Sonntag, 25. August 2019

Das vollkommene Heilmittel der Barmherzigkeit

 
Am 21. Sonntag im Jahreskreis betet die Katholische Kirche um das Eine, die Deutsche Kirche um etwas weiteres.

Für die Beschreibung der „Übersetzung“ im Deutschen Messbuch sollen folgende Abkürzungen verwendet werden:
DM#1: Anrede geändert
DM#2: Titel gestrichen
DM#3: Bitte wird zum Imparativ
DM#4: Einsatz prosaischer Standardfloskel

DM#5: weitschweifige Vielwörterei
DM#6: Konzentration auf „Uns“, worum es in der Messe schließlich geht, nicht wahr.
DM#7: Heilsgewissheit für Alle
DM#8: Vertauschung von Mittel und Zweck

Tagesgebet
Deus, qui fidélium mentes uníus éfficis voluntátis, da pópulis tuis id amáre quod prǽcipis, id desideráre quod promíttis, ut, inter mundánas varietátes, ibi nostra fixa sint corda, ubi vera sunt gáudia.
Übersetzung
Gott, der du der Gläubigen Gesinnungen auf einen einzigen Willens lenkst: gib deinem Volk, das zu lieben, was du vorschreibst, das zu verlangen, was du verheißt, damit, inmitten der weltlichen Vielfalt, dort unsere Herzen hängen, wo die wahren Freuden sind.
Deutsches Messbuch
Gott, unser Herr, du verbindest alle, die an dich glauben, zum gemeinsamen Streben. Gib, dass wir lieben, was du befiehlst, und ersehnen, was du uns verheißen hast, damit in der Unbeständigkeit dieses Lebens unsere Herzen dort verankert seien, wo die wahren Freuden sind.
Anmerkungen
  • DM#1: Gott – Gott, unser Herr
  • DM#5, DM#7: Gläubige - alle, die an dich glauben
    Das DM betont anderswo gerne (auch gegen das Original) die Hoffnung, dass Alle gerettet werden. (Vergleiche die alte Frage, ob das kostbare Blut für viele oder für alle vergossen ist.) Es ist zu mutmaßen, dass die Gelegenheit, ein „alle“ hier einzuschmuggeln, Ausdruck dieser Haltung ist.
  • du lenkst der Gläubigen Gesinnungen auf einen einzigen Willens - du verbindest zum gemeinsamen Streben
    Verstehen wir Gesinnung als „moralische Grundhaltung, aus welcher der Wille entspringt“ und die „Gesinnungen der Gläubigen“ als die gläubige Haltung, die Gott bewirkt, die auf einen einzigen Willen (dein Wille geschehe …) gerichtet ist [bzw. sein wird, wenn Gott das Gebet erhört und den Willen entsprechend gelenkt hat], nämlich „zu lieben, was Gott befiehlt“ usw. Das heißt dann nicht notwendig, dass die Gläubigen „verbunden“ sind im „gemeinsamen“ Streben, sondern lediglich, dass die jeweils einzelnen Gesinnungen auf das gleiche Ziel gehen.
    [Obwohl anscheinend das englischsprachige Messbuch in eben demselben Sinn übersetzt.]
  • DM#6: gib deinem Volk – gib
    Die Änderung erlaubt dem DM im folgenden, „dass Wir lieben“ statt „das zu lieben“ und „was du Uns verheißt“ statt „was du verheißt“ zu bilden, um das Messthema (Wir!) nochmals zu betonen.
  • zu lieben, was du vorschreibst, das zu verlangen, was du verheißt - dass wir lieben, was du befiehlst, und ersehnen, was du uns verheißen hast
    Neben dem bereits Gesagten fällt hier das „und“ auf, das im Original nicht steht. Ob das eine Bedeutung hat? Etwa, dass Vorschreiben und Verheißen gar nicht zwei getrennte Vorgänge sind, sondern dass die Vorschriften dazu gemacht sind, das Verheißene erlangen zu können, nicht wie ein Tausch (du gehorchst, ich erfülle), sondern wie ein „du trainierst, du siegst“ oder „wir wandeln auf dem engen Pfad und kommen zum Ziel“? Im DM sind es klar zwei Dinge.
    [promittis = du verheißt ist übrigens Präsens, nicht Perfekt, wie das DM übersetzt.]
  • inmitten der weltlichen Vielfalt - in der Unbeständigkeit dieses Lebens
    varietas kann „Unbeständigkeit, Vergänglichkeit“ heißen, weil es hier aber nicht mit Stabilität oder Ewigkeit kontrastiert ist [es sei denn, man sieht das „befestigt sein“, „hängen“ oder „haften“ als solchen Gegensatz], sondern mit „wahre Freuden“, meint es wohl (entsprechend seiner Grundbedeutung) die scheinbaren Freuden oder Ablenkungen (Buntheit, Abwechslung – Vielfalt eben).
[Dieses Tagesgebet war im alten Messbuch für den 4. Sonntag nach Ostern vorgesehen.]

