Freitag, 21. August 2015

Buch des Lebens war gestern

Wie der Kreuzknappe berichtet, hat der DBK-Vorsitzenden Marx das neue Buch der Bücher geschrieben: Das Buch vom Überleben, nämlich der Kirche. Und wie das Superleben aussieht, entnimmt man der verlinkten Rezension, in der es heißt:
Er [Marx] plädiert für eine größere Dezentralisierung, mehr Eigenständigkeit der Ortskirchen (die keine Filialkirchen Roms seien), bessere Verwaltungen und moderne Personalführung. … Bei den Strukturreformen müsse natürlich gefragt werden, ob die Substanz der Glaubenslehre berührt sei – doch das sei in Fragen der Organisation selten der Fall. Das Leben der Kirche sei nicht einfach von oben nach unten organisiert wie eine Pyramide, sondern ein In- und Miteinander.
Machen wir doch kurz den Abgleich:

Zur Frage der Dezentralisierung:
Er rief die Zwölf zu sich und sandte sie aus, jeweils zwei zusammen. … Die Apostel versammelten sich wieder bei Jesus und berichteten ihm alles, was sie getan und gelehrt hatten. (Mk 6,7.30)
Offensichtlich hat das dezentrale Verkünden Anfang und Ende bei der Versammlung um die Zentrale. Da ist nichts von Jeder-sein-eigenes-Süppchen kochen und Ich-lass-mir-von-dir-doch-nichts-vorschreiben zu erkennen. Ich würde sagen: 0 Punkte für den Kardinal.

Zur Frage der Verwaltungen und Personalführung steht im (anscheinend überlebten) Buch:
Und er sandte sie aus mit dem Auftrag, das Reich Gottes zu verkünden und zu heilen. Er sagte zu ihnen: Nehmt nichts mit auf den Weg, keinen Wanderstab und keine Vorratstasche, kein Brot, kein Geld und kein zweites Hemd. Bleibt in dem Haus, in dem ihr einkehrt, bis ihr den Ort wieder verlasst. Wenn euch aber die Leute in einer Stadt nicht aufnehmen wollen, dann geht weg und schüttelt den Staub von euren Füßen, zum Zeugnis gegen sie. (Lk 9,2-5)
Das sind aber ziemliche Strukturreformen nötig, scheint mir, um von den üppig kirchensteuerfinanzierten Palästen, z.B. in München und Rom, zur Evangelisierung ohne zweites Hemd zu kommen. Vielleicht steht dann auch nicht mehr so das Anbiedern an den Zeitgeist im Mittelpunkt, wenn man gelegentlich den Staub aus den Sandalen schüttelt.
Wenn ich auch wenig Hoffnung habe, dass Herr Marx dieses Ziel vor Augen hat, wenn er über das Superleben schwadroniert, wird immerhin die Notwendigkeit der Strukturreform gesehen, und Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung.
Meine Wertung: 1 Trostpunkt für den Kardinal.

Zur Frage der Substanz der Glaubenslehre:

Herr Marx gibt selbst an, dass diese bei Fragen der Organisation nicht berührt werde. Wenn man z.B. das 4. Kapitel des Römerbriefs oder die ständige Bekräftigung zu den Empfängern seiner Wunder: 'dein Glaube hat dir geholfen' liest – sollte man nicht zur Ansicht gelangen, die Substanz der Glaubenslehre wäre das erste und einzige, und Überlegungen, die diese nicht berühren, hätten für die Kirche geringe Relevanz?! Wenn nun der Kardinal ausschließlich auf Irrelevantes fokussiert – schweige ich darüber.
Meine Wertung: Der Trostpunkt wird wegen Uneinsichtigkeit wieder abgezogen.

Zur Frage der Organisation von oben nach unten:

Natürlich darf das nicht so sein – da hat Marx ja richtig recht –, denn die Kirche wächst ja von unten nach oben, wie schon Gen 1,3 berichtet:
Und die Engagierten Laien dialogisierten, und es ward Licht.
Meine Wertung: wenn sich die deutschkirchlichen Bischöfe so entbehrlich machen, erstaunt es nicht wirklich, dass die Leute sonntags lieber zum Fußball oder Frühschoppen gehen.

Hier mal ein Hinweis, welcher Art der Beitrag, der von unten nach oben zu leisten ist, aussehen sollte:
Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deiner Kraft und all deinen Gedanken. Denn das ist das ewige Leben: den einzigen wahren Gott zu erkennen und Jesus Christus, den er gesandt hat. (Lk 10,27; Joh 17,3)
Fazit: wenn man das Ewige Leben sucht, erübrigen sich Bücher zum Überleben.

Donnerstag, 20. August 2015

Recht auf Nichtwissen

In einem Artikel über personalisierte Medizin taucht es plötzlich wieder auf, das ominöse „Recht auf Nichtwissen“, das folgenden Gedankengang stimulierte.

Wochenende, Wasserrohrbruch beim Arzt, der herbeigerufene Klemptner besieht sich den unter Wasser stehenden Keller, wirft zwei Dichtringe rein und sagt: wenn das nicht hilft, kommen Sie am Montag wieder.

Der Scherz nimmt aufs Korn, was bisher üblich ist: manche Krankheiten können verschiedene gut auf Medikamente ansprechen, weshalb der behandelnde Arzt u.U. nacheinander mehrere Medikamente ausprobiert, bis eines hilft.

