Dienstag, 6. August 2019

Die Umgestaltung DNIC

Hinweis an den geneigten Leser: Anscheinend drücke ich mich gerade vor einer unangenehmen Aufgabe, weshalb die Ausführungen etwas weitschweifig geworden sind. Man wird möglicherweise gelegentlich einen Absatz überspringen wollen.

Die Transfiguration (wörtlich: Umgestaltung, kirchendeutsch: Verklärung) unseres Herrn Jesu Christi (lateinisch: Domini Nostri Iesu Christi, abgekürzt DNIC) wurde in alter Zeit mit dem Gedächtnis der Martyrer Papst Xystus II., Felicissimus und Agapitus verbunden, weshalb [entsprechend den damaligen Rubriken] alle Gebete doppelt (also eins für das Fest der Verklärung, eins zum Gedächtnis an die Martyrer) besetzt waren.
Nach den neuen Regeln würde das geringere Gedenken einen Tag verschoben werden, weshalb in diesem besonderen Fall die Kirche in ihrer Weisheit das Fest der Heiligen Xystus II., Papst, und Gefährten, Martyrer gleich auf den 7. August verschoben hat, so dass wir uns ganz auf die Transfiguration konzentrieren können.

Vorweggenommen sei außerdem, dass früher jedes Jahr als Epistel 2. Petr 1,16-19 und als Evangelium Mt 17, 1-9 dran war, während neuerdings die Wahl zwischen den Lesungen aus Dan 7, 9-10.13-14 oder 2. Petr 1,16-19 besteht und das Evangelium durchwechselt: im Lesejahr A Mt 17, 1-9; im Lesejahr B Mk 9, 2-10 und im Lesejahr C Lk 9, 28b-36.

Das Tagesgebet hat (bis auf eine Streichung) den gleichen Anfang wie früher, die Bitte allerdings fällt deutlich nüchterner aus:

Tagesgebet (alt)
Deus, qui fidei sacramenta in Unigeniti tui gloriosa Transfiguratione patrum testimonio roborasti, et adoptionem filiorum perfectam, voce delapsa in nube lucida mirabiliter praesignasti: concede propitius; ut ipsius Regis gloriae nos coheredes efficias, et eiusdem gloriae tribuas esse consortes.
Tagesgebet (neu)
Deus, qui fídei sacraménta in Unigéniti tui gloriósa Transfiguratióne patrum testimónio roborásti, et adoptiónem filiórum perféctam mirabíliter præsignásti, concéde nobis fámulis tuis, ut, ipsíus dilécti Fílii tui vocem audiéntes, eiúsdem coherédes éffici mereámur.
Übersetzung
Gott, der du des Glaubens Sakramente in der ruhmvollen Umgestaltung deines Einziggezeugten durch das Zeugnis der Väter bekräftigt hast, und die vollkommene Anwahl als Kinder durch die niedergehende Stimme in der leuchtenden Wolke wunderbar vorherbezeichnet hat, gewähre
alt) gnädig, dass du uns zu Miterben jenes Königs der Herrlichkeit machst, und Gefährten der Herrlichkeit desselben sein lässt
neu) uns deinen Dienern, dass wir, die Stimme dieses deines geliebten Sohnes hörend, zu seinen Miterben gemacht zu werden verdienen.
Anmerkungen
  • In der gelöschten Passage „voce delapsa in nube lucida“ ist „voce delapsa“ aus 2. Petr 1,17, „nubes lucida“ aus Mt 17,5 – d.h. den Lesungen, die früher immer, heute gelegentlich zum Fest dran sind.
  • Falls der „König der Herrlichkeit“ eine Anspielung auf Psalm 24 (was man insoweit für plausibel halten kann, als es dort heißt „Wer darf hinaufziehn zum Berg des HERRN? … Das ist das Geschlecht, das nach ihm fragt, die dein Angesicht suchen.“, was man auf die drei ausgewählten Jünger beziehen kann, die mit auf den Berg der Umgestaltung steigen durften, weil sie Gottes/Jesu Angesicht suchten.) ist, trägt der sonstige Inhalt des Psalms nicht zu [meiner] Erhellung bei.
  • Falls mit „Miterben des Königs der Herrlichkeit“ gemeint ist (wie die postkonziliare Bitte meinen machen kann, wenn man übersetzen wollte: „den Ruf an diesen deinen geliebten Sohn hörend“), dass der Ruf an den verklärten Jesus „dies ist mein geliebter Sohn“ auch uns gilt, geht das aus beiden Gebeten nur verschwommen hervor.
Deutsches Messbuch
Allmächtiger Gott, bei der Verklärung deines eingeborenen Sohnes hast du durch das Zeugnis der Väter die Geheimnisse unseres Glaubens bekräftigt. Du hast uns gezeigt, was wir erhoffen dürfen, wenn unsere Annahme an Kindes statt sich einmal vollendet. Hilf uns, auf das Wort deines Sohnes zu hören, damit wir Anteil erhalten an seiner Herrlichkeit.
Meinung
Das Deutsche Messbuch paraphrasiert stark. Während ich diese Kindergartensprache allgemein ganz unpassend finde, muss ich zugeben, das heutige Tagesgebet in beiden Versionen für wenig zugänglich zu halten, so dass die Änderungen mich weniger stören.

Gabengebet
Oblata, quaesumus, Domine, munera gloriosa Unigeniti tui Transfiguratione sanctifica: nosque a peccatorum maculis, splendoribus ipsius illustrationis, emunda.
Abschweifung
Der einzige Unterschied im neuen Missale ist, dass „munera“ direkt hinter „Oblata“ steht, statt das „quaesumus, Domine“ zu umschließen. (Ändert den Sinn nicht, ist aber weniger dichterisch.)
Oder um diesen Punkt etwas auszuführen: Das Lateinische klammert gerne. Dabei fallen mir drei Wege des Klammerns ein:
  1. zusammengehörige Worte werden getrennt, indem sie das, was ansonsten sinngemäß zu ihnen gehört, umfassen. Das ist eins a schön.
  2. die Wörter umklammern „irgendeinen“ Einschub. Das ist wohl ein übliches Schmuckmittel, aber anscheinend hier nicht geschätzt, weil das „bitten wir, Herr“, das „die geopferten“ und „Gaben“ gesperrt hatte, in der neuen Fassung hinter beides gestellt wurde.
  3. Ineinander verschachtelte Klammern. Ich persönlich finde das bei drei und mehr Klammern verwirrend und künstlich, aber ich habe ja auch keine Ahnung. Kommt in Hymnen häufig vor, besonders wenn der Heilige Ambrosius sie geschrieben hat.
Um das am Gabengebet zu verdeutlichen: Oblata munera (geopferte Gaben) [welches in der alten Form „quaesumus, Domine“ klammert] steht am Anfang, das zugehörige santifica (heilige) am Ende, so dass „gloriosa Transfiguratione“ (durch die rumvolle Umgestaltung) umschlossen ist, das selbst wieder „Unigeniti tui“ (deines Einziggezeugten) einfasst.
In der Bitte steht „nosque“ (und uns) am Anfang, „a maculis“ (von den Makeln) umklammert „peccatorum“ (der Sünden), das „emunda“ (reinige) steht am Ende. Also ganz parallele Teile: die Gaben … heilige, und uns … reinige. Immer das gleiche Mittel, konsequent durchgehalten ↷ schönes Gebet]

Übersetzung
Die geopferten Gaben, bitten wir, Herr, heilige durch die ruhmvolle Umgestaltung deines Einziggezeugten: und uns reinige von den Makeln der Sünde durch den Glanz seiner Erscheinung.
Deutsches Messbuch
Gott, unser Vater, sende über uns und diese Gaben das Licht deiner Herrlichkeit, das in deinem Sohn aufgestrahlt ist. Es vertreibe das Dunkel der Sünde und mache uns zu Kindern des Lichtes.
Bemerkung
Dies ist so - - - anders. Natürlich meint „die ruhmvolle Umgestaltung deines Einziggezeugten“ und „den Glanz seiner Erscheinung“ (oder man könnte auch übersetzen: die Glänzen seines Glanzes, wenn es im Deutschen einen Plural von Glanz gäbe) dasselbe, nämlich die Verklärung, oder wie das Deutsche Messbuch ersetzt „Licht deiner Herrlichkeit“, was allerdings inhaltlich nicht soo exakt ist. Aber der Gebetsautor hat nicht versehentlich die Fülle der Ausdrücke für den einen Sachverhalt gesucht, auch nicht aus Vergesslichkeit zuerst die Gaben und dann auch uns erwähnt, sondern wegen des größeren Schmuckes und zur Ehre der Verklärung. Das prosaische Deutsche Messbuch versteht, die Anliegen ergonomisch in eins zu fassen, wobei natürlich das „Uns“ den „Gaben“ vorangestellt werden muss, denn darum geht es schließlich in der Messe, nicht wahr. Und es wird weder geheiligt noch gereinigt, sondern das Licht gesendet. Greulich, denn durch die Umgestaltung heiligen oder durch den Glanz reinigen scheinen mir keine Metaphern, sondern Mesonyme zu sein, will heißen: durch die Messfeier zum Gedenken an die Umgestaltung werden die Gaben geheiligt, durch die Teilnahme daran wir gereinigt. Das „Licht der Herrlichkeit“ ist ein Bild ohne Substanz. Folgen im Deutschen Messbuch in freier Phantasieleistung etwas von aufstrahlen, Dunkel und Kindern des Lichtes, was zwar alles wild metaphorisch sein soll, aber nicht sicher auf ein Zugeordnetes im Zielbereich trifft. Oder lakonisch gesagt: klingt wie Geschwafel.

