Der Heilige Ratbert, besser unter seinem Ordensnamen Paschasius bekannt, hat als Erster die später unter den Namen Transsubstantition bekannt gewordenen Geheimnisse gedanklich zu durchdringen versucht, und seine Ergebnisse im Buch „Über Leib und Blut des Herrn“ niedergelegt.
Der Gedankengang des ersten Kapitels ist etwa folgender:
- Der Wille Gottes hat nicht nur Alles aus Nichts geschaffen, sondern erhält auch alles.
- Daher geschieht jedes Wachsen, Entstehen oder Vergehen nicht aus der Natur der Dinge selbst, sondern aus dem Willen Gottes.
- Entsprechend ist auch jede Veränderung eines Dinges in ein anderes – sei es auch gegen die gewöhnliche Ordnung der Natur – möglich, wenn Gott es so will.
- Insbesondere wollte Gott, dass in der Konsekration die Gaben von Brot und Wein wahrhaft zu Fleisch und Blut Christi werden.
- Dies erkennt man, wie man auch im in der Gestalt eines Sklaven gekreuzigten Christus Gott erkennt: nämlich durch den Glauben.
- Die Fülle der Wunder des Alten und Neuen Testaments belegen Punkt 3.
- Zusammenfassung: alles was geschieht ist im Willen Gottes begründet, und was im Willen Gottes ist, ist auch wirklich.
- Es
gibt kein größeres Wunder als das Altarssakrament; und alle anderen Wunder
geschahen nur, damit dieses eine geglaubt werde.
Deshalb wird bei der Konsekration kein (äußerlich sichtbares) Wunder gewirkt: damit der Glaube sein Verdienst habe.
Vergleich mit dem paradisischen Baum des Lebens: durch eine sichtbare Sache wirkt innerlich eine unsichtbare Kraft.
Der Anfang des ersten Kapitels übersetzt:
Jedweder Katholik, der zu Recht von Herzen glaubt und mit dem Munde bekennt zum Heil, dass Gott Sämtliches geschaffen hatte aus dem Nichts, kann niemals daran zweifeln, dass wiederum aus irgendetwas irgendetwas anderes gemacht werden kann, sozusagen ein ‚gegen die Natur Anderes’, wie durch ein Naturgesetz, das es vorher noch nicht gab. Denn die Natur allen Geschaffenen ist nicht aus sich, und nicht aus sich selbst erschafft sie wiederum alles, das durch das natürliche Entstehen der Dinge entsteht: sondern im Willen Gottes ist die Natur aller Dinge gegründet. Deshalb, wenn jemand recht überlegt, wird er nicht die Natur die Ursache der Dinge nennen: sondern bekennen, dass das Entstehen aller Naturen aus einer gleichartigen Natur der Wille Gottes ist. Sodann ist der Wille Gottes so wirksam und allmächtig, dass allein aus seinem Wollen, etwas geschehe, es geschieht, und durch dieses Es-Gewollt-haben es geworden ist. Daher wird zweifelsfrei richtig geglaubt, dass aller Dinge und Naturen Ursache allein der Wille Gottes ist.
Deshalb, wann immer man in der Welt sieht, dass sich etwas gleichsam gegen die Natur ereignet, ist es dennoch nicht gegen die Natur, weil gerade die Natur der geschaffenen Dinge dadurch ausgezeichnet ist, dass sie immer dessen Befehlen gehorcht, von dem sie [geschaffen] ist: dass wie das Wollen Gottes tatsächlich ihr Sein ist, so ist sie [die Natur] auch wiederum, was immer die Kraft Gottes entscheidet – entweder nimmt sie durch Wachstum zu, oder durch Entstehen, möglicherweise wird sie wegen unserer Sünden verringert, oder durch Änderung in etwas ganz anderes als sie war – während die Ordnung der Natur außer Acht gelassen wird – verwandelt. Das bekennen wir äußerst zu recht.
Hier wurde sehr schön von einem unserer Dichter gesagt:
Subditur omnis Imperiis natura tuis rituque solute,
Transit in adversas, issu dominante figurat.
Unterworfen ist die ganze Natur
deiner Macht, und losgelöst vom Brauch
Geht sie ins Gegenteil über, vom herrscherlichen Befehl geformt.