Mitlerweile kennt man teilweise die Gründe dafür, die z.B. in unterschiedlichen Genen der Patienten liegen können. Man könnte also einen Gentest durchführen und gleich das passende, wirksame Medikament verschreiben. Das nennt man „personalisierte“ Medizin.

Was ganz anderes sind anlaßlos durchgeführte Gentest, bei denen das ganze Genom untersucht wird und ggf. eine Disposition für Krankheiten („Mit einer Wahrscheinlichkeit von 20% erkranken Sie in den nächsten 5 Jahren an Krebs“) entdeckt wird. Da sagen manche: damit will ich mich jetzt nicht belasten und lass es auf mich zukommen. Da haben wir das „Recht auf Nichtwissen“ an seinem berechtigten Platz.

Wenn ich aber schon krank bin und zum Arzt gehe, der zur Therapieauswahl eine Diagnose braucht, welchen Sinn macht es da, die Krankheitsursache nicht wissen zu wollen?! Oder das Risiko von Nebenwirkungen, die bei manchen Genen sogar lebensbedrohlich sein können?! Da kann ich auch gleich weg bleiben und woanders zu Ende leiden. Oder erwarte ich vom Arzt, dass er mir irgendwas in die Hand drückt mit den Worten: „Nehmen Sie das, in zwei Wochen sind Sie entweder gesund oder tot“?! Auf dem Seziertisch kann man dann rausfinden, woran es gelegen hat …

[Wo ich gerade beim Scherzen bin: Was ist der Unterschied zwischen Internist, Chirurg und Pathologe? Der Internist weiß alles, kann aber nichts. Der Chirurg kann alles, weiß aber nichts. Der Pathologe weiß alles und kann alles, kommt aber immer zu spät.]


Irgendwie erinnert mich das an die Diskussionen um die bevorstehende Synode. Was hilft es dem verstockten Sünder, wenn er sein „Recht auf Nichtwissen“ postuliert, um von der Kirche nicht auf seine Sünde und ihre Folgen hingewiesen zu werden? Was nützt es, ihm das Heilmittel zu verabreichen, wenn man wissen könnte, das seine innere Disposition die Wirksamkeit verhindert?

Ja aber die wollen doch unbedingt! Oh Mann, denk ich mir da, ist wie die quengeligen Patienten, die beim Arzt nicht ohne Pillen weggehen wollen und dann was Homöopathisches bekommen. Hilft nix, schad aber auch nix, ist ja kein Wirkstoff drin.

Das bringt mich wieder zu dem Vorschlag, alternativ zum Leib Christi auch „geweihtes Brot“ oder sonst ein Leckerli zu verteilen. Da dürfen dann alle mal nach Herzenslust „gemeinsam Mahl halten“. [Gibt es übrigens bei der benachbarten Freikirche: die haben während des Gottesdienstes eine Kaffeepause, wo auch Kuchen gereicht wird. Yummy!]

Samstag, 15. August 2015

Aus einem alten Buch

Selbst offensichtliche Dinge geraten zuweilen in Vergessenheit. Wie praktisch, dass Leo Tolstoi sie in "Die Kosaken" einmal ganz einfach hingeschrieben hat:
Und er erinnerte sich seines früheren Lebens und empfand einen Widerwillen gegen sich selbst. Er erschien sich selbst als ein so anspruchsvoller Egoist, während doch in Wirklichkeit alle seine Bedürfnisse und Ansprüche gar nicht in seiner Natur begründet waren. Er schaute rings um sich nach dem durchleuchteten Grün, nach der sinkenden Sonne und dem strahlenden Himmel und fühlte sich so glücklich wie nur je zuvor. Warum bin ich glücklich, und welchen Zweck, welches Ziel hatte mein früheres Leben? dachte er. Wie selbstsüchtig war ich doch früher, auf was für Einfalle geriet ich, ohne dadurch etwas anderes zu erreichen als Demütigung und Schmerz! Und nun brauche ich nichts, rein gar nichts, um glücklich zu sein!

Und es war ihm, als ob er plötzlich alles in ganz neuem Licht sähe. Das Glück, dachte er bei sich selbst, besteht darin, daß man für andere lebt. Das ist doch klar! Das Bedürfnis nach Glück ist in den Menschen hineingelegt, also ist es berechtigt. Sucht man dieses Bedürfnis auf selbstische Weise zu befriedigen, strebt man nach Reichtum, Ruhm, Wohlleben, Liebe, dann kann es geschehen, daß äußere Umstände es unmöglich machen, diesem Streben genugzutun. Mithin sind eben diese Wünsche und Bestrebungen unberechtigt, nicht aber das Bedürfnis nach Glück. Welche Wünsche und Bedürfnisse können nun zu jeder Zeit, ohne alle Rücksicht auf äußere Umstände befriedigt werden? Nun denn: das Bedürfnis nach Liebe zu den anderen, nach Selbstverleugnung!

Er war so glücklich, so freudig erregt über die Entdeckung dieser, wie er meinte, funkelnagelneuen Wahrheit, daß er aufsprang und ungeduldig zu überlegen begann, für wen er sich so rasch wie möglich opfern, wem er Gutes tun, wen er lieben könnte. Er brauchte so wenig für sich selbst — warum sollte er da nicht für andere leben?