent salutem: beatus Augustinus Pontifex tuus et Doctor egregius, quaesumus, precator accedat.
Übersetzung
Dass uns, Herr, deine Opfer Heil geben: möge dein seliger Bischof und herausragender Doktor Augustinus, bitten wir, als Bittsteller herantreten.
Bekenntnis
Nach dem Austausch „wir erflehen demütig deine Sanftmut, dass [es] werde“ gegen „mache [es]“ hat die Beschäftigung mit dem Geist des Deutschen Messbuchs für mich seinen Höhepunkt erreicht, der ihr baldiges Ende absehen lässt.

Dienstag, 27. August 2019

Tröster der Trauernden und Heil der auf dich Hoffenden

Im Novus Ordo wird der Hl. Monika am 27. August, dem Tag vor dem Fest ihres Sohnes (Hl. Augustinus), mit dem Messformular für „heilige Frauen“ und einem eigenen Tagesgebet, das aus dem alten Proprium übernommen wurde, gedacht.

Früher wurde die heilige Wittwe Monika am 4. Mai geehrt, wobei die übrigen Gebete (Secreta und Postcommunio) aus dem Formular für „eine Heilige, die weder Wittwe noch Martyrerin war“ entnommen waren [welches aber die gleichen wie für „eine einzelne Jungfrau“ sind].

[Für einen Vergleich zwischen neuen und alten Commune-Texten/Messformularen siehe hier]

Für die Beschreibung der „Übersetzung“ im Deutschen Messbuch sollen folgende Abkürzungen verwendet werden:
DM#1: Anrede geändert
DM#2: Attribut gestrichen
DM#4: Einsatz prosaischer Standardfloskel
DM#5: weitschweifige Vielwörterei

Tagesgebet
Deus, mæréntium consolátor [et in te sperantium salus], qui beátæ Mónicæ pias lácrimas in conversióne fílii sui Augustíni misericórditer suscepísti, da nobis, utriúsque intervéntu, peccáta nostra deploráre, et grátiæ tuæ indulgéntiam inveníre.
Übersetzung
Gott, Tröster der Trauernden [und Heil der auf dich Hoffenden], der du die zärtlichen Tränen der seligen Monika zur Bekehrung ihres Sohnes Augustinus barmherzig angenommen hast: gib uns, auf beider Fürsprache, unsere Sünden zu beweinen und die Nachsicht deiner Gnade zu finden.
[Der geklammerte Teil kam nur im alten Tagesgebet vor und wurde im Reformmissale gestrichen.]

Deutsches Messbuch
Allmächtiger Gott, du hast auf die Tränen der heiligen Monika geschaut; du hast ihr Flehen erhört und ihrem Sohn Augustinus die Gnade der Bekehrung geschenkt. Gib uns auf die Fürsprache dieser heiligen Mutter und ihres Sohnes die Gnade, dass wir unsere Sünden bereuen und bei dir Verzeihung finden.
Vergleich
  • DM#1: Gott, Tröster der Trauernden [und Heil der auf dich Hoffenden] - allmächtiger Gott
    Thema verfehlt, würde ich sagen. Das Gebet fließt über von Trauer, Tränen, beweinen – und das DM weicht auf „allmächtiger“ aus, was immer zutrifft, hier aber den wichtigen Hinweis nimmt, dass Trauernde getröstet werden (Mt 5, 4).
  • DM#2: die zärtlich Tränen - die Tränen
    Dass die Tränen zärtlich (oder fromm, jedenfalls aus Liebe vergossen) waren, entgeht dem DM. Es drängt sich der Eindruck auf, der DMer habe keine Kinder und wisse daher nicht, wovon das Gebet handelt.
  • DM#5: [die Tränen] barmherzig angenommen – [auf die Tränen] geschaut; du hast ihr Flehen erhört
    Mit dem „Schauen“ Gottes, das seit Alters oft beim Opfern und in den Psalmen angerufen wurde, hier im Original nicht, vom DM aber - wie allzuoft - willkürlich angesprochen wird, übertreibt man es ein bisschen – man wollte wohl das „barmherzig“ irgendwie wiedergeben.
    Das DM meint, die liebevollen Tränen über die Irrwege des Sohnes erläutern zu müssen, dass damit nämlich ein Flehen verbunden ist, das Gott annehmen oder erhören kann. – Das kommt davon, wenn man in der Anrede den „Tröster der Trauernden“ streicht.
  • DM#5: [Tränen] zur Bekehrung ihres Sohnes Augustinus - ihrem Sohn Augustinus die Gnade der Bekehrung geschenkt
    Hier zaubert das DM eine Gnade aus dem Hut, weil es die Funktion der Tränen nicht versteht.
  • DM#5: gib uns - gib uns die Gnade
    Und wo der Gedanke einmal gefasst ist, kommt er hier gleich noch mal.
  • DM#5: auf beider Fürsprache - auf die Fürsprache dieser heiligen Mutter und ihres Sohnes
    Niemand, der den Halbsatz vorher von Mutter und Sohn reden hört, kann verstehen, welche „beiden“ hier gemeint sein sollen. Zum Glück kann das DM aushelfen.
  • DM#4: unsere Sünden zu beweinen - dass wir unsere Sünden bereuen
    Natürlich ist die Standard-Redewendung „die Sünden bereuen“, aber anders als im DM wird im Original das Thema des Gebets vertieft, im Anklang an Petri Tränen der Reue, als er den Herrn verleugnet hatte (Mt 26, 75), an die Sünderin, die Jesu Füße mit ihren Tränen wusch und mit kostbarem Öl salbte (Lk 7,38), wie es auch das karfreitägliche „O Mensch, bewein dein Sünde groß“ aufgreift.
    Wie die Trauer über die Sünde eine Folge der Gottesfurcht ist, siehe die alte Predigt über die Gaben des Heiligen Geistes
  • die Nachsicht deiner Gnade - bei dir Verzeihung
    So viel Gnade, wie das DM vorher dazugedichtet hat, bleibt keine mehr übrig, sie an der Stelle, wo sie im Original vorkommt, auch noch zu nennen.
Fazit
Das Original kennt Gott als Tröster der Trauernden, und bittet, so wie Gott Monika (die für die Bekehrung ihres Sohnes unter Tränen betete) getröstet (also erhört) wurde, auch wir über unsere Sünden trauern und getröstet werden (Nachsicht finden) können. Sehr klarer Gedanke, erkennbare Paralle zwischen der gefeierten Heiligen und uns Sündern.
Das DM spricht eine ganze Reihe scheinbar unverbundener Gegenstände an, weil es den roten Faden des „Trauer, Tränen, Weinen“ verliert.
Die Anrede Gottes als „Tröster der Trauernden und Heil der auf dich Hoffenden“ wird in zwei Schritten (der erste Teil bei der Reform des Messbuchs und der zweite bei der „Übersetzung“ ins Deutsche) gestrichen.

Sonntag, 25. August 2019

Das vollkommene Heilmittel der Barmherzigkeit

 
Am 21. Sonntag im Jahreskreis betet die Katholische Kirche um das Eine, die Deutsche Kirche um etwas weiteres.

Für die Beschreibung der „Übersetzung“ im Deutschen Messbuch sollen folgende Abkürzungen verwendet werden:
DM#1: Anrede geändert
DM#2: Titel gestrichen
DM#3: Bitte wird zum Imparativ
DM#4: Einsatz prosaischer Standardfloskel

DM#5: weitschweifige Vielwörterei
DM#6: Konzentration auf „Uns“, worum es in der Messe schließlich geht, nicht wahr.
DM#7: Heilsgewissheit für Alle
DM#8: Vertauschung von Mittel und Zweck

Tagesgebet
Deus, qui fidélium mentes uníus éfficis voluntátis, da pópulis tuis id amáre quod prǽcipis, id desideráre quod promíttis, ut, inter mundánas varietátes, ibi nostra fixa sint corda, ubi vera sunt gáudia.
Übersetzung
Gott, der du der Gläubigen Gesinnungen auf einen einzigen Willens lenkst: gib deinem Volk, das zu lieben, was du vorschreibst, das zu verlangen, was du verheißt, damit, inmitten der weltlichen Vielfalt, dort unsere Herzen hängen, wo die wahren Freuden sind.
Deutsches Messbuch
Gott, unser Herr, du verbindest alle, die an dich glauben, zum gemeinsamen Streben. Gib, dass wir lieben, was du befiehlst, und ersehnen, was du uns verheißen hast, damit in der Unbeständigkeit dieses Lebens unsere Herzen dort verankert seien, wo die wahren Freuden sind.
Anmerkungen
  • DM#1: Gott – Gott, unser Herr
  • DM#5, DM#7: Gläubige - alle, die an dich glauben
    Das DM betont anderswo gerne (auch gegen das Original) die Hoffnung, dass Alle gerettet werden. (Vergleiche die alte Frage, ob das kostbare Blut für viele oder für alle vergossen ist.) Es ist zu mutmaßen, dass die Gelegenheit, ein „alle“ hier einzuschmuggeln, Ausdruck dieser Haltung ist.
  • du lenkst der Gläubigen Gesinnungen auf einen einzigen Willens - du verbindest zum gemeinsamen Streben
    Verstehen wir Gesinnung als „moralische Grundhaltung, aus welcher der Wille entspringt“ und die „Gesinnungen der Gläubigen“ als die gläubige Haltung, die Gott bewirkt, die auf einen einzigen Willen (dein Wille geschehe …) gerichtet ist [bzw. sein wird, wenn Gott das Gebet erhört und den Willen entsprechend gelenkt hat], nämlich „zu lieben, was Gott befiehlt“ usw. Das heißt dann nicht notwendig, dass die Gläubigen „verbunden“ sind im „gemeinsamen“ Streben, sondern lediglich, dass die jeweils einzelnen Gesinnungen auf das gleiche Ziel gehen.
    [Obwohl anscheinend das englischsprachige Messbuch in eben demselben Sinn übersetzt.]
  • DM#6: gib deinem Volk – gib
    Die Änderung erlaubt dem DM im folgenden, „dass Wir lieben“ statt „das zu lieben“ und „was du Uns verheißt“ statt „was du verheißt“ zu bilden, um das Messthema (Wir!) nochmals zu betonen.
  • zu lieben, was du vorschreibst, das zu verlangen, was du verheißt - dass wir lieben, was du befiehlst, und ersehnen, was du uns verheißen hast
    Neben dem bereits Gesagten fällt hier das „und“ auf, das im Original nicht steht. Ob das eine Bedeutung hat? Etwa, dass Vorschreiben und Verheißen gar nicht zwei getrennte Vorgänge sind, sondern dass die Vorschriften dazu gemacht sind, das Verheißene erlangen zu können, nicht wie ein Tausch (du gehorchst, ich erfülle), sondern wie ein „du trainierst, du siegst“ oder „wir wandeln auf dem engen Pfad und kommen zum Ziel“? Im DM sind es klar zwei Dinge.
    [promittis = du verheißt ist übrigens Präsens, nicht Perfekt, wie das DM übersetzt.]
  • inmitten der weltlichen Vielfalt - in der Unbeständigkeit dieses Lebens
    varietas kann „Unbeständigkeit, Vergänglichkeit“ heißen, weil es hier aber nicht mit Stabilität oder Ewigkeit kontrastiert ist [es sei denn, man sieht das „befestigt sein“, „hängen“ oder „haften“ als solchen Gegensatz], sondern mit „wahre Freuden“, meint es wohl (entsprechend seiner Grundbedeutung) die scheinbaren Freuden oder Ablenkungen (Buntheit, Abwechslung – Vielfalt eben).
[Dieses Tagesgebet war im alten Messbuch für den 4. Sonntag nach Ostern vorgesehen.]

