Samstag, 29. Oktober 2022

Blick in den Abgrund ("Arbeitsdokument für die kontinentale Phase ...")

Das „Arbeitsdokument für die kontinentale Phase der Synode zur Synodalität“ (DCS, wie es in der englischen Fassung abgekürzt ist) steht zur Verfügung, in welche Freunde des gepflegten Grusels einen kurzen Blick tun wollen.

Was es mit der Synodalität genau auf sich hat, kann natürlich – entsprechend der Philosophie, die den Verlautbarungen des gegenwärtigen Pontifikats zugrunde liegt – nicht in wenigen klaren Worten gesagt werden, sondern muß ein unter vielen hehren Phrasen wohl verborgenes Geheimnis, ein Mysterium eingehüllt in Rätsel, bleiben.

So wird statt einer Definition im engeren Sinne, für welche in der Einleitung (fünf Seiten lang, die Einteilung des Dokuments in vier Teile – „Die Erfahrung der synodalen Reise“, „Hören auf die Schrift“, „Hin zu einer missionarischen synodalen Kirche“ und „Die nächsten Schritte“ beschreibend) auf nicht näher spezifizierte sonstige Dokumente auf der Synoden-Webseite (deren treffende Definition der Synodalität, wenn sie denn existierte, doch wohl ohne großen Aufwand hätte wiederholt werden können) verwiesen wird, ein „gemeinsames Verständnis der Erfahrung der Synodalität, wie sie von den Teilnehmern gelebt wurde“ (das auf 4 ¼ Seiten ausgebreitet den ersten Teil des DCS ausmacht) angeboten.

Für den Fall, daß jemand die Ursache des Wortsalats in meiner mißlungenen Übersetzung vermutet, sei hier die vorliegende Version zitiert. Dort heißt es unter Nr. 9:

„In this way it [the DCS] does not provide a definition of synodality in the strict sense – for this you can refer to the PD or the materials listed on the Synod website (www.synod.va) – but expresses the shared sense of the experience of synodality lived by those who took part.“
Der zweite Teil des Dokuments (Hören auf die Schrift) wird in der Einleitung kurz (wie es angemessen ist, weil er in den 45 Seiten des Dokuments nur anderthalb Seiten beansprucht), abgehakt, indem unter Nr. 10 die Überschrift des DCS „Mache den Raum deines Zelts weit“ aus Jesaja 54, 2 als „Bild und Erzählung, die einen Schlüssel zur Deutung der Inhalte innerhalb des DCS [das Englisch ist auch komisch] im Lichte des Wortes darstellt, die sie [die Inhalte] in den Bogen von Gottes Verheißung, der eine Berufung für sein Volk und seine Kirche wird, stellt“ beschrieben wird.

Wer meint, solches Geschwafel könne unmöglich tatsächlich im Dokument stehen, überzeuge sich selbst:

„10. The second chapter presents a biblical icon, the image of the tent with which chapter 54 of the book of Isaiah opens. This image and narrative represents a key to an interpretation of the contents within the DCS in the light of the Word, placing them in the arc of God’s promise that becomes a vocation for his People and his Church: “Enlarge the space of your tent!”“
Eventuelle Zweifel an der Übersetzungsleistung kann man niemandem verübeln, gehören sie doch [wenn ich kurz vorgreifen darf] neben den „Schwierigkeiten zu verstehen, was Synodalität überhaupt bedeuten soll“ zu den häufig geäußerten Kritikpunkten „Herausforderungen, welche die Berichte [der Bischofskonferenzen zur nationalen Phase] nicht verbergen“, weshalb (Nr. 18) die „Notwendigkeit zu größerer Anstrengung bei der Übersetzung der Vorlagen“ gesehen wird. Ohne die italienischen Originale auch nur angeguckt zu haben, wage ich doch zu behaupten, daß die Wurzeln des Problems nicht die Übermittlung, sondern die Klarheit des zugrundeliegenden Gedanken ist.

Der dritte Teil soll die „Schlüsselwörter der synodalen Reise“ [Gemeinschaft, Teilhabe, Mission] „klar zur Sprache bringen“ und sie mit den „Früchten des Hörens auf das Volk Gottes“ verbinden, indem es sie um fünf „produktive Spannungen“ sammelt (Nr. 11). Ich erspare die Details, will nur – um zu zeigen, wie sehr ich die Stoßrichtung des Dokuments oder der Synodalität verinnerlicht haben – eine der Spannungen in Form eines Rätsels präsentieren:

Welche ist wohl durch „macht Gemeinschaft spürbar, ermöglicht die Ausübung der Teilhabe und nährt den Schwung zur Mission“ charakterisiert?

Volle Punkte bekommt nur, wer „eucharistische Liturgie“ erkannt hat. „Messe“ gibt einen Trostpreis. Wer „Darbringung des heiligen Messopfers“ gedacht hat, gehört einer anderen (als der synodalen) Religion an.

Der vierte Teil will uns auf der geistlichen Ebene „auf einen Horizont der missionarischen synodalen Umkehr“ ausrichten (Nr. 12), und auf der methodischen die Tagesordnung für die kontinentale Phase festlegen.

Abschließend (Nr. 13) erläutert die Einleitung, was synodale Kirche bedeutet. Nämlich: „eine Kirche, die vom Hören lernt, ihre evangelisierende Mission im Lichte der Zeichen der Zeit zu erneuern“.

Interessant ist hier die Umkehr der Lichtrichtung, sozusagen. Während „das Konzil“ (in Gaudium et Spes Nr. 4) die Kirche „nach den Zeichen der Zeit zu forschen und sie im Licht des Evangeliums zu deuten“ verpflichtet sah, geht in der synodalen Synodalität das Licht plötzlich von den Zeitzeichen aus. Das ist ja fast wie in Offb 21, 23 – nur halt „im Gegenteil“, wie meine Kinder, als sie noch klein waren, gerne sagten.

Die synodale Kirche „lernt“ vom Hören auf Fernstehende und Ungläubige. Die Konzilskirche kennt dieses Hören auch, schließt daran aber andere Schritte an, wie GS 44 lehrt:

„Zur Steigerung dieses Austauschs [zwischen der Kirche und den verschiedenen nationalen Kulturen] bedarf die Kirche vor allem in unserer Zeit mit ihrem schnellen Wandel der Verhältnisse und der Vielfalt ihrer Denkweisen der besonderen Hilfe der in der Welt Stehenden, die eine wirkliche Kenntnis der verschiedenen Institutionen und Fachgebiete haben und die Mentalität, die in diesen am Werk ist, wirklich verstehen, gleichgültig, ob es sich um Gläubige oder Ungläubige handelt. Es ist jedoch Aufgabe des ganzen Gottesvolkes, vor allem auch der Seelsorger und Theologen, unter dem Beistand des Heiligen Geistes auf die verschiedenen Sprachen unserer Zeit zu hören, sie zu unterscheiden, zu deuten und im Licht des Gotteswortes zu beurteilen“.
Soviel erstmal dazu.