Mittwoch, 14. August 2019

Anfang und Bild der zu vollendenden Kirche

Im paulinischen Missale gibt es für viele Gelegenheiten eigene Präfationen, so auch für Mariä Himmelfahrt. Im alten Missale gab es eine Präfation für alle Marienfeste, bei dem (an der markierten Stelle) der Name des Festes eingefügt wurde. Nämlich:

alt: Praefatio de BMV
Vere dignum et iustum est, aequum et salutare, nos tibi semper et ubique gratias agere: Domine, sancte Pater, omnipotens aeterne Deus:
Et te in *Assumptione* beatae Mariae semper Virginis collaudare, benedicere et praedicare. Quae et Unigenitum tuum Sancti Spiritus obumbratione concepit: et, virginitatis gloria permanente, lumen aeternum mundo effudit, Iesum Christum Dominum nostrum.
Übersetzung
Wahrhaft ist es würdig und recht, angemessen und heilsam, dass wir dir immer und überall danken: Herr, heiliger Vater, allmächtiger ewiger Gott
und dich zur *Aufnahme* der seligen Maria, allzeit Jungfrau, loben, preisen und rühmen. Die sowohl deinen Einziggezeugten durch des Heiligen Geistes Überschattung empfing, als auch, in der Ehre der Jungfräulichkeit bleibend, das ewige Licht der Welt ausgoß, Jesus Christus unseren Herrn.
neu: Präfation zur Aufnahme der seligen Jungfrau Mariens
Vere dignum et iustum est, æquum et salutáre, nos tibi semper et ubíque grátias ágere: Dómine, sancte Pater, omnípotens ætérne Deus: per Christum Dóminum nostrum.
Quóniam Virgo Deípara hódie in cælos assúmpta est, Ecclésiæ tuæ consummándæ inítium et imágo, ac pópulo peregrinánti certæ spei et solácii documéntum; corruptiónem enim sepúlcri eam vidére mérito noluísti, quæ Fílium tuum, vitæ omnis auctórem, ineffabíliter de se génuit incarnátum.
Übersetzung
Wahrhaft ist es würdig und recht, angemessen und heilsam, dass wir dir immer und überall danken: Herr, heiliger Vater, allmächtiger ewiger Gott, durch Christus unseren Herrn.
Weil die gottgebärende Jungfrau heute in die Himmel aufgenommen wurde, deiner zu vollendenden Kirche Anfang und Bild, und dem pilgernden Volk Beweis der sicheren Hoffnung und des Trostes; dass sie die Vergänglichkeit des Grabes schaue wolltest du aus gutem Grund nicht, die deinen Sohn, den Urheber allen Lebens, unaussprechlich aus sich im Fleisch geboren hat.
Deutsches Messbuch
In Wahrheit ist es würdig und recht, dir, allmächtiger Vater, zu danken und das Werk deiner Gnade zu rühmen.
Denn heute hast du die jungfräuliche Gottesmutter in den Himmel erhoben, als Erste empfing sie von Christus die Herrlichkeit, die uns allen als verheißen ist, und wurde zum Urbild der Kirche in ihrer ewigen Vollendung. Dem pilgernden Volk ist sie ein untrügliches Zeichen der Hoffnung und eine Quelle des Trostes. Denn ihr Leib, der den Urheber des Lebens geboren hat, sollte die Verwesung nicht schauen.
Anmerkungen
  1. Der Anfang der Präfation ist immer gleich, im alten wie im neuen Missale, allerdings nicht im Deutschen Messbuch, wie man durch einen schnellen Blick auf die markierten Stellen erkennt.
  2. Mir ist nicht klar, ob der Messbuchtexter dem Volk nicht zutraute, „Anfang“ zu verstehen, oder ob eine Kenntnis, inwiefern die Kirche vollendet werden muss, nicht vorausgesetzt wurde, jedenfalls wird „Anfang“ umschrieben mit „als Erste empfing sie von Christus die Herrlichkeit, die uns allen als verheißen ist“. Seltsam genug, gibt aber nochmal die Gelegenheit, das Thema jeder Messe (Uns) anzusprechen, und zu betonen, dass die Herrlichkeit „allen“ verheißen ist, wie ja auch „für viele“ in den Wandlungsworten nach wie vor mit „für alle“ wiedergegeben wird. Wenn das nicht irgendwann ein böses Erwachen gibt, sag ich mal.
  3. Diese Ersetzung ist aus mehreren Gründen schade. Einer ist, dass man über Christus im Kolosser-Brief lesen kann: „Er ist das Bild des unsichtbaren Gottes … er ist das Haupt des Leibes, der Kirche. Er ist der Anfang“ (Kol 1,15.18). Und analog ist Maria Anfang und Bild des Leibes, der Kirche, so dass man auf die Frage „Ist die ‚Frau, mit der Sonne bekleidet; der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt’ (Offb 12,1) ein Symbol für Maria oder für die Kirche?“ beherzt antworten kann: Ja! Denn Maria ist Anfang und Bild der Kirche.
  4. Es gibt kleinere Unstimmigkeiten in der Übersetzung. Das „untrüglich“ bezieht sich definitiv auf „Hoffnung“ und nicht auf „Zeichen“ – oder wurde es gar nicht verschoben, sondern das Dokument (der Beweis) als „untrügliches Zeichen“ übersetzt und das „sicher“ vor „Hoffnung“ gestrichen? Aber dafür wurde eine „Quelle“ dazugedichtet, wie hübsch.
  5. Wie es scheint hatte der Messbuchtexter gerade nicht die Dogmatische Konstitution des II. Vatikanischen Konzils über die Kirche „Lumen Gentium“ zur Hand, sonst hätte er einfach abschreiben können, denn dort heißt die Nummer 68:
    Wie die Mutter Jesu, im Himmel schon mit Leib und Seele verherrlicht, Bild und Anfang der in der kommenden Weltzeit zu vollendenden Kirche ist, so leuchtet sie auch hier auf Erden in der Zwischenzeit bis zur Ankunft des Tages des Herrn als Zeichen der sicheren Hoffnung und des Trostes dem wandernden Gottesvolk voran.
  6. Dass der Leib „nicht sollte“ (statt dass Gott „aus gutem Grund [oder: verdientermaßen] nicht wollte“, dass er würde) und dass „unaussprechlich wunderbar aus sich im Fleisch“ gestrichen wurde, trägt nicht zum Schmuck oder einer ehrerbietigen Gebetshaltung bei.
Die Änderungen scheinen mir etwas willkürlich, um ihrer selbst Willen durchgeführt zu sein.

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