Gabengebet
Qui una semel hóstia, Dómine, adoptiónis tibi pópulum acquisísti, unitátis et pacis in Ecclésia tua propítius nobis dona concédas.
Übersetzung
Der du durch das eine einmalige Opfer, Herr, dir ein Volk der Anwahl erworben hast, gewähre uns in deiner Kirche gnädig die Gaben der Einheit und des Friedens.
Deutsches Messbuch
Herr und Gott, du hast dir das eine Volk des Neuen Bundes erworben durch das Opfer deines Sohnes, das er ein für alle Mal dargebracht hat. Sieh gnädig auf uns und schenke uns in deiner Kirche Einheit und Frieden.
Anmerkungen
  • DM#1: Herr – Herr und Gott
  • ein Volk der Anwahl - das eine Volk des Neuen Bundes
    Hier sind zwei Dinge seltsam. „Das eine“, also betont, dass es exakt eines ist, steht im Original vor Opfer, nicht vor Volk.
    Dann ist das Volk eines der Annahme an Kindes Statt (oder Anwahl, wie ich immer schreibe; vgl. Origines unten); das „des Neuen Bundes“ scheint mir einen künstlichen Gegensatz zum Auserwählten Volk einzuführen.
  • DM#5: das eine einmalige Opfer - durch das Opfer deines Sohnes, das er ein für alle Mal dargebracht hat
    Es ist immer das gleiche. Beim „Herr“ weiß man ohne „und Gott“ nicht, wer gemeint ist, und ohne lange Erlärung versteht auch niemand, was wohl das eine einmalige Opfer sein könnte. Für welche zufällig in die Messe gestolperten Heiden ist diese „Übersetzung“ gemacht?
  • DM#4: gewähre gnädig die Gaben - sieh gnädig auf uns und schenke
    „Schenken“ für „die Gaben gewähren“ ist zwar inhaltlich nicht stark verschieden [außer dass schenken spontan, gewähren aber auf eine Bitte hin erfolgt], aber prosaisch und läuft auf die Standardfloskel „schenke deiner Kirche Einheit und Frieden“ hinaus. Gnädig (oder geneigt oder gewogen oder günstig - im Gegensatz zu zornig) gewähren ist m.E. aber was anderes als „gnädig blicken“ und dann schenken.
[Das Gabengebet scheint neu komponiert zu sein. Der Gedanke „una semel hostia“ taucht in Auslegungen der Kirchenväter zum 10. Kapitel des Hebräerbriefs auf, die Wendung „populum adoptionis“ = „Volk der Anwahl“ stammt aus einer Predigt von Origines zu den beiden Söhnen Abrahams – der Sohn der Magd wurde „zu einem großen Volk“, der Sohn der Freien zum Volk der Anwahl, dem die an Abraham ergangenen Verheißung wiederholt wurde. Die Bitte „unitatis et pacis propitius dona concede“ (gewähre die Gaben des Einheit und des Friedens) kommt in mehreren Gebeten im alten Messbuch vor.]