Gabengebet
Qui una semel hóstia, Dómine, adoptiónis tibi pópulum acquisísti, unitátis et pacis in Ecclésia tua propítius nobis dona concédas.
Übersetzung
Der du durch das eine einmalige Opfer, Herr, dir ein Volk der Anwahl erworben hast, gewähre uns in deiner Kirche gnädig die Gaben der Einheit und des Friedens.
Deutsches Messbuch
Herr und Gott, du hast dir das eine Volk des Neuen Bundes erworben durch das Opfer deines Sohnes, das er ein für alle Mal dargebracht hat. Sieh gnädig auf uns und schenke uns in deiner Kirche Einheit und Frieden.
Anmerkungen
  • DM#1: Herr – Herr und Gott
  • ein Volk der Anwahl - das eine Volk des Neuen Bundes
    Hier sind zwei Dinge seltsam. „Das eine“, also betont, dass es exakt eines ist, steht im Original vor Opfer, nicht vor Volk.
    Dann ist das Volk eines der Annahme an Kindes Statt (oder Anwahl, wie ich immer schreibe; vgl. Origines unten); das „des Neuen Bundes“ scheint mir einen künstlichen Gegensatz zum Auserwählten Volk einzuführen.
  • DM#5: das eine einmalige Opfer - durch das Opfer deines Sohnes, das er ein für alle Mal dargebracht hat
    Es ist immer das gleiche. Beim „Herr“ weiß man ohne „und Gott“ nicht, wer gemeint ist, und ohne lange Erlärung versteht auch niemand, was wohl das eine einmalige Opfer sein könnte. Für welche zufällig in die Messe gestolperten Heiden ist diese „Übersetzung“ gemacht?
  • DM#4: gewähre gnädig die Gaben - sieh gnädig auf uns und schenke
    „Schenken“ für „die Gaben gewähren“ ist zwar inhaltlich nicht stark verschieden [außer dass schenken spontan, gewähren aber auf eine Bitte hin erfolgt], aber prosaisch und läuft auf die Standardfloskel „schenke deiner Kirche Einheit und Frieden“ hinaus. Gnädig (oder geneigt oder gewogen oder günstig - im Gegensatz zu zornig) gewähren ist m.E. aber was anderes als „gnädig blicken“ und dann schenken.
[Das Gabengebet scheint neu komponiert zu sein. Der Gedanke „una semel hostia“ taucht in Auslegungen der Kirchenväter zum 10. Kapitel des Hebräerbriefs auf, die Wendung „populum adoptionis“ = „Volk der Anwahl“ stammt aus einer Predigt von Origines zu den beiden Söhnen Abrahams – der Sohn der Magd wurde „zu einem großen Volk“, der Sohn der Freien zum Volk der Anwahl, dem die an Abraham ergangenen Verheißung wiederholt wurde. Die Bitte „unitatis et pacis propitius dona concede“ (gewähre die Gaben des Einheit und des Friedens) kommt in mehreren Gebeten im alten Messbuch vor.]

Schlussgebet
Plenum, quǽsumus, Dómine, in nobis remédium tuæ miseratiónis operáre, ac tales nos esse pérfice propítius et sic fovéri, ut tibi in ómnibus placére valeámus.
Übersetzung
Das vollkommene Heilmittel deiner Barmherzigkeit, bitten wir, Herr, lass in uns wirken, und vollende uns gnädig, damit wir so beschaffen sind und so unterstützt werden, dass wir dir in allem zu gefallen erreichen können.
Deutsches Messbuch
Herr, unser Gott, schenke uns durch dieses Sakrament die Fülle deines Erbarmens und mache uns heil. Gewähre uns deine Hilfe, damit wir so vor dir leben können, wie es dir gefällt.
Anmerkungen
  • DM#1: Herr - Herr, unser Gott
  • DM#8: lass das Heilmittel wirken - schenke uns durch dieses Sakrament
    Die Eucharistie ist das „vollkommene Heilmittel der Barmherzigkeit“, denn sie vergegenwärtigt das Kreuzesopfer, durch das die Vergebung aller Sünden erworben wurde [s. Katechismus der Katholischen Kirche Nr. 1442]. Es liegt an uns, die angebotene Versöhnung anzunehmen (d.h. unsere Sünden zu bekennen und Vergebung zu erlangen) [vgl. 2. Kor 5,20]. Die Bereitschaft, uns mit Gott versöhnen zu lassen, möge Gott bewirken – das ist Bitte. Es gibt nicht noch etwas weiteres, das „durch dieses Sakrament“ erhalten würde, und von „schenken“ ist schon gar nicht die Rede: es wurde bereits geschenkt, jetzt sind wir am Zug.
  • Das „plenum“ geht auf Heilmittel, nicht auf die Barmherzigkeit, d.h. „Fülle deines Erbarmens“ ist ein falscher Bezug.
  • DM#4: vollende uns gnädig - mache uns heil
    Natürlich ist „vollendet“ und „heil sein“ in gewissem Sinne ähnlich, aber das „vollende“ steht hier nicht losgelöst, sondern in welcher Hinsicht der Beter vollendet werden möchte, wird im folgenden Nebensatz ausgeführt – und da sitzt der Knackpunkt. Hier wird der Anspruch, den der Beter an sich selbst stellt und den erfüllen zu können Gott gebeten wird, vom DM komplett über Bord geworfen.
    Und „gnädig“ braucht Gott für die Platitüden des DM dann auch nicht zu sein …
  • DM#4: damit wir so beschaffen sind und so unterstützt werden - gewähre uns deine Hilfe, damit wir so vor dir leben können
    Nun kommt in fast den meisten Gebeten „gewähre“ vor und wird im DM unterschlagen. Jetzt steht es mal nicht und wird es dazugedichtet.
    Das originale „vollende uns zu neuen Menschen und unterstütze uns, uns in diesem Zustand zu halten“ ist eine radikale Bitte, die zur radikalen Barmherzigkeit Gottes passt. Das „unterstützt werden“ ist hier nämlich überhaupt nicht irgendeine Standardfloskel-Hilfe, sondern eine Erneuerung nach dem Bild des Schöpfers (vgl. Kol 3,10 und das ganze 3. Kapitel des Kolosserbriefs). „Lass uns vor dir leben“ ist dagegen – blaß und allgemein bis zum Nebulösen, um ausgesucht zurückhaltend zu formulieren.
  • DM#7: dass wir dir in allem zu gefallen erreichen können - wie es dir gefällt
    Jetzt sollen im DM nicht „wir“ (was sonst so gern benutzt wird) Gott gefallen, sondern „es“ (das „vor dir leben“), was um so erstaunlicher ist, als es im Gebet diesmal echt um „uns“ geht – und unsere Verwandlung oder Vollendung zum neuen Menschen. Und irgendwie ist das „in allem“ unter den Tisch gefallen, und das „valeamus“ (wir mögen wert sein, schaffen, irgendwie erreichen) auch. Denn die Frage „Können wir das schaffen?“ hat Baumeister Bob für das DM-Team schon beantwortet.
[Das Gebet war im alten Messbuch als Schlussgebet der Messe zur Bischofsweihe vorgesehen, was den hohen Anspruch des Betenden an sich erklärt.]

