Die Einheitsübersetzung hat
15 Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden!was mir noch nie recht einleuchten wollte, weil erstens zum gleichen Thema in 1 Kor 12, 31a („Strebt aber nach den höheren Gnadengaben“) etwas ganz anderes geschlussfolgert wurde und zweitens hier nur wenige Worte vorher noch die rechte Weise des prophetischen Redens und Lehrens eingeschärft wurde, was den einheitsübersetzt implizierten Gegensatz von Nachdenken und Demut seltsam erscheinen lässt. Wieso sollte Paulus von den Römern fordern, dass alle gleich dumm bleiben?
16 Seid untereinander eines Sinnes; strebt nicht hoch hinaus, sondern bleibt demütig! Haltet euch nicht selbst für weise!
Hier mal zum Vergleich, was ich dort lese:
Sich freuen mit den Sich-Freuenden, zu weinen mit den Weinenden:Es wäre dann nicht generell dem Nachdenken ein Verweis erteilt, sondern dem Klugscheißen gegenüber Leuten, denen eine tiefergehende Reflexion eher zur Verwirrung gereicht [und möglicherweise deren Antworten, die den Weisen um seine Gemütsruhe bringen können, was anscheinend in der angeschriebenen Gemeinde das größere Problem war, wenn ich die vorangehenden Verse, speziell Röm 12,3 (überschätzt eure eigene Schlauheit nicht, sondern jeder sei darauf bedacht, so vernünftig zu sein, wie es ihm Gott gegeben hat) richtig verstehe].
Auf das gleiche [Prinzip] seid auch gegeneinander bedacht; nicht über Abgehobenes spinntisierend, sondern die einfachen Gemüter mitnehmend, fangt nicht an, untereinander zu vernünfteln.
Während ich zugeben muss, dass meine Lesung doch sehr verschieden von der Einheitsübersetzung ist, möchte ich zu Gute gehalten wissen, dass das Wörterbuch für phronountes (das am Anfang von Vers 16 zwei Mal gleich hintereinander vorkommt: „das Gleiche gegen einander phronountes, nicht die Hohen phronountes“) zwar alle möglichen Bedeutungen angibt (z.B. denken, vernünftig / klug sein; einsehen, verstehen, wissen; urteilen; bedacht sein auf; gesinnt sein), allerdings keine, die mir eine Wiedergabe von „nicht die Hohen phronountes“ mit „strebt nicht hoch hinaus“ zwingend oder auch nur halb-richtig erscheinen lässt.
Übrigens vermag ich in „die Geringen mitwegführend“ auch kein „bleibt demütig“ zu entdecken.
Insgesamt würde ich meinen wollen, Paul mahnt die Römer: Lasst es gut sein mit eurer Zänkerei; erstens sag ich euch mal, wie es ist (Röm 11,25: „Damit ihr euch nicht auf eigene Einsicht verlasst, Brüder, sollt ihr dies Geheimnis wissen …“) und zweitens sollten manche Leute das Denken lieber den Pferden überlassen (wegen des größeren Kopfes) und die anderen den Ball flach halten und jeder zusehen, dass er mit seinem bißchen Glaube zurechtkomme, wie es eben gehen will.
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