Schlussgebet (alt)
Praesta, quaesumus, omnipotens Deus: ut sacrosancta Filii tui Transfigurationis mysteria, quae solemni celebramus officio, purificatae mentis intellegentia consequamur.
Übersetzung
Gewähre, bitten wir, allmächtiger Gott, dass wir die hochheiligen Geheimnisse der Umgestaltung deines Sohnes, welche wir in feierlichem Amt begehen, durch eines gereinigten Geistes Einsicht begreifen.
Bemerkung
„durch eines gereinigten Geistes Einsicht begreifen“: die Idee allein ist so ansprechend, dass es um den Verlust dieses Gebetes schade ist. Ganz prägnant ist hier das Wechselspiel zwischen Vernunft und Glaube eingefasst, dass wo der Verstand an seine Grenzen kommt, die Offenbarungen des Glaubens weiterhelfen, oder auch: wo der Weg durch den Glauben gebahnt ist, findet sich die Vernunft leichter zurecht und kommt zum rechten Ergebnis. Oder eben: Glaube [und Sakramente] reinigen unseren Verstand (machen unser inneres Auge einfältig, wie Augustinus sich auszudrücken beliebte), dass wir die Geheimnisse des Glaubens tiefer erfassen. Quasi eine Autokatalyse, wie der Chemiker erkennt.

Schlussgebet (neu)
Cæléstia, quǽsumus, Dómine, aliménta quæ súmpsimus in eius nos transfórment imáginem, cuius claritátem gloriósa Transfiguratióne manifestáre voluísti.
Variante
Obwohl die eigentliche Quelle eine andere sein mag, findet Google nur ein ähnliches Schlussgebet für den gleichen Tag im Messbuch von Soissons [aus dem 14. Jhd.] (S. 440):
Caelestia quae sumpsimus alimenta, Domine, nos in eius transforment imaginem, cuius claritatem gloriosa Transfiguratione manifestare voluisti.
Wiederholung
Hier lohnt sich die Klammerbetrachtung sehr, weil die Soissons-Form von Schönheit überfließt, welche durch die Umstellungen im neuen Missale sehr gebändigt wurde.
Wenn Caelestia alimenta (himmlische Speisen) den zugehörigen Relativsatz quae sumpsimus (die wir empfangen haben) umschließt und das Domine (Herr) das Subjekt vom Rest des Satzes trennt, ist das 1a supergut; wenn stattdessen quasi schematisch quaesumus, Domine (bitten wir, Herr) zwischen Caelestia und alimenta geschoben wird, dann der Relativsatz wie Brackwasser zwischen Subjekt und Rest wabbert, ist schon fast alles verloren. Dann folgt eine verschachtelte Klammer: nos … transforment (mögen uns verwandeln) und in eius … imaginem (in sein Abbild) sind wie ( [ ) ]. Im neuen Missale ist das nos verschoben, was die Struktur zerstört. War vielleicht wegen des verschobenen sumpsimus, das in der Nähe des nos irritiert, nötig; hilft mir aber nicht, und zudem wird das eius soweit vom imaginem weggeschoben, dass es beim Lesen stört, d.h. ich musste absetzen, erstmal zuende überfliegen, verstehen und dann nochmal lesen.

Übersetzung
Die himmlischen Speisen, die wir empfangen haben, mögen uns, bitten wir, Herrn, in dessen Abbild verwandeln, wessen Glanz du durch die ruhmvolle Umgestaltung offenbaren wolltest.
Deutsches Messbuch
Herr, unser Gott, in der Verklärung deines Sohnes wurde der Glanz seiner Gottheit offenbar. Lass uns durch den Empfang der himmlischen Speise seinem verherrlichten Leib gleichgestaltet werden.
Anmerkung
Streng genommen ist die Bitte, „in [Jesu] Abbild verwandelt“ zu werden nicht identisch mit „seinem verherrlichten Leib gleichgestaltet werden“. Zwischen Transfiguration und Auferstehung liegen Gehorsam, Passion und Tod – wenn das Gebet mal nicht eigentlich meint, wir mögen zu einem Abbild des Gehorsams Jesu umgebildet werden, um dann mit ihm auch durch Leiden und Tod zur Auferstehung zu gelangen …

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