Samstag, 24. August 2019

Du gewährst ehrwürdige und heilige Freude

Die Gebete zum Fest des Apostels Bartholomäus sind (bis auf das Tagesgebet) die gleichen wie früher, und die „Übersetzungsvarianten“ des Deutschen Messbuchs folgen dem immer gleichen Muster, nämlich:
  • DM#1: Anrede geändert
  • DM#2: Titel gestrichen
  • DM#3: Bitte wird zum Imparativ
  • DM#4: Einsatz prosaischer Standardfloskel
Im einzelnen:

Oratio (1962)
Omnipotens sempiterne Deus, qui huius diei venerandam sanctamque laetitiam in beati Apostoli tui Bartholomaei festivitate tribuisti: da Ecclesiae tuae, quaesumus, et amare quod credidit, et praedicare quod docuit.
Übersetzung
Allmächtiger ewiger Gott, der du dieses Tages ehrwürdige und heilige Freude am Fest deines seligen Apostels Bartholomäus gewährt hast: gib deiner Kirche, bitten wir, zu lieben, was er geglaubt, und zu verkünden, was er gelehrt hat.
Tagesgebet (2002)
Róbora in nobis, Dómine, fidem, qua Fílio tuo beátus Bartholomǽus apóstolus sincéro ánimo adhǽsit, et præsta, ut, ipso deprecánte, Ecclésia tua cunctis géntibus salútis fiat sacraméntum.
Übersetzung
Stärke in uns, Herr, den Glauben, in welchem der seligen Apostel Bartholomäus deinem Sohn mit reiner Gesinnung anhing, und gewähre, dass, während er fleht, deine Kirche allen Völkern zum Sakrament des Heiles werde.
Deutsches Messbuch
Gott, unser Herr, der Apostel Bartholomäus hat mit aufrichtigem Herzen deinem Sohn die Treue gehalten. Stärke auf seine Fürsprache auch unseren Glauben und mache deine Kirche zum wirksamen Zeichen des Heils für alle Völker.
Standardabweichungen
  • DM#1: Herr ⇒ Herr, unser Gott
  • DM#2: der selige Apostel Bartholomäus ⇒ der Apostel Bartholomäus
  • DM#3: gewähre, dass deine Kirche werde ⇒ mache deine Kirche
  • DM#4: während er fleht ⇒ auf seine Fürsprache
Sonstige Abweichungen
Das Flehen (die Fürsprache) des Apostels wird Original für die Kirche, im DM schon bei der (eigentlich das Gebet einleitenden) Bitte um die Stärkung des Glaubens erwähnt.
  • Sakrament ⇒ wirksames Zeichen
Das DM spielt auf Lumen Gentium Nr. 1 an, wo es heißt „Die Kirche ist ja in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit.“, oder in der griffigen Formel (deren erste Quelle ich nicht kenne, wenngleich manche sagen, es stamme aus der Summa theologica des Thomas von Aquin) vom Realsymbol: Ein Sakrament bewirkt, was es bezeichnet.
  • Stärke in uns den Glauben ⇒ Stärke auch unseren Glauben
Der Glaube wird als etwas Geschenktes, in uns Lebendiges aufgefasst (Original), oder als etwas uns Gehöriges, ein Ding der Verfügungsmasse? (DM)
  • hing im Glauben an ⇒ hat die Treue gehalten
Fides kann natürlich „Treue“ heißen; warum wird das Wort aber dann gedoppelt und die Kopie in die Bitte verschoben, wo es dann doch „Glaube“ heißt?
Beide Punkte (Glaube in uns; durch Glaube und Hoffnung Gott anhägen) stimmen mit dem Sprachgebrauch des Doctor angelicus überein, der schreibt (IIª-IIae q. 17 a. 6 co. Text und Übersetzung von hier):
Fides ergo facit hominem Deo inhaerere inquantum est nobis principium cognoscendi veritatem, credimus enim ea vera esse quae nobis a Deo dicuntur. Spes autem facit Deo adhaerere prout est nobis principium perfectae bonitatis, inquantum scilicet per spem divino auxilio innitimur ad beatitudinem obtinendam.
Der Glaube also macht in uns, daß wir Gott anhangen, weil Er das Princip für die Erkenntnis der Wahrheit ist; die Hoffnung [macht in uns], daß wir Gott anhängen, weil Er das Princip für uns ist auf Grund seines Beistandes, daß wir die Seligkeit besitzen werden.
Es gab allerdings in den 1970ern weder Internet noch Suchmaschinen – und wenn seinerzeit Theologen mit tiefer Kenntnis der Scholastik die Übersetzung übernommen hätten, würde man möglicherweise heute nicht den Zustand der Kirche beklagen müssen.

Secreta (1962)
Beati Apostoli tui Bartholomsei solemnia recensentes, quaesumus, Domine: ut eius auxilio tua beneficia capiamus, pro quo tibi laudis hostias immolamus.
Gabengebet (2002)
Beáti apóstoli Bartholomǽi festivitátem, Dómine, recenséntes, quǽsumus, ut eius intercessióne tua capiámus auxília, in cuius honórem tibi laudis hóstias immolámus.
Die Gebete sind bis auf wenige Wortersetzungen und –verdrehungen gleich.

Übersetzung
Die wir des [deines] seligen Apostels Bartholomäus Fest [Hochfest], Herr, feiern, bitten, dass wir durch dessen Vermittlung [Hilfe] deine Hilfen [Wohltaten] erhalten, zu wessen Ehre [für welchen] wir dir die Opfergaben des Lobes opfern.
Deutsches Messbuch
Herr, unser Gott, zu Ehren des Apostels Bartholomäus feiern wir das Opfer des Lobes. Höre auf seine Fürsprache und schenke uns deine Hilfe.
Standardabweichungen
  • DM#1: Herr ⇒ Herr, unser Gott
  • DM#2: des seligen Apostels Bartholomäus ⇒ des Apostels Bartholomäus
  • DM#3: wir bitten, dass wir deine Hilfen erhalten ⇒ schenke uns deine Hilfe
  • DM#4: Die im Original getrennten Gedanken des Feierns/Gedenkens und Opferns: 1) wir feiern (recensentes), d.h. erwägen, betrachten oder begehen festlich das Fest, und 2) wir opfern die Hostien des Lobes (Ps 116,17); werden im DM beide zusammengekürzt auf „wir feiern das Opfer des Lobes“
Postcommunio (1962)
Sumptum, Domine, pignus redemptionis aeternae: sit nobis, quaesumus; interveniente beato Bartholomaeo Apostolo tuo, vitae praesentis auxilium pariter et futurae.
Schlussgebet (2002)
Súmpsimus, Dómine, pignus salútis ætérnæ, festivitátem beáti Bartholomǽi apóstoli celebrántes, quod sit nobis, quǽsumus, vitæ præséntis auxílium páriter et futúræ.
Übersetzung
Wir haben, Herr, das Unterpfand des ewigen Heils empfangen [Das empfangene Unterpfand der ewigen Erlösung, Herr], das Fest des seligen Apostels Bartholomäus feiernd, welches [Unterpfand] uns sei [sei uns, während dein seliger Apostel Bartholomäus vermittelt], bitten wir, Hilfe im gegenwärtigen gleichwie im zukünftigen Leben.
Während der Austausch von „Heil“ gegen „Erlösung“ wenig ändert, macht die Konzentration auf Uns („wir haben empfangen“ – „wir haben gefeiert“) die Konstruktion ziemlich unelegant und im Deutschen schlecht wiederzugeben, weil die Bezüge („sumpsimus“ zu „celebrantes“ und „pignus“ zu „quod“) so über Kreuz gehen.

Deutsches Messbuch
Herr, unser Gott, am Fest deines Apostels Bartholomäus haben wir das Unterpfand des ewigen Heiles empfangen. Schenke uns durch dieses Sakrament deine Hilfe für das gegenwärtige und das zukünftige Leben.
Standardabweichungen
  • DM#1: Herr ⇒ Herr, unser Gott
  • DM#2: des seligen Apostels Bartholomäus ⇒ des Apostels Bartholomäus
  • DM#3: es [das empfangene Unterpfand des ewigen Heils] sei uns, bitten wir, Hilfe ⇒ schenke uns durch dieses Sakrament deine Hilfe
    Original: das Sakrament sei Hilfe; DM: durch das Sakrament schenke Gott seine Hilfe [also noch etwas anderes?]
  • DM#4: Wegen der verunglückten Satzstellung des reformischen Gebets muss das Mittel des Heils in der Übersetzung nochmal aufgegriffen werden; leider nimmt das DM die Standardfloskel (durch dieses Sakrament), statt die Besonderheit in der Formulierung des Gebets (das empfangene Unterpfand des ewigen Heils) aufzugreifen.
  • wir als das Fest des seligen Apostels Bartholomäus Feiernde [Aussage über die Betenden] ⇒ am Fest deines Apostels Bartholomäus [Zeitangabe]
    Es ist ein Mangel, dass im Deutschen hundert Worte als feiern enden. celebrare meint: besuchen, rühmen, eifrig betreiben, eine Versammlung abhalten, öffentlich bekannt machen – also eine besondere Art des Feierns.

Donnerstag, 22. August 2019

Wurde Maria als Königin eingesetzt, oder ehren wir sie nur als solche?