Weil ja nun außerhalb der Macht Gottes nichts ist, deshalb vermag er alles.
Denn nicht so hat Gott als Schöpfer von allem die Naturen der Dinge geschaffen, dass er sein Wollen von ihnen abzöge: denn aller Geschöpfe Bestand besteht in demselben Willen Gottes und [seiner] Kraft: von diesem [Willen] hat es nicht nur die Ursache, dass es bestehe als was immer es ist, sondern auch dass es so werde, wie der Wille Gottes selbst es bestimmt, welcher [Wille] die Ursache aller Geschaffenen ist. Überhaupt besteht irgendein Dasein der Geschöpfe nicht, außer in seinem [Gottes] Willen, aus dem sein [des Geschaffenen] ganzes Sein entspringt. Und daher: sooft sich die Natur des Geschöpfs ändert, entweder zunimmt, oder schwindet, wird es nicht von jenem Sein geschieden, in welchem es ist: denn so ist es, und so wird es, wie jener entscheidet, von dem es ist. Es ist also klar, dass nichts außerhalb oder gegen Gottes Wollen sein kann, sondern es geben ihm alle [Dinge] in allem nach. Und deshalb niemand möge verwundert sein über diesen Leib Christi und [sein] Blut, das im Mysterium wahres Fleisch wird und wahres Blut wird: solange es der so wollte, der sie geschaffen hat.
Alles nämlich, was der Herr wollte, machte er, im Himmel und auf der Erde. Und weil er wollte, nämlich dass unter der Gestalt von Brot und Wein dieses geschehe, muss man gänzlich glauben, dass sie nach der Konsekration nichts anderes sind als Fleisch Christi und Blut. Daher sagte die Wahrheit selbst [= Jesus] zu den Jüngern: ‚Dieses ist mein Fleisch, für der Welt Leben’. Und um noch wunderbarer zu reden: es ist gewiss kein anderes [Fleisch], als das von Maria geboren wurde, und gelitten hat am Kreuz, und auferstanden ist aus dem Grab. Dieses, sage ich, ist es selbst, und deshalb ist es Christi Fleisch, welches für der Welt Leben bis heute geopfert wird, und wenn es würdig empfangen wird, gewiss das ewige Leben in uns wiederherstellt. Denn wenn jemandem was wir sagen weniger glaubhaft scheint: betrachte er die gesamten Wundertaten des Alten und Neuen Testamentes, die gegen die Ordnung der Natur zur Bekräftigung des Glaubens von Gott vollbracht wurden: und er wird bei Licht klarer sehen, dass für Gott nichts unmöglich ist, weil das Sein aller [Dinge] Gottes Wille ist, und was immer Gott will, das werden die einzelnen [Dinge].
Aber nun, wenn irgendjemand dieses nicht glaubt: wenn er Christus im Kreuz gesehen hätte, in der Gestalt eines Sklaven, wie würde er ihn als Gott erkannt haben, wenn er nicht durch den Glauben vorher überzeugt gewesen wäre? So auch bei diesem Leib, wo die Gestalt anderes zeigt: wie soll er das Fleisch Christi sehen, wenn er nicht durch den Glauben wahrhaft überzeugt ist? Denkt er etwa, es läge in der Natur des Roten Meeres, sich zu teilen, damit das Volk auf trockenem Pfad mittendurch ziehe, oder dass jenes ganze Wasser Ägyptens aus sich, d.h. durch Moses, die Kraft habe, sich in Blut zu verwandeln usw. Oder lag es etwa im Willen Gottes, die Unfrommen zum Glauben zu streicheln und anhand der Gestalt seiner [des Wassers] Farbe zu zeigen, dass alle Befeuchtung ihrer Lehren und Sitten verwandelt wurde in Blut? Dann im Evangelium: ob das aus dem Brunnen geschöpfte Wasser die Macht hatte, sich in den Geschmack des Weins umzuwandeln? Und damit ich nur wenige der Unzählbaren in Erinnerung rufe: Hatte jenes Feuer der Babylonier, worein drei Jünglinge geschickt wurden, durch die Natur, nicht heiß zu sein? Oder war es im Willen Gottes, dass gleichsam ein Hauch von wehendem Tau eintrete, dass er Abkühlung mehr als Brand den Heiligen verschaffe? Überlege also jeder: hatten es jene fünf oder sieben Brote in der Wüste wesenhaft aus sich, dass sie so viele Menschen sättigten, dann soviele Körbe füllten, oder war es in der Gnade des Schöpfers, was geschehen ist? Nämlich durch das Brechen [des Brotes] vervielfältigt zu werden.
Und gewiss auch die Jungfrau Maria:
hatte sie [in sich], dass eine Jungfrau ohne Geschlechtsverkehr Gott gebiert,
oder aus der Kraft Gottes? Und damit ich noch offener spreche: unser Fleisch
oder das der Tiere, ist es denn nicht Staub? Naklar Staub, denn es ist gesagt:
Staub bist du und zu Staub wirst du werden. Obgleich es also Staub ist, ist es
wahres Fleisch, nämlich vergänglich: welches wenn es den Befehlen des Gesetzes
und den Vorschriften der Gebote Gottes dient, irgendwann mit Unsterblichkeit
bekleidet wird durch jene [Sachverhalte], die wir darlegen, und obwohl es
Fleisch ist, wird es dennoch unvergänglich.
Was ich [erklären] will, höre sorgfältig aufmerkend, o Mensch, und durch alles,
was natürlich zu sein scheint, oder von welchen man [in der Heiligen Schrift]
liest, dass sie gegen die Natur geschehen sind vom Anfang der Schöpfung an,
bitte ich dich schlicht: überlege, ob sie aus sich selbst, in ihrer jeweilige
Natur geschehen sind oder umgewandelt wurden in anders, was sie nicht waren,
oder ob durch die Ordnung seines Befehls, dass Wunder seien; und du wirst
sicher umso lieber zugeben, dass sowohl diese, die gewissermaßen natürliche
[Vorgänge] sind, als auch jene, die gewissermaßen gegen die Natur laufen,
überhaupt alle im Willen Gottes sind, und in der jeweiligen Weisheit zum Nutzen
der Vernunftbegabten erzeugt werden. Und deshalb bekennen wir zu Recht, dass
die Ursache allen Existierenden im Willen Gottes ist. Und nicht unverdient,
weil sein Gewollt-Haben das Geschaffen-Sein war. Daher geschieht wann immer
eins aus einem anderen wird dies aus der Kraft des Willens: und in seiner
Weisheit hat er es so, wie es geschehen soll, vorbereitet. Also hat weder Wille
ohne Kraft noch Kraft ohne Weisheit irgendwas bewirkt. Weil also der Wille
Gottes Kraft und Weisheit ist, deshalb geschieht,
was immer er will, so wie er will, und fehlt in nichts: weil er in seiner
Weisheit alles will, ja sogar die Weisheit selbst sein Wille ist, will er daher
nichts von Übel, nichts was er nicht kann.
Daher weil er es so gewollt hat, dass dieses Mysterium sein
Fleisch sei und Blut, brauchst du in nichts zu zweifeln, wenn du Gott
vertraust: sondern wahren Glaube habe im Gemüt, dass dieses genau jenes Fleisch
ist, welches dargebracht wurde für das Leben der Welt. Wer dieses würdig ißt,
wird den Tod nicht schauen in Ewigkeit. Kein Größeres hat Christus nämlich
seiner Kirche im Mysterium hinterlassen, als dieses und der Taufe Sakrament,
und dazu auch die Heiligen Schriften: in welchen allen der Heilige Geist, der
das Unterpfand der gesamten Kirche ist, innerlich die Geheimnisse unseres Heils
zur Unsterblichkeit wirkt. Aber in diesem ist schließlich den Ungläubigen
nichts Wunderbares: den Glaubenden ist aber doch nichts Besseres, nichts
Wunderbareres und nichts Glaubwürdigeres in dieser Welt gegeben. Nicht dass sie
sich wunderbar dem Blick der Augen zeigten, sondern in Glaube und Verstand
duften die göttlichen Mysterien, und in denselben wird Ewigkeit den Sterblichen
und Gemeinschaft mit Christus in der Einheit des Körpers gewährt. Aus diesem
Grund also, weit entfernt von allen Wundern, die in der Welt geschahen, steht
dieses Mysterium: denn deshalb sind alle diese geschehen, damit dieses eine
geglaubt werde, weil Christus die Wahrheit ist, die Wahrheit aber ist Gott. Und
wenn Gott die Wahrheit ist, ist, was immer Christus versprochen hat in diesem
Mysterium, unbedingt wahr: und deshalb ist es Christi Fleisch und Blut - wer
diese würdig ißt, hat das ewige Leben bleibend in sich.