Schlussgebet
Plenum, quǽsumus, Dómine, in nobis remédium tuæ miseratiónis operáre, ac tales nos esse pérfice propítius et sic fovéri, ut tibi in ómnibus placére valeámus.
Übersetzung
Das vollkommene Heilmittel deiner Barmherzigkeit, bitten wir, Herr, lass in uns wirken, und vollende uns gnädig, damit wir so beschaffen sind und so unterstützt werden, dass wir dir in allem zu gefallen erreichen können.
Deutsches Messbuch
Herr, unser Gott, schenke uns durch dieses Sakrament die Fülle deines Erbarmens und mache uns heil. Gewähre uns deine Hilfe, damit wir so vor dir leben können, wie es dir gefällt.
Anmerkungen
  • DM#1: Herr - Herr, unser Gott
  • DM#8: lass das Heilmittel wirken - schenke uns durch dieses Sakrament
    Die Eucharistie ist das „vollkommene Heilmittel der Barmherzigkeit“, denn sie vergegenwärtigt das Kreuzesopfer, durch das die Vergebung aller Sünden erworben wurde [s. Katechismus der Katholischen Kirche Nr. 1442]. Es liegt an uns, die angebotene Versöhnung anzunehmen (d.h. unsere Sünden zu bekennen und Vergebung zu erlangen) [vgl. 2. Kor 5,20]. Die Bereitschaft, uns mit Gott versöhnen zu lassen, möge Gott bewirken – das ist Bitte. Es gibt nicht noch etwas weiteres, das „durch dieses Sakrament“ erhalten würde, und von „schenken“ ist schon gar nicht die Rede: es wurde bereits geschenkt, jetzt sind wir am Zug.
  • Das „plenum“ geht auf Heilmittel, nicht auf die Barmherzigkeit, d.h. „Fülle deines Erbarmens“ ist ein falscher Bezug.
  • DM#4: vollende uns gnädig - mache uns heil
    Natürlich ist „vollendet“ und „heil sein“ in gewissem Sinne ähnlich, aber das „vollende“ steht hier nicht losgelöst, sondern in welcher Hinsicht der Beter vollendet werden möchte, wird im folgenden Nebensatz ausgeführt – und da sitzt der Knackpunkt. Hier wird der Anspruch, den der Beter an sich selbst stellt und den erfüllen zu können Gott gebeten wird, vom DM komplett über Bord geworfen.
    Und „gnädig“ braucht Gott für die Platitüden des DM dann auch nicht zu sein …
  • DM#4: damit wir so beschaffen sind und so unterstützt werden - gewähre uns deine Hilfe, damit wir so vor dir leben können
    Nun kommt in fast den meisten Gebeten „gewähre“ vor und wird im DM unterschlagen. Jetzt steht es mal nicht und wird es dazugedichtet.
    Das originale „vollende uns zu neuen Menschen und unterstütze uns, uns in diesem Zustand zu halten“ ist eine radikale Bitte, die zur radikalen Barmherzigkeit Gottes passt. Das „unterstützt werden“ ist hier nämlich überhaupt nicht irgendeine Standardfloskel-Hilfe, sondern eine Erneuerung nach dem Bild des Schöpfers (vgl. Kol 3,10 und das ganze 3. Kapitel des Kolosserbriefs). „Lass uns vor dir leben“ ist dagegen – blaß und allgemein bis zum Nebulösen, um ausgesucht zurückhaltend zu formulieren.
  • DM#7: dass wir dir in allem zu gefallen erreichen können - wie es dir gefällt
    Jetzt sollen im DM nicht „wir“ (was sonst so gern benutzt wird) Gott gefallen, sondern „es“ (das „vor dir leben“), was um so erstaunlicher ist, als es im Gebet diesmal echt um „uns“ geht – und unsere Verwandlung oder Vollendung zum neuen Menschen. Und irgendwie ist das „in allem“ unter den Tisch gefallen, und das „valeamus“ (wir mögen wert sein, schaffen, irgendwie erreichen) auch. Denn die Frage „Können wir das schaffen?“ hat Baumeister Bob für das DM-Team schon beantwortet.
[Das Gebet war im alten Messbuch als Schlussgebet der Messe zur Bischofsweihe vorgesehen, was den hohen Anspruch des Betenden an sich erklärt.]

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