Zum neuen Fest Maria Königin betet die Kirche:

Tagesgebet
Deus, qui Fílii tui Genetrícem nostram constituísti Matrem atque Regínam, concéde propítius, ut, ipsíus intercessióne suffúlti, tuórum in regno cælésti consequámur glóriam filiórum.
Übersetzung
Gott, der du deines Sohnes Gebärerin als unsere Mutter und Königin eingesetzt hast, gewähre gnädig, dass wir, durch ihre Vermittlung gestärkt, im himmlischen Reich die Herrlichkeit deiner Kinder erreichen.
Deutsches Messbuch
Gott, du hast die Mutter deines Sohnes auch uns zur Mutter gegeben. Wir ehren sie als unsere Königin und vertrauen auf ihre Fürsprache. Lass uns im himmlischen Reich an der Herrlichkeit deiner Kinder teilhaben.
Vergleich
  • deines Sohnes Gebärerin ⇒ die Mutter deines Sohnes
  • du hast als unsere Mutter und Königin eingesetzt ⇒ du hast auch uns zur Mutter gegeben. Wir ehren sie als unsere Königin
  • durch ihre Vermittlung gestärkt ⇒ wir vertrauen auf ihre Fürsprache
  • gewähre gnädig, dass wir … erreichen ⇒ lass uns … teilhaben
Anmerkungen
  1. Das Original unterscheidet zwischen dem Verhältnis von Maria zu Jesus (Gebärerin) und von Maria zu uns (Mutter und Königin). Das Deutsche Messbuch nivelliert den Unterschied, nennt Maria in beiden Zusammenhängen „Mutter“; „Königin“ ist sie nicht, weil Gott sie eingesetzt hat (wie im Original), sondern weil Wir sie als Königin ehren.
  2. Im Original werden wir auf dem Weg zum erbetenen Ziel der Herrlichkeit, dessen würdig zu werden wir erbitten, durch Mariens Vermittlung gestärkt. DeutschMessbuchlich vertrauen Wir lediglich auf ihre Fürsprache (losgelöst von der Bitte; so wie wir sie auch als Königin ehren - Wer im DeutschMessbuch der Macher und Akteur ist, wird klar).
  3. Wenn wir alles, was an uns liegt, getan haben (Lk 17,19), plus von der Vermittlung der Gottesgebärerin unterstützt werden, sind wir am Ende immer noch von der Gnade Gottes abhängig, das Ziel erreichen zu dürfen (Original). Das Deutsche Messbuch erinnert im Ton der „Bitte“ eher an ein Katerfrühstück unter Saufkumpan („gib ma’ den Kaffee rüber“ – „lass uns an der Herrlichkeit teilhaben“).
Gabengebet
Memóriam recoléntes beátæ Vírginis Maríæ, tibi, Dómine, múnera nostra offérimus, deprecántes, ut eius nobis succúrrat humánitas, qui tibi oblatiónem seípsum in cruce óbtulit immaculátam.
Übersetzung
Das Gedächtnis der seligen Jungfrau Maria ehrend bringen wir dir, Herr, unsere Gaben dar, und flehen, dass uns zur Hilfe komme die Menschlichkeit dessen, der dir als makelloses Opfer sich selbst am Kreuz dargebracht hat.
Deutsches Messbuch
Herr, unser Gott, am Fest der seligen Jungfrau Maria bringen wir unsere Gaben dar. Komm uns zu Hilfe durch deinen Sohn, der Mensch geworden ist und der sich für uns am Kreuz als makelloses Opfer dargebracht hat.

Vergleich
  • das Gedächtnis der seligen Jungfrau Maria ehrend ⇒ am Fest der seligen Jungfrau Maria
  • Herr ⇒ Herr, unser Gott
  • wir flehen, dass uns zur Hilfe komme ⇒ komm uns zu Hilfe
  • die Menschlichkeit [Christi] ⇒ durch deinen Sohn, der Mensch geworden ist
  • dir sich selbst [geopfert] ⇒ sich für uns [geopfert]
Anmerkungen
  1. Das Original weist Gott darauf hin, dass wir das Fest ehren (um sozusagen Pluspunkte zu sammeln, ehe wir zum Anliegen kommen – die captatio benevolentiae der alten Rhetoren) – im DeutschMessbuch ist „am Fest“ nur eine Zeitangabe.
  2. Entsprechend fleht das Original um Hilfe, während die „Übersetzung“ es beim Imperativ „komm“ bewenden lässt.
  3. Im Original kommt uns die Menschlichkeit Christi zu Hilfe, im DeutschMessbuch Gott durch seinen Sohn.
  4. Krassest aber: Original hat Jesus Christus (der ewige Hohepriester) sich selbst (als Opferlamm) auf dem Altar des Kreuzes Gott dem Vater dargebracht (ausgedrückt durch das „dir“) – im DeutschMessbuch „für Uns“ (denn darum geht es ja in der Messe, nicht wahr). Die Dominanz des Horizontalen (Wir als Tischgemeinschaft und Zentrum der Messe) über das Vertikale (das Volk Gottes im demütigen Gebet vor dem Allmächtigen) ist ja in allem, was den Novus Ordo ausmacht, ohnehin spürbar, aber soweit, das Opfer für Gott Vater im Gebet zu streichen und ein Opfer „für Uns“ zu erdichten, geht nur die DBK.
Schlussgebet
Sumptis, Dómine, sacraméntis cæléstibus, te súpplices deprecámur, ut, qui beátæ Vírginis Maríæ memóriam venerándo recólimus, ætérni convívii mereámur esse partícipes.
Übersetzung
Nachdem wir, Herr, die himmlischen Sakramente empfingen, flehen wir dich demütig an, dass die wir das Gedächtnis der seligen Jungfrau Maria ehrfurchtsvoll ehren, des ewigen Gastmals Teilnehmer zu sein verdienen.
Deutsches Messbuch
Herr, unser Gott, am Festtag der seligen Jungfrau hast du uns mit dem Brot des Himmels gestärkt. Lass uns einst mit Maria und allen Heiligen teilnehmen am Mahl des ewigen Lebens.
Vergleich
  • nachdem wir die himmlischen Sakramente empfingen ⇒ du hast uns mit dem Brot des Himmels gestärkt
  • Herr ⇒ Herr, unser Gott
  • flehen wir dich demütig an ⇒ lass uns
  • die wir das Gedächtnis der seligen Jungfrau Maria ehrfurchtsvoll ehren ⇒ am Festtag der seligen Jungfrau
  • des ewigen Gastmals ⇒ am Mahl des ewigen Lebens
  • Teilnehmer zu sein verdienen ⇒ einst mit Maria und allen Heiligen teilnehmen
Anmerkungen
  1. Hier gibt es vielfache Ersetzungen oder Umschreibungen, deren tieferer Sinn mir entgehen, z.B. „Brot des Himmels“ statt „himmlischen Sakramente“ oder „Mahl des ewigen Lebens“ statt „ewiges Gastmahl“. Mir scheint hier der Improvisationsgeist, der leider zu viele Priester beseelt und sie Dinge sagen und tun lässt, die weder im Buche stehen noch immer mit einer würdigen Messfeier vereinbar scheinen. Man wünschte, der Übersetzer würde die Gebete übersetzt haben, damit die Priester guten Gewissens das Schwarze sagen und das Rote tun können.
  2. Dass das demütige Flehen zum Befehl wird und „ehrfurchtsvoll ehren“ sowie „verdienen“ wegfallen, ist inzwischen ein alter Hut.
  3. Warum „Teilnehmer sein“ mit „einst mit Maria und allen Heiligen teilnehmen“ gleichbedeutend ist bleibt das Geheimnis des DeutschMessbuchers (Zeilenhonorar?)

Mittwoch, 21. August 2019

Deutsche Kardinaltugenden von Papst Pius X.

Zum Gedenken des der Eucharistie sehr verbundenen Papstes betet die Kirche:

Tagesgebet
Deus, qui, ad tuéndam cathólicam fidem et univérsa in Christo instauránda, beátum Pium papam cælésti sapiéntia et apostólica fortitúdine replevísti, concéde propítius, ut, eius institúta et exémpla sectántes, prǽmia consequámur ætérna.
Übersetzung
Gott, der du den seligen Papst Pius, damit er den katholischen Glauben hüte und sämtliche [Angelegenheiten] in Christus wiederherstelle, mit himmlischer Weisheit und apostolischer Tapferkeit reichlich versehen hast, gewähre gnädig, dass wir, seinen Anordnungen und Beispielen eifrig nachstrebend, die ewigen Belohnungen erreichen.
Deutsches Messbuch
Herr, unser Gott, du hast dem heiligen Papst Pius dem Zehnten wahre Frömmigkeit und apostolischen Eifer geschenkt, um den Glauben der Kirche zu schützen und alles in Christus zu erneuern. Hilf uns, seiner Weisung und seinem Beispiel zu folgen und so den ewigen Lohn zu erlangen.
Vergleich
  • Gott ⇒ Herr, unser Gott
  • seliger Papst Pius ⇒ heiliger Papst Pius der Zehnte
  • katholischer Glaube ⇒ Glaube der Kirche
  • himmlische Weisheit ⇒ wahre Frömmigkeit
  • apostolische Tapferkeit ⇒ apostolischen Eifer
  • reichlich versehen [sättigen; wieder anfüllen] ⇒ geschenkt
  • Anordnungen ⇒ Weisungen
  • eifrig nachstrebend ⇒ [hilf uns] zu folgen
  • gewähre gnädig, dass wir … erreichen ⇒ hilf uns, zu erlangen
Anmerkungen
  1. In einigen Punkten legt der DeutschesMessbucher größeren Wert auf Exaktheit als das Original, so bei „Herr, unser“ vor „Gott“ und „dem Zehnten“ nach „Papst Pius“.
  2. In anderen dagegen verschwimmt die Schärfe des Originals ein wenig, wenn der „katholische Glaube“ eher allgemein als „Glaube der Kirche“ daher kommt [man möchte schließlich nicht ewaige Nicht-Katholiken, die sich für die Kirche halten, verstören], oder wenn die Kardinaltugenden Weisheit und Tapferkeit als Frömmigkeit und Eifer enden. [Das erstere hat zwar für sich, dass der Anfang der Weisheit die Gottesfurcht (Spr 9,10) ist, aber mit dem tüdeligen „Eifer“ (klingt hier wie „Emsigkeit“) statt der Tapferkeit wird eher der Eindruck eines alten Mütterchens als der des Stellvertreters Christi auf Erden erweckt].
  3. Auch wird die Fülle dieser Eigenschaften, mit dem Papst Pius „gesättigt“ war, mit „geschenkt“ nicht ausgesagt. Dann ist das „folgen“ eine sehr blasse Wiedergabe für „eifrig nachstreben“ [wenn man nicht soweit gehen wollte, einen Vokabelfehler zu vermuten, weil sectantes von sectari kommt, nicht von sequi, was im Deutschen Messbuch übersetzt wurde]. Außerdem ist das „eifrig nachstreben“ ein Prozess, in dem die Betenden schon begriffen sind, während im DeutschMessbuch erst um Hilfe, damit zu beginnen, gebeten wird.
  4. Wie üblich wird das fromme „gewähre gnädig“ durch das kumpelhafte „hilf“ ersetzt, und zur Verdeutlichung des Themas der Messe ein „Uns“ dazugestellt.
Gabengebet
Oblatiónibus nostris, Dómine, benígne suscéptis, da, quǽsumus, ut hæc divína mystéria, beáti Pii papæ mónita secúti, sincéris tractémus obséquiis, et fidéli mente sumámus.
Übersetzung
Nachdem du unsere Opfergaben, Herr, gütig angenommen hast, gib, bitten wir, dass wir diese göttlichen Mysterien, den Ermahnungen des seligen Papstes Pius folgend, mit aufrichtigen Huldigungen behandeln und mit gläubigem Geist ergreifen.
Deutsches Messbuch
Herr, nimm unsere Gaben an und lass uns nach den Weisungen des heiligen Papstes Pius die göttlichen Geheimnisse würdig feiern und mit gläubigem Herzen empfangen.
Vergleich
  • nachdem du … gütig angenommen hat ⇒ nimm an
  • gib, bitten wir, dass wir ⇒ lass uns
  • den Ermahnungen folgend ⇒ nach den Weisungen
  • mit aufrichtigen Huldigungen behandeln ⇒ würdig feiern
Anmerkungen
  1. In diesem Gebet kommt secuti (von sequi) = folgend, welches das Deutsche Messbuch oben eingeschmugelt hat, tatsächlich vor und wird umschrieben.
  2. Die „Anordnungen“ (Tagesgebet) und „Ermahnungen“ (hier) werden immer zu „Weisungen“. Das eine aber betrifft liturgische Praktiken (z.B. häufiger Kommunionempfang), das andere die Lehre. Der DeutschMessbucher hatte möglicherweise die Einzelheiten des Wirkens Pius’ X. nicht deutlich vor Augen.
  3. Eucharistische Anbetung und Glauben an die körperliche Gegenwart Christi im Altarssakrament, die eine bestimmte Haltung und Handlungsweise fordern, werden im Original deutlicher als im Deutschen Messbuch.
Schlussgebet
Memóriam beáti Pii papæ celebrántes, quǽsumus, Dómine Deus noster, ut, virtúte mensæ cæléstis, constántes efficiámur in fide, et in tua simus caritáte concórdes.
Übersetzung
Das Andenken des seligen Papstes Pius feiernd bitten wir, Herr unser Gott, dass wir durch die Kraft des himmlischen Tisches beständig im Glauben gemacht werden, und einträchtig in deiner Liebe sind.
Deutsches Messbuch
Herr, unser Gott, höre auf die Fürsprache des heiligen Papstes Pius, dessen Gedenktag wir feiern. Er hat deine Gläubigen eindringlich zum heiligen Mahl eingeladen; festige uns durch die Kraft dieser Speise im Glauben und einige uns in der Liebe.
Vergleich
  • das Andenken des seligen Papstes Pius feiernd bitten wirhöre auf die Fürsprache des heiligen Papstes Pius, dessen Gedenktag wir feiern. Er hat deine Gläubigen eindringlich zum heiligen Mahl eingeladen
  • Kraft des himmlischen Tisches ⇒ Kraft dieser Speise

Anmerkung
Es ist erstaunlich, wie die üblicherweise weggelassene Formel „bitten wir“ hier „übersetzt“ wird. Möglicherweise ist dem Texter am Ende aufgegangen, dass in seinen „Übersetzungen“ der anderen Gebete einiges nicht so deutlich wurde und hier nachzutragen war.

Donnerstag, 15. August 2019

Ad superna semper intenti

Zum Hochfest der Aufnahme der seligen Jungfrau Maria betet die Kirche:

Tagesgebet
Omnípotens sempitérne Deus, qui immaculátam Vírginem Maríam, Fílii tui Genetrícem, córpore et ánima ad cæléstem glóriam assumpsísti, concéde, quǽsumus, ut, ad supérna semper inténti, ipsíus glóriæ mereámur esse consórtes.
Übersetzung
Allmächtiger ewiger Gott, der du die unbefleckte Jungfrau Maria, deines Sohnes Gebärerin, mit Leib und Seele zur himmlischen Herrlichkeit aufgenommen hast, gewähre, bitten wir, dass wir, auf die Oberen immer bedacht*, ihrer Herrlichkeit Gefährten zu sein verdienen.
* allezeit den Himmel als unser Ziel vor Augen habend
[Das Gebet ist identisch mit dem im altem Missale.]

Deutsches Messbuch
Allmächtiger, ewiger Gott, du hast die selige Jungfrau Maria, die uns Christus geboren hat, vor aller Sünde bewahrt und sie mit Leib und Seele zur Herrlichkeit des Himmels erhoben. Gib, dass wir auf dieses Zeichen der Hoffnung und des Trostes schauen und auf dem Weg bleiben, der hinführt zu deiner Herrlichkeit.
Vergleich
  • die unbefleckte Jungfrau Maria ⇒ du hast die selige Jungfrau Maria vor aller Sünde bewahrt
  • deines Sohnes Gebärerin ⇒ die uns Christus geboren hat
  • zur himmlischen Herrlichkeit aufgenommen ⇒ zur Herrlichkeit des Himmels erhoben
  • gewähre, bitten wir ⇒ gib
  • wir, auf die Oberen [himmlischen Dinge] immer bedacht ⇒ dass wir auf dieses Zeichen der Hoffnung und des Trostes schauen
  • dass wir ihrer Herrlichkeit Gefährten zu sein verdienen ⇒ auf dem Weg bleiben, der hinführt zu deiner Herrlichkeit
Anmerkungen
  1. „Unbefleckt“ ist nicht das gleiche wie „vor aller Sünde bewahrt“, da Maria schon ohne Erbschuld empfangen wurde; sie wurde also nicht durch ihren Lebenswandel vor persönlichen Verfehlungen bewahrt und zur Mutter Gottes geeignet gemacht, sondern sie war es schon von Anfang an. Auch zeigt das Adjektiv deutlicher, dass das Unbeflecktsein eine Eigenschaft Mariens ist, und nicht eine erworbene Gewohnheit (der Sündenvermeidung).
  2. Das Deutsche Messbuch hat oft Schwierigkeiten mit dem Wort Gebärerin, sagt aber meist wenigstens Mutter. Das „die uns geboren hat“ schmuggelt wieder einmal unberufen das Thema jeder Messe („Uns“) ein.
  3. Schließlich ist die Reihenfolge im Original klar (war immer unbefleckt, wurde Gottes Mutter, und am heutigen Festtag hat Gott sie aufgenommen), im Deutschen Messbuch verwirrt (hat geboren, wurde vor Sünden bewahrt und erhoben), also ob das bewahren und erheben irgendwie gleichzeitige Prozesse wäre.
  4. Auch ist das „erhoben“ hier sehr sinnlos – Fachbegriffe werden nicht variiert (alte Regel), und das Fest heißt nicht „Mariä Erhebung“.
  5. Der etwas saloppe Umgang mit dem Schöpfer („gib“ statt „gewähre, bitten wir“) ist nichts Ungewöhnliches.
  6. Das „Zeichen der Hoffnung und des Trostes“ hat der Deutsches-Messbuch-Texter aus der Präfation geklaut; es ist dort von der Mutter Gottes gesagt. Wäre diese allerdings hier gemeint, müsste es „ad supernam“ heißen (was - selbst wenn sie in den Himmel aufgenommen ist – etwas blasphemisch wäre, denn bei den Heiden sind die superni die Götter). Hier sind die superna (Neutrum Plural) die oberen/himmlischen [Dinge, Angelegenheiten, Belohnungen], weshalb anderssprachige 1970er (d.h. grottig übersetzte) Messbücher den Ausdruck mit „allezeit den Himmel als unser Ziel vor Augen“ umschreiben.
  7. Dann wandelt das Deutsche Messbuch (wie so oft) eine Zustandsbeschreibung (wir sind allezeit auf die Oberen bedacht) in eine Bitte um (als müsse erst erbeten werden, dass wir auf „dieses Zeichen“ schauen) – und das „immer“ entfällt ersatzlos.
  8. Was original erbeten wird (das „Gefährten zu sein verdienen“) wird dageben als gegeben hingenommen (nämlich dass wir auf dem Weg zur Herrlichkeit sind), so dass wir nur noch darauf zu „bleiben“ erbitten müssen. Ziemlich zuversichtlich, der Messbuchtexter.
  9. Das Deutsche Messbuch mag Heilige noch weniger als das reformische Missale selbst und muss wohl „ihre [Mariens] Herrlichkeit“, der uns zugesellen zu dürfen wir erbeten, in „deine [Gottes] Herrlichkeit“ unwandeln. Denn wenn schon denn schon; bloß so herrlich wie die selige Jungfrau möchte der Texter dann doch nicht enden.
Gabengebet
Ascéndat ad te, Dómine, nostræ devotiónis oblátio, et, beatíssima Vírgine María in cælum assúmpta intercedénte, corda nostra, caritátis igne succénsa, ad te iúgiter aspírent.
[Ebensfalls identisch mit dem im altem Missale.]

