Den späteren Anstoß erregt die Einheitsübersetzung, die uns weißmachen will, man staunte in der Synagoge von Nazaret darüber, „wie begnadet er redete“, während es in Lk 4,22 mehr wörtlich als zeitgeistig übersetzt heißt:
Und alle stimmten ihm bei und wunderten sich über die Worte der Gnade, die aus seinem Mund hervorgingen.durch welche Unterschlagung vollständig der Anklang an die noch frisch im Ohr tönende O-Antiphon vom 17. Dezember („O Weisheit, die du aus des höchsten Mund hervorgingst …“), die – wie ein Kommentar zu Sir 24, 1a.3a („Die Weisheit lobt sich selbst: Ich ging aus dem Mund des Höchsten hervor“) erläutert – „deutlich auf das schöpferische Wort, das vom Mund des Herrn ausgeht und in der Geschichte wirksam wird, verweist“, verloren geht.
Jesus wird also, als er die Erfüllung des Jesaja-Wortes „Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat, Armen gute Botschaft zu verkündigen …“ predigt, nicht nur beifällig aufgenommen, sondern von seinen Zuhörern sogar [fast] als der erkannt, der er ist, nämlich das Ewige Wort.
Dann stolpert man aber in die Falle, die unseren zeitgenössischen Kumpel-Jesus-Genossen nur allzu bekannt sein dürfte: „Ist dieser nicht ein Sohn Josephs?“, oder wie man heute gelegentlich sagt: „War unser Mitbruder Jesus nicht ein Wanderprediger, der soziale Gerechtigkeit und beherzten Umweltschutz forderte, die geistlichen Dingen aber mit einer unbedingten Schwamm-drüber-Barmherzigkeit abtat?“.
Jesus aber antwortet ihnen: „Wenn man Gottes Wort auf rein menschliche Aspekte reduziert, nimmt man die Offenbarung nicht richtig an“, bzw. in der damaligen Sprechweise: „Kein Prophet ist in seiner Vaterstadt annehmbar“.
Jesu Anspruch „seit heilig wie ich heilig bin“, „besinnt euch, macht wieder gut, denn Gottes Herrschaft ist zum Greifen nahe, sie ist schon in euch“, „eure Einsicht sagt – ich aber sage, liebt eure Feinde“ ist halt nicht mit beifälligem Nicken zu frommen Worten und Kumbaya-Singen zu erfüllen. Das „Tu du die großen Dinge, die man von dir hört“ erfordert die vollständige Annahme von Gottes Wort.
Diese jesuanische Inklusionsverweigerung, der Ausschluss seiner nazarenischen Mitbürger von seinen Wunderheilungen, führt als Reaktion damals wie heute gerne dazu, dass man Jesus aus der Stadt hinausstößt – Flüchtlingen am Bahnhof die Hand schüttelt, aber vorher sein Bischofskreuz ablegt etwa, oder das Allerheiligste dazu indisponierten Personen austeilen will, um niemanden vor den Kopf zu stoßen, indem man an Jesu Weisung festhielte.
Aktuell bietet das hiesige Bistum Kurse zur "Flüchtlingsseelsorge" an:
Bei der Weiterbildung geht es um psychosoziale Beratung, um rechtliche Fragen sowie interkulturelles Kompetenztraining. Aber auch um Krisenmanagement - wie etwa den Umgang mit Aggressionen oder Ankündigung eines Suizids - und um "Aufmerksamkeit für das Religiöse". Dies sollen ein katholischer Pater und Vertreter jüdischen und muslimischen Glaubens vermitteln.Diese menschliche Herangehensweise bleibt Stückwerk, wie Paulus (1 Kor 13,12) sagt: „Jetzt erkenne [gignosko] ich aus Stücken, dann aber erkenne ich an [epi-gignosko]“.
[Eine Teilnehmerin] kennt sich mit verschiedenen Religionen aus eigener Erfahrung aus. Die junge Frau war Christin, konvertierte aber zum Islam, als sie heiratete. "Aber irgendwie bin ich immer noch beides"
Der Einheitsübersetzer hat für epi-gignosko „durch und durch erkennen“. epi-gignosko ist aber kein steriles Wissen, sondern ein volles Verstehen; es enthält die Vorstellung der Zustimmung, damit des Gehorsams zu Gottes Wahrheit und Wille.
Gottes Auftrag an die Kirche ist wie der an Jeremia (Jer 1,17): „verkünde ihnen alles, was ich dir auftrage“. Es gilt auch die anschließende Warnung: „Erschrick nicht vor ihnen, sonst setze ich dich vor ihren Augen in Schrecken.“ Nicht unmittelbar verständlich, aber ein Versuch, das Wortspiel mit chathath zu übertragen.
chathath heißt eigentlich zerbrechen, dann den Mut brechen, erschrecken. Läßt man das Wortspiel beiseite, lautet der Vers: „Sei nicht mutlos vor ihrem Angesicht, damit ich dich nicht zerschmettere vor ihrem Angesicht“.
Der halbherzigen, zaghaften, Zumutbares auswählenden Verkündigung ist kein Segen beschieden – gerade damit wird jede Relevanz aufgegeben – die mutlosen Verkündiger werden vor den Augen der Völker zerschmettert.
Nebenbei: chathath scheint ein Lieblingswort von Jeremia zu sein, denn von den 69 Stellen im AT, an denen es vorkommt, sind 22 in Jeremia. Weitere 13 übrigens in Jesaja, der es auch die Verbindung mit „gürten“ hat, nämlich in Jes 8,9f:
Tobt, ihr Völker, und erschreckt! Und horcht auf, all ihr Fernen der Erde! Gürtet euch und erschreckt, gürtet euch und erschreckt! Schmiedet einen Plan, er geht in die Brüche! Beredet die Sache, sie wird nicht zustandekommen!Also genau anders als das, was Jeremia gesagt wird: „Du aber gürte dich … Erschrick nicht vor ihnen“, damit der Auftrag gelingt, die Sache zustandekommt. Der Grund für den Unterschied ist in beiden Fällen derselbe: bei Jesaja „Denn Gott ist mit uns“ [und eben nicht mit den Heidenvölkern], bei Jeremia (Jer 1,19) „denn ich bin mit dir“.
Genau das ist auch bei Paulus (1 Kor 13,12) der Grund der Hoffnung auf das epi-gignosko: „dann aber werde ich durch und durch erkennen, so wie ich auch durch und durch erkannt worden bin“. Der Grund allen Gelingens im heiligmäßigen Leben ist die vorausgehende Liebe Gottes, der uns angenommen und zu seinem Volk gemacht hat.
Bleibt zu hoffen, dass sich die deutschkirchlichen Bischöfe dieses Grundes erinnern, damit es nicht auch bei uns eines Tages heißt „Er aber schritt mitten durch die Menge hindurch und ging weg.“
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen