Samstag, 7. Februar 2015

Papst-„Programm“

Es sind nicht nur die Hardliner-Tradis, denen gewisse Dinge am gegenwärtigen Papst auffallen. Zum Beleg seien hier einige Absätze aus einer Analyse zitiert, deren Tenor den Verdacht übertriebener Kirchentreue nicht aufkommen lässt:
Sein Glanz ist vielleicht auch sein Verhängnis: Franziskus ist der katholischste Papst seit langem. Mit Gesten und Symbolen bedient er die katholische Au­genreligion wie kaum ein Papst vor ihm. Die Ohrenreligion der Reformatoren, die sich auf das Wort Gottes beruft, die Bilder aber verschmäht, ist seine Sache nicht. Franziskus ist der Papst der Bilder, nicht des Wortes und der Taten. …
Papst geworden, inszeniert der frühere Peronist Jorge Mario Bergoglio ein wahres Bilder- und Gestenspektakel. Das sei sein ganzes Programm, sagt einer seiner einstigen Mitarbeiter aus Argentinien. Man müsse nicht immer nach Konsequenzen und Taten schielen.
Indem er lieber Zeichen als Tatsachen setzt und Bilder sprechen lässt, statt in Begriffen zu reden, gewinnt er die Massen und Medien für sich. Doch der Papst der Bilder wird häufig missverstanden. Die Suggestivkraft der Bilder verleitet zu falschen Interpretationen. Mehr als Begriffe sind Bilder Projektionsflächen – sie sind auslegungsbedürftig, mehrdeutig, widersprüchlich. …
Aus der Vorliebe des Papstes, per­sonalpolitisch die Peripherien zu berücksichtigen, hat man seine Absicht bestätigt gesehen, die päpstliche Macht zu dezentralisieren. Dabei ist seine Personalpolitik undialogisch eigenmächtig: Er selber kürt Bischöfe und Kardinäle nach seinem Gusto. Bei der Ernennung der neuen Bischöfe von Köln und Freiburg hat er die geregelte Mitsprache der ortskirchlichen Domkapitel einfach übergangen. Mosebach nennt Franziskus einen «Herrscher und Autokraten».
Wie aber verträgt sich das mit seiner Bescheidenheit, die er mit Symbolen verkündet: mit Gebrauchtwagen, schlichten Kleidern und dem Wohnort im vatikanischen Gästehaus? Gemäss seinem Biografen Paul Vallely beruht Papst Franziskus’ Bescheidenheit auf einem intellektuellen Entschluss: «Sie ist eine Tugend, die er sich willentlich zur Pflicht macht, weil er von seiner ­Persönlichkeit her zu Stolz sowie zu dogmatischem und herrischem Verhalten neigt.» …
Auf dem politischen Parkett fühlt er sich deshalb so wohl, weil er nicht Resultate vorzeigen und aushandeln muss, sondern einfach Zeichen setzen kann. …
Nach dem Priesterpapst Benedikt regiert jetzt also ein Politpapst. Nach dem Kurienmann ein Erzbischof des Südens. Nach dem Doktrinär ein Seelsorger. Als solcher zerbreche er sich zurzeit den Kopf, wo und wem er am kommenden Gründonnerstag möglichst spektakulär die Füsse waschen wird. Mit solchen starken Zeichen will Franziskus die Sympathie der Menschen gewinnen und sie sich nicht durch Wiederkäuen traditioneller katholischer Positionen verscherzen.
Hm, in meinem Wörterbuch steht zur Beschreibung eines Verhaltens, bei dem Reden und Handeln auseinanderklaffen, irgendwie eine andere Vokabel als „Programm“, aber wer sich im Politischen zuhause fühlt, mag das vielleicht anders sehen …