Aber für körperlichen Blick und Geschmack werden sie darum nicht verwandelt:
damit Glaube geübt werde zur Gerechtigkeit und wegen des Verdienst des Glaubens
die Belohnungen der Gerechtigkeit erlangt werden. Die anderen Wunder Christi
sind nämlich [gewirkt worden], [damit] dieses eine das Sakrament des Leidens bestätige.
Und deshalb werden jene [Gaben] nicht als Wunder äußerlich in der Gestalt
geändert, sondern innerlich: damit der Glaube erprobt wird [und] wir im Geist
wahrhaftigst bekennen, damit weil der Gerechte aus Glaube lebt, er
Gerechtigkeit des Glaubens im Mysterium habe, und durch den Glauben das Leben,
das in ihm bleibt, empfange, durch welches er sicherer – bis jetzt sterblich,
durch Unsterblichkeit gespeist – schnellstmöglich zur Unsterblichkeit eile,
wohin man nicht mit Füßen, sondern durch Glauben mit guten Werken gelangt.
Fest steht also auf jede Weise, dass wie im Paradies der Baum des Lebens
gewesen ist, aus dem beständig erhalten würden Bestand und Unsterblichkeit des
Menschen, wenn er den Geboten Gottes gedient hätte: so ist in der Kirche dieses
Mysteriums des Heils vorgesehen, nicht weil dieses aus demselben Baum wäre nach
der Natur, sondern [damit] durch eine sichtbare Sache die unsichtbare Kraft
innerlich wirke. So weil ja auch in jenem sichtbarem Sakrament der Gemeinschaft
(Kommunion) die göttliche Kraft zur Unsterblichkeit durch seine unsichtbare
Macht, gewissermaßen aus der Frucht des Paradiesbaums, uns sowohl durch den
Geschmack der Weisheit und durch Kraft ernährt: damit wir durch dieses (unsterblich
in der Seele, solange wir von diesem würdig empfangen) schließlich in ein
Besseres versetzt, zur Unsterblichkeit getragen werden.
Zu diesem [Zweck] also ist das Wort Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt:
dass durch Gott-Wort, Fleisch geworden, das Fleisch vorankomme zu Gott-Wort.
Welches Fleisch des Wortes zweifellos Essen wird in diesem Mysterium, und
Speise der Gläubigen: während wahrhaft geglaubt wird, dass es das Fleisch für
das Leben der Welt ist, und nicht irgendetwas anderes als das Fleisch des
Leibes Christi, aus welchem Christus in uns bleibt: damit auch wir durch es
umgewandelt werden in jenen, der nichts anderes geworden ist, als Gott-Fleisch,
durch seine Gunst, damit er unter uns wohne. Wenn er also unter uns wohnt und
wir Glieder seines Körpers bleiben in ihm: gerecht ist, weil wir in ihm sind,
dass wir aus ihm leben, und deshalb essen wir vom Fleisch des Wortes, und
trinken vom Blut. Dieses ist, sage ich, die Bestätigung unseres Glaubens,
dieses die Einheit und Anteilnahme am Leben. Wo, wenn die Ordnung der Natur
gesucht wird, der Verstand unterliegen wird, und dennoch bleibt außerhalb des
menschlichen Verstandes die Wahrheit der Tatsache, so wie im Verstand des
Glaubens die Kraft der Gottheit und die wirksame Macht auf alle Weisen geglaubt
wird: weil [selbst] die Unsicherheit des Geistes (mag es auch sein, dass dem gutes
Leben geschieht, der [sie] erfährt) ausschließt, dass an das Verständnis dieses
Sakraments gerührt wird.