Übersetzung
Aufsteigen möge zu dir, Herr, das Opfer unserer Ergebenheit, und, während die in den Himmel aufgenommene allerseligste Jungfrau Maria vermittelt, mögen unsere Herzen, vom Feuer der Liebe entflammt, zu dir zu gelangen beständig erstreben.
Deutsches Messbuch
Allmächtiger Gott, unser Gebet und unser Opfer steige zu dir empor. Höre auf die selige Jungfrau Maria, die du in den Himmel aufgenommen hast, und entzünde in unseren Herzen das Feuer der Liebe, damit wir dich allezeit suchen.
Vergleich
Herr ⇒ allmächtiger Gott
das Opfer unserer Ergebenheit ⇒ unser Gebet und unser Opfer
während … vermittelt ⇒ höre auf …
unsere Herzen, vom Feuer der Liebe entflammt ⇒ entzünde in unseren Herzen das Feuer der Liebe
mögen [unsere Herzen] zu dir zu gelangen beständig erstreben ⇒ damit wir dich allezeit suchen

Anmerkungen
  • Dass das Deutsche Messbuch die Gebete zerstückelt (was noch nicht eigentlich falsch ist, wenn die lateinischen Sätze lang sind), die Bruchstücke durcheinander wirbelt und das Vorher und Nachher, das Weswegen und Wozu verwirrt, ist schon oft genug beklagt worden:
  • Dass die selige Jungfrau fürbittet, macht unser Beten zuversichtlicher (original); das Deutsche Messbuch dreht um und legt Fürsprache für Maria ein: „Höre auf die selige Jungfrau“.
  • Unsere Herzen sind vom Feuer der Liebe entflammt (original); das Deutsche Messbuch bittet, dass das Feuer entzündet werden möge.
  • Die Orignalbitte, die Herzen mögen unterstützt werden, damit sie sich „beständig“ darauf fokussieren, zu Gott zu gelangen, wird deutschmessbuchlich zu einer einer Begründung der Bitte um das Entflammen, wobei keineswegs als unstrittig gelten darf, dass „danach streben, näher zu Gott zu gelangen“ mit „Gott suchen“ gleichbedeutend ist.
    [Noch dazu ist die Konnotation im Wort aspirent deutlich intensiver: atmen/leben auf Gott hin.]
  • Jedenfalls ist das „Opfer unserer Devotion [Hingabe, Verehrung, Ergebenheit, Frömmigkeit, Demut]“ kaum im „unser Gebet und unser Opfer“ wiederzuerkennen.
Schlussgebet
Sumptis, Dómine, salutáribus sacraméntis, da, quǽsumus, ut, [meritis et]* intercessióne beátæ Maríæ Vírginis in cælum assúmptæ, ad resurrectiónis glóriam perducámur.
Übersetzung
Nachdem wir, Herr, die heilbringen Sakramente empfangen haben, gib, bitten wir, dass wir, durch die [Verdienste und die] Fürsprache der in den Himmel aufgenommenen seligen Jungfrau Maria, zur Herrlichkeit der Auferstehung geführt werden.
* der Ausdruck steht nur im alten Missale; ansonsten sind die Gebete gleich

Deutsches Messbuch
Barmherziger Gott, wir haben das heilbringende Sakrament empfangen. Lass uns auf die Fürsprache der seligen Jungfrau Maria, die du in den Himmel aufgenommen hast, zur Herrlichkeit der Auferstehung gelangen.
Vergleich
Herr ⇒ barmherziger Gott
die heilbringen Sakramente ⇒ das heilbringende Sakrament
gib, bitten wir, dass wir ⇒ lass uns
geführt werden ⇒ gelangen

Anmerkung
Oh. Sind hier keine wesentlichen inhaltlichen Änderungen vorgenommen worden? Da war wohl ein Praktikant am Werk ...

Mittwoch, 14. August 2019

Anfang und Bild der zu vollendenden Kirche

Im paulinischen Missale gibt es für viele Gelegenheiten eigene Präfationen, so auch für Mariä Himmelfahrt. Im alten Missale gab es eine Präfation für alle Marienfeste, bei dem (an der markierten Stelle) der Name des Festes eingefügt wurde. Nämlich:

alt: Praefatio de BMV
Vere dignum et iustum est, aequum et salutare, nos tibi semper et ubique gratias agere: Domine, sancte Pater, omnipotens aeterne Deus:
Et te in *Assumptione* beatae Mariae semper Virginis collaudare, benedicere et praedicare. Quae et Unigenitum tuum Sancti Spiritus obumbratione concepit: et, virginitatis gloria permanente, lumen aeternum mundo effudit, Iesum Christum Dominum nostrum.
Übersetzung
Wahrhaft ist es würdig und recht, angemessen und heilsam, dass wir dir immer und überall danken: Herr, heiliger Vater, allmächtiger ewiger Gott
und dich zur *Aufnahme* der seligen Maria, allzeit Jungfrau, loben, preisen und rühmen. Die sowohl deinen Einziggezeugten durch des Heiligen Geistes Überschattung empfing, als auch, in der Ehre der Jungfräulichkeit bleibend, das ewige Licht der Welt ausgoß, Jesus Christus unseren Herrn.
neu: Präfation zur Aufnahme der seligen Jungfrau Mariens
Vere dignum et iustum est, æquum et salutáre, nos tibi semper et ubíque grátias ágere: Dómine, sancte Pater, omnípotens ætérne Deus: per Christum Dóminum nostrum.
Quóniam Virgo Deípara hódie in cælos assúmpta est, Ecclésiæ tuæ consummándæ inítium et imágo, ac pópulo peregrinánti certæ spei et solácii documéntum; corruptiónem enim sepúlcri eam vidére mérito noluísti, quæ Fílium tuum, vitæ omnis auctórem, ineffabíliter de se génuit incarnátum.
Übersetzung
Wahrhaft ist es würdig und recht, angemessen und heilsam, dass wir dir immer und überall danken: Herr, heiliger Vater, allmächtiger ewiger Gott, durch Christus unseren Herrn.
Weil die gottgebärende Jungfrau heute in die Himmel aufgenommen wurde, deiner zu vollendenden Kirche Anfang und Bild, und dem pilgernden Volk Beweis der sicheren Hoffnung und des Trostes; dass sie die Vergänglichkeit des Grabes schaue wolltest du aus gutem Grund nicht, die deinen Sohn, den Urheber allen Lebens, unaussprechlich aus sich im Fleisch geboren hat.
Deutsches Messbuch
In Wahrheit ist es würdig und recht, dir, allmächtiger Vater, zu danken und das Werk deiner Gnade zu rühmen.
Denn heute hast du die jungfräuliche Gottesmutter in den Himmel erhoben, als Erste empfing sie von Christus die Herrlichkeit, die uns allen als verheißen ist, und wurde zum Urbild der Kirche in ihrer ewigen Vollendung. Dem pilgernden Volk ist sie ein untrügliches Zeichen der Hoffnung und eine Quelle des Trostes. Denn ihr Leib, der den Urheber des Lebens geboren hat, sollte die Verwesung nicht schauen.
Anmerkungen
  1. Der Anfang der Präfation ist immer gleich, im alten wie im neuen Missale, allerdings nicht im Deutschen Messbuch, wie man durch einen schnellen Blick auf die markierten Stellen erkennt.
  2. Mir ist nicht klar, ob der Messbuchtexter dem Volk nicht zutraute, „Anfang“ zu verstehen, oder ob eine Kenntnis, inwiefern die Kirche vollendet werden muss, nicht vorausgesetzt wurde, jedenfalls wird „Anfang“ umschrieben mit „als Erste empfing sie von Christus die Herrlichkeit, die uns allen als verheißen ist“. Seltsam genug, gibt aber nochmal die Gelegenheit, das Thema jeder Messe (Uns) anzusprechen, und zu betonen, dass die Herrlichkeit „allen“ verheißen ist, wie ja auch „für viele“ in den Wandlungsworten nach wie vor mit „für alle“ wiedergegeben wird. Wenn das nicht irgendwann ein böses Erwachen gibt, sag ich mal.
  3. Diese Ersetzung ist aus mehreren Gründen schade. Einer ist, dass man über Christus im Kolosser-Brief lesen kann: „Er ist das Bild des unsichtbaren Gottes … er ist das Haupt des Leibes, der Kirche. Er ist der Anfang“ (Kol 1,15.18). Und analog ist Maria Anfang und Bild des Leibes, der Kirche, so dass man auf die Frage „Ist die ‚Frau, mit der Sonne bekleidet; der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt’ (Offb 12,1) ein Symbol für Maria oder für die Kirche?“ beherzt antworten kann: Ja! Denn Maria ist Anfang und Bild der Kirche.
  4. Es gibt kleinere Unstimmigkeiten in der Übersetzung. Das „untrüglich“ bezieht sich definitiv auf „Hoffnung“ und nicht auf „Zeichen“ – oder wurde es gar nicht verschoben, sondern das Dokument (der Beweis) als „untrügliches Zeichen“ übersetzt und das „sicher“ vor „Hoffnung“ gestrichen? Aber dafür wurde eine „Quelle“ dazugedichtet, wie hübsch.
  5. Wie es scheint hatte der Messbuchtexter gerade nicht die Dogmatische Konstitution des II. Vatikanischen Konzils über die Kirche „Lumen Gentium“ zur Hand, sonst hätte er einfach abschreiben können, denn dort heißt die Nummer 68:
    Wie die Mutter Jesu, im Himmel schon mit Leib und Seele verherrlicht, Bild und Anfang der in der kommenden Weltzeit zu vollendenden Kirche ist, so leuchtet sie auch hier auf Erden in der Zwischenzeit bis zur Ankunft des Tages des Herrn als Zeichen der sicheren Hoffnung und des Trostes dem wandernden Gottesvolk voran.
  6. Dass der Leib „nicht sollte“ (statt dass Gott „aus gutem Grund [oder: verdientermaßen] nicht wollte“, dass er würde) und dass „unaussprechlich wunderbar aus sich im Fleisch“ gestrichen wurde, trägt nicht zum Schmuck oder einer ehrerbietigen Gebetshaltung bei.
Die Änderungen scheinen mir etwas willkürlich, um ihrer selbst Willen durchgeführt zu sein.

Dienstag, 13. August 2019

Der transferierte Königssaal

Eingedenk
  1. der Ergiebigkeit des Vergleichs zwischen den Gebeten zur Vigil von Mariä Himmelfahrt und dem, was das Deutsche Messbuch daraus gemacht hat,
  2. der gänzlichen Unähnlichkeit der im alten Messbuch für besagte Vigil vorgesehenen Gebete mit den neuen und
  3. der weitgehenden Unversehrtheit, mit der die alten Gebete für die Messe am Festtag selbst in das neue Missale übernommen wurden
sollen hier nur die alten Vigil-Gebete der Vollständigkeit wegen, zur Erbauung und ohne viel Kommentar dokumentiert werden.

Tagesgebet
Deus, qui virginalem aulam beatae Mariae, in qua habitares, eligere dignatus es: da, quaesumus; ut, sua nos defensione munitos, iucundos facias suae interesse festivitati
Übersetzung
Gott, der du den jungfräulichen Königssaal* der seligen Maria, in welchem du wohnen wolltest, auszuwählen geruht hast: gib, bitten wir, dass du uns, durch ihren Schutz beschirmt, fröhlich an ihrem Fest teilnehmen lässt.
* Angespielt wird auf das Mess-Evangelium (Lk 11,27): „Selig die Frau, deren Leib dich getragen hat“. Der Index eines Buches von Mariengesängen „Polyanthea Mariana“ enthält auf anderthalb Seiten Verweise auf Gesänge über die aula regis – scheint ein beliebtes Bild zu sein.

Gabengebet
Munera nostra, Domine, apud clementiam tuam Dei Genetricis commendet oratio: quam idcirco de praesenti saeculo transtulisti; ut pro peccatis nostris apud te fiducialiter intercedat.
Übersetzung
Unsere Gaben, Herr, empfehle deiner Güte das Gebet der Gottesgebärerin, welche du dazu aus dem gegenwärtigen Zeitalter hinübergetragen hast, dass sie für unsere Sünden bei dir vertrauensvoll fürspreche.
Anmerkung
Den Hinweis auf den Zweck der Fürsprache fand ich lehrreich, da er erklärt, warum Mariä Aufnahme nicht bis zum Jüngsten Gericht warten konnte. Das Wort Transferieren oder Hinübertragen läßt die Frage der Entschlafung (ob Maria tatsächlich gestorben oder direkt aufgenommen worden ist, wie es wohl bei den Orthodoxen geglaubt wird) offen, erläutert aber das Geheimnis der leiblichen Aufnahme.
Schlussgebet
Concede, misericors Deus, fragilitati nostrae praesidium: ut, qui sanctae Dei Genetricis festivitatem praevenimus; intercessionis eius auxilio, a nostris iniquitatibus resurgamus.
Übersetzung
Gewähre, barmherziger Gott, unserer Zerbrechlichkeit Schutz, dass die wir dem Festtag der heiligen Gottesgebärerin zuvorkommen* durch die Hilfe ihrer Vermittlung von unseren Fehltritten wieder aufstehen.
* d.h. wir feiern schon am Vorabend die Vigil

Anmerkung
Die Zerbrechlichkeit bezieht sich auf die menschliche Neigung zur Sünde; gebeten wird also, dass Gott unser Schwäche eine Stütze sei und uns vor dem Stolpern bewahre, und auf Fürsprache der seligen Jungfrau uns nach geschehenen Fällen wieder auf die Füße bzw. auf den Pfad der Tugend zurückhelfe.

Montag, 12. August 2019

Superexzellente Herrlichkeit

Das (am 15. August) bevorstehende Hochfest der Aufnahme der seligen Jungfrau Maria [deutsch: Mariä Aufnahme in den Himmel] wirft seinen Glimmer voraus, da es zu den drei (außer den Herrenfesten Weihnachten, Epiphanie, Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten) verbliebenen gehört, die mit einer eigenen Vigil (Messe am Vorabend) versehen sind. (Die anderen beiden sind am 24. Juni Geburt des Täufers und am 29. Juni Peter und Paul.)

In der Nachtwache vor dem Fest („entweder vor oder nach der ersten Vesper des Hochfestes“) betet die Kirche:

Tagesgebet
Deus, qui beátam Vírginem Maríam, eius humilitátem respíciens, ad hanc grátiam evexísti, ut Unigénitus tuus ex ipsa secúndum carnem nascerétur, et hodiérna die superexcellénti glória coronásti, eius nobis précibus concéde, ut, redemptiónis tuæ mystério salváti, a te exaltári mereámur.
Übersetzung
Gott, der du die selige Jungfrau Maria, ihre Niedrigkeit beachtend*, zu dieser Gnade, dass dein Einziggezeugter aus ihr dem Fleisch nach geboren werde, emporgetragen und am heutigen Tage mit superexzellenter [über-ausgezeichneter] Herrlichkeit gekrönt hast: auf ihre Bitten hin gewähre, dass wir, durch das Mysterium deiner Erlösung gerettet, zu dir erhöht zu werden verdienen.
* Das „Beachten“, das Gott der Niedrigkeit Mariens zuteil werden läßt, ist dasselbe, das dem Opfer Abels gilt, also ein gnädiges Schauen, ein Annehmen, Berücksichtigen, Denken an usw.

Deutsches Messbuch
Allmächtiger Gott, du hast die Jungfrau Maria zur Mutter deines ewigen Sohnes erwählt. Du hast auf deine niedrige Magd geschaut und sie mit Herrlichkeit gekrönt. Höre auf ihre Fürsprache und nimm auch uns in deine Herrlichkeit auf, da du uns erlöst hast durch den Tod und die Auferstehung deines Sohnes unseres Herrn Jesus Christus
Vergleich
  • Gott ⇒ allmächtiger Gott
  • du hast die selige Jungfrau Maria zu dieser Gnade emporgetragen ⇒ du hast die Jungfrau Maria erwählt
  • dass aus ihr dem Fleisch nach geboren werde ⇒ zur Mutter
  • dein Einziggezeugter ⇒ dein ewiger Sohn
  • ihre Niedrigkeit beachtend ⇒ auf deine niedrige Magd geschaut
  • am heutigen Tage mit superexzellenter Herrlichkeit gekrönt ⇒ mit Herrlichkeit gekrönt
  • auf ihre Bitten hin gewähre ⇒ höre auf ihre Fürsprache
  • dass wir zu dir erhöht zu werden verdienen ⇒ nimm auch uns in deine Herrlichkeit auf
  • durch das Mysterium deiner Erlösung gerettet ⇒ da du uns erlöst hast durch den Tod und die Auferstehung deines Sohnes unseres Herrn Jesus Christus
Anmerkungen
  1. Die Tendenz des Deutschen Messbuchs, den Heiligen ihren „Titel“ [hier: selige] zu nehmen, war schon beobachtet worden. Zusammen mit den vielfachen Streichungen des reformischen Missale verdichtet sich der Eindruck, man wolle nunmehr die Heiligen zu uns Sündern herunterziehen, statt sie als Vorbild, an dem wir uns emporarbeiten können, stehen zu lassen.
  2. Das zeigt sich in diesem Tagesgebet besonders. Maria ist deutschmessbuchlich „erwählt“, ein sehr unscharfes Wort. Da ist Jesus der erwählte Knecht (Mt 12,18), der „Christus Gottes, der Erwählte“ (Lk 23,35). Dann sind aber auch die Apostel Erwählte (Joh 6,70.13.18,15.19; Apg 1.2). Und schließlich – analog zum Volk Israel im Alten Bund – sind alle Getauften erwählt (1 Kor 1,27f.; Eph 1,4; Kol 3,12; 1 Thes 1,4). Maria könnte so als „eine von uns“ erscheinen, oder in den Worten des gegenwärtigen Papstes: „Maria ist normal, sie ist eine Frau, die von jeder anderen Frau in dieser Welt nachgeahmt werden kann“. Das ist allerdings nicht genau das, was eigentlich im Tagesgebet mit „zu dieser [besonderen] Gnade emporgetragen“ gemeint ist.
    Nebenbei: „emporgetragen“ ist natürlich hübsch gesagt, weil es die erwähnte Niedrigkeit kontrastiert und genau zum Festthema passt.
  3. Wenn das Tagesgebet „dem Fleisch nach geboren“ sagt, betont es natürlich neben der Menschennatur, die von Maria stammt, die Gottesnatur Jesu, dem fleischgewordenen Ewigen Wort. Das Deutsche Messbuch spricht nur von „Mutter“ – wer hätte denn nicht eine? Der „ewige Sohn“ statt des „Einziggezeugten“ retten m.E. nur wenig, aber über diese Vokabel war schon geschrieben worden.
  4. "auf deine niedrige Magd geschaut" soll wohl die Anspielung auf das Magnificat deutlich machen; dann hätte man sich aber entweder an den lateinischen Text halten oder die Wortwahl in der Einheitsübersetzung (Lk 1,48) aufgreifen sollen.
  5. Aber wirklich schrecklich ist die deutschmessbuchliche Unterdrückung der „superexzellenten“ Herrlichkeit. (Das Wort steht so im lateinischen Text, aber nicht im Wörterbuch, würde „mehr als ausgezeichnet und vorzüglich“ heißen, kann aber [sagt meine Tochter] auch unübersetzt verstanden werden.) Das zusammen mit der „Herrlichkeit“, in die Gott „auch uns“ aufnehmen soll (statt der Bitte, wir mögen „erhöht zu werden verdienen“, das gerade zeigt, dass wir zu niedrig stehen und der Gnade bedürfen, uns der Herrlichkeit würdig zu erweisen) nivelliert gänzlich den Unterschied zwischen Maria und Uns. Dort etwas weniger Superexzellenz [gerade wenn am heutigen Tage (was auch gestrichen wurde) die leibliche Aufnahme in den Himmel, die gewöhnliche Leute bestenfalls zum Jüngsten Gericht erhoffen können, gefeiert wird – sehr ironisch], hier etwas mehr dazugedichtete Herrlichkeit – schon arbeiten wir auf Augenhöhe.
  6. Der Rollentausch zieht sich bis zur Bitte durch: statt dass Gott „auf ihre Bitten hin gewähre“ was wir erflehen, meint der Deutsches-Messbuch-Texter, Gott befehlen zu müssen, Maria zu beachten: „Höre auf ihre Fürsprache“ – würde er ja ohne „Unsere“ Erinnerung kaum tun, oder wie wird da gedacht?
  7. Die Vergesslichkeit Gottes scheint die Konstante des Deutschen Messbuchs zu sein, denn es wird das Geheimnis der Erlösung mit „durch den Tod und die Auferstehung deines Sohnes unseres Herrn Jesus Christus“ verdolmetscht – für den Fall, dass Gott gerade nicht parat hat, welche Erlösung gemeint ist?? Oder bekommt der Texter ein Zeilenhonorar und musste noch ein paar Wörter schinden?
Gabengebet
Súscipe, quǽsumus, Dómine, sacrifícium placatiónis et laudis, quod in sanctæ Dei Genetrícis Assumptióne celebrámus, ut ad véniam nos obtinéndam perdúcat, et in perpétua gratiárum constítuat actióne.
Übersetzung
Nimm an, bitten wir, Herr, das Opfer der Versöhnung und des Lobes, das wir zur Aufnahme der heiligen Gottesgebärerin feiern, dass es zur Verzeihung, die wir erhalten müssen*, führe und in einer fortwährenden Handlung des Dankes haltmache**.
* die uns so nötig ist
** im Sinne von „Lager aufschlagen“, „vor Anker gehen“, „erreichen“

Deutsches Messbuch
Herr und Gott, am Fest der Aufnahme Marias in den Himmel bringen wir das Opfer des Lobes und der Versöhnung dar. Es erwirke uns die Vergebung der Sünden und die Gnade, dir immer zu danken.
Vergleich
Herr ⇒ Herr und Gott
das Opfer der Versöhnung und des Lobes ⇒ das Opfer des Lobes und der Versöhnung
nimm an, bitten wir ⇒ wir bringen dar
[Opfer], das wir zur Aufnahme der heiligen Gottesgebärerin feiern ⇒ am Fest der Aufnahme Marias in den Himmel
dass [das Opfer] zur Verzeihung, die wir erhalten müssen, führe ⇒ [das Opfer] erwirke uns die Vergebung der Sünden
[dass das Opfer] in einer fortwährenden Handlung des Dankes haltmache ⇒ [das Opfer erwirke uns] die Gnade, dir immer zu danken
Anmerkungen
  1. Die theologische Tiefendimension der Reihenfolgeänderung von Versöhnung und Lob erschließt sich mir nicht, aber eigentlich ist es schon so, dass Gott mit seiner vorauseilenden Gnade der Akteur der Versöhnung ist, auf die wir mit dem Lob antworten.
  2. Im Original ist Gott der Handelnde (nimmt das Opfer an), im DeutschMessbuch das ominöse „Wir“ (wir bringen dar).
  3. a) der Titel „heilige“ wird wieder gestrichen b) der Titel Gottesgebärerin erinnert daran, dass schon das Jesuskind in der Krippe Gott war (entgegen der Irrlehre des Nestorius), genau wie der Titel „Einziggezeugter“ (gegen Arius, der die Gottesnatur Jesu nicht erkannte), und dass nicht etwa Jesus bloß ein guter Mensch war, der dann später (z.B. bei der Taufe, als der Heilige Geist in Gestalt einer Taube auf ihn herabstieg) von Gott adoptiert wurde (wie wir anderen alle). Diese Titel scheinen im Deutschen Messbuch auch sehr vermieden zu werden.
  4. Dafür erinnert das Deutsche Messbuch daran, dass die Vergebung „der Sünden“ gemeint ist (Man stelle sich die Verwirrung der Gemeinde vor, wenn Gott nur um „Vergebung“ gebeten würde und alle sich fragen, wofür denn gleich!). Im Original ist „obtinendam“ eine kompakte Form, die Notwendigkeit auszudrücken. Wenn ich zu freierer Übersetzung neigte [Ich nehme hier meist Wörter, die einem Lateinlehrer anzeigen würden, dass man die Form korrekt identifiziert hat, selbst wenn das Deutsch dann holprig wird.], würde ich „die uns so nötig ist“ geschrieben haben. Das sollte zwar auch eine Erinnerung sein, aber möglicherweise eine, die wenn sie oft genug wiederholt würde, das desaströse Beichtverhalten in deutschen Landen weniger dramatisch hätte werden lassen.
  5. Vollends zerstört das Deutsche Messbuch alles, wenn es von „Gnade zu danken“ phantasiert. a) Die „fortfährende Handlung des Dankes“ ist das „'luja, sag ich“ des Münchners im Himmel, also das Ziel, wo die Sieger auf der Wolke sitzen und Harfen zupfen (vgl. Offb 15,2-4). b) Das Opfer „führt“ zur Verzeihung mit dem gleichen perducat (hindurchführt) wie Mose das Volk durch das Schilfmeer, d.h. als ein Auszug aus der Knechtschaft der Sünde und dem Anfang des Wegs zum Gelobten Land. (Wer möchte, lese die Beiträge zur Osternacht nach.) Und es lässt uns lagern (fast hätte ich freihändig „auf grünen Auen und an stillen Wassern“ ergänzt) oder ankern oder bleiben in dem fortwährenden Dank. – Das ist doch mal ein schönes postreformisches Gebet, dass sich dadurch auszeichnet, dass es tief in katholischer Tradition getränkt ist und bei jeder Gelegenheit noch mal alles Wichtige sagt. Und jetzt finde das mal jemand in der Deutsches-Messbuch-Paraphrase wieder, die alle Verben mit „erwirke“ ersetzt 😖
Schlussgebet
Mensæ cæléstis partícipes effécti, implorámus cleméntiam tuam, Dómine Deus noster, ut, qui Assumptiónem Dei Genetrícis cólimus, a cunctis malis imminéntibus liberémur.
Übersetzung
Zu Teilnehmern des himmlischen Tisches gemacht flehen wir deine Güte an, Herr unser Gott, dass die wir die Aufnahme der Gottesgebärerin begehen von allen drohenden Übeln befreit werden.
Deutsches Messbuch
Herr, unser Gott, am Fest der Aufnahme Marias in den Himmel hast du uns an deinem Tisch versammelt. Erhöre unser Gebet und lass auch uns nach aller Mühsal dieser Zeit zu dir in die ewige Heimat gelangen.
Vergleich
  • Herr unser Gott ⇒ Herr unser Gott
  • zu Teilnehmern des himmlischen Tisches gemacht ⇒ du hast uns an deinem Tisch versammelt
  • wir flehen deine Güte an ⇒ erhöre unser Gebet
  • wir begehen die Aufnahme der Gottesgebärerin ⇒ am Fest der Aufnahme Marias in den Himmel
  • dass von allen drohenden Übeln befreit werden ⇒ lass auch uns nach aller Mühsal dieser Zeit zu dir in die ewige Heimat gelangen
Anmerkungen
  • Die Anrede Gottes wurde nicht geändert. Ging dem Messbuchtexter die Puste aus?
  • Aber nein. Der Ausdruck „um deinen Tisch versammelt“ enthält ziemlich alles, was in der Deutschkirche falschgelaufen ist. Zur Erinnerung, was mit dem „himmlischen Tisch“ gemeint ist, hier aus dem Hochgebet:
    "Wir bitten dich, allmächtiger Gott: Dein heiliger Engel trage diese Opfergabe auf deinen himmlischen Altar vor deine göttliche Herrlichkeit; und wenn wir durch unsere Teilnahme an diesem Altar den heiligen Leib und das Blut deines Sohnes empfangen, erfülle uns mit aller Gnade und allem Segen des Himmels."
    Was heißen soll: die Kirche (also die streitende Kirche hier auf Erden zusammen mit der triumphierenden Kirche im Himmel) als ganzes bringt das Messopfer (d.h. die Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers) dar, mit Christus selbst als Hohempriester und Opfergabe zugleich. „Um den Tisch versammelt“ ist aber eine protestantische Gruppe, die des Abendmahls gedenkt. Die Kirche betet gemeinsam, wenn sich alle zusammen dem „Aufgang aus der Höhe“ (Lk 1,78), dem wiederkommenden Christus, zuwenden; „um den Tisch versammelt“ stehen Kinder verloren im Chorraum, während der Vorsteher der Gemeinde beim Beten zuschaut und andersrum.
  • Entsprechend definieren Original und Deutsches Messbuch das Verhältnis zwischen Gott und Sünder verschieden: „wir flehen deine Güte an“, wenn wir in unserer Ohnmacht und Verworfenheit vor dem Allmächtigen knieen und von seiner Gnade alles erwarten. „Höre unser Gebet“ klingt nach dem Chef, der seinem Sekretär eine Aufgabenliste übergibt: „Kümmern Sie sich darum“. 
  • Wen wundert es da, dass die Bitte im Deutschen Messbuch nichts mit der im Missale zu tun hat. Übersetzen geht anders.