Sonntag, 11. August 2019

Mächtig bewirkte Verwandlung

Zum 19. Sonntag im Jahreskreis betet die heilige Mutter Kirche:

Tagesgebet
Omnípotens sempitérne Deus, quem, [docénte Spíritu Sancto]*, patérno nómine invocáre præsúmimus, pérfice in córdibus nostris spíritum adoptiónis filiórum, ut promíssam hereditátem íngredi mereámur.
Übersetzung
Allmächtiger ewiger Gott, den wir, [während der Heilige Geist lehrt], mit dem väterlichen Namen anzurufen wagen, vollende in unseren Herzen den Geist der Anwahl als Kinder, damit wir das verheißene Erbe anzutreten verdienen.
* Der geklammerte Zusatz ist erst in der dritten Auflage von 2002 dazugekommen und im Deutschen Messbuch nicht berücksichtigt.

Deutsches Messbuch
Allmächtiger Gott, wir dürfen dich Vater nennen, denn du hast uns an Kindes statt angenommen und uns den Geist deines Sohnes gesandt. Gib, dass wir in diesem Geist wachsen und einst das verheißene Erbe empfangen.
Vergleich
  • Allmächtiger ewiger Gott ⇒ Allmächtiger Gott
  • den wir mit dem väterlichen Namen anzurufen wagen ⇒ wir dürfen dich Vater nennen
  • vollende in unseren Herzen den Geist der Anwahl als Kinder ⇒ denn du hast uns an Kindes statt angenommen und uns den Geist deines Sohnes gesandt. Gib, dass wir in diesem Geist wachsen
  • damit wir das verheißene Erbe anzutreten verdienen ⇒ [Gib, dass wir] einst das verheißene Erbe empfangen
Anmerkungen
  1. Der „Geist der Anwahl als Kinder“ stammt aus dem 8. Kapitel des Römerbriefes: „Denn ihr nahmt nicht einen Geist der Knechtschaft, wieder zur Furcht [wie unter dem (jüdischen) Gesetz], sondern ihr nahmt einen Geist der Anwahl als Kinder, in dem wir rufen: Abba, Vater!“
    Der Zusammenhang: besagter Geist erlöst uns aus der Knechtschaft der Sünde – wir müssen nicht mehr den Begierden des Fleisches nachgeben. Gleichzeitig stehen wir nicht mehr unter dem (jüdischen) Gesetz. Weil wir nach dem Geist leben, werden wir mit Christus auferweckt. Dieser Geist gibt auch Ausdauer in den Widrigkeiten des gegenwärtigen Lebens.
    Besagter Geist wird auch genannt „Geist des Lebens in Christus Jesus“ (Vers 2), „Gottes Geist“, „Christi Geist“ (Vers 9), „Geist dessen, der Jesus aus den Toten auferweckt hat“ (Vers 11).
    Insgesamt klingt es, als wäre (Taufe&Geistspendung, heiligmäßiger Lebenswandel, Ausdauer) ein einziges Ding, dessen Vollständiges das verheißene Erbe ist, ohne etwas davon Getrenntes zu sein.
  2. Der Messbuchtext zerlegt in mehrere separate Teile: Annahme an Kindes Statt – Sendung des Geistes – wachsen im Geist [steht das statt „heiligmäßiges Leben“?], und „einst“ Erbe empfangen. Ich höre da nicht so deutlich wie es wünschenswert wäre das „durch den Geist die Handlungen des Leibes töten“ (Vers 13) und „dem Bilde seines Sohnes gleichförmig sein“ (Vers 29) mit.
  3. Auch das „wagen“, „vollenden“ und „verdienen“ ist mit „dürfen“, „wachsen“ und „empfangen“ nicht ganz auf einer Ebene. Das „wagen“ drückt unsere Unwürdigkeit aus (eine Haltung, die die alte Messe überall durchzieht), das „dürfen“ ruft eher unser Recht(?) in Erinnerung. Das „vollenden“ zielt auf Heiligkeit, das „wachsen“ auf eine Politik der kleinen Schritte. Das „verdienen“ mahnt an unsere angemessene Antwort auf die erteilte Gnade, das „empfangen“ spiegelt die Haltung von Dudley Dursley (Harry Potters Vetter), der an seinem Geburtstag nur die Geschenke zählt, um zu sehen, ob noch eins fehlt.
Gabengebet
Ecclésiæ tuæ, Dómine, múnera placátus assúme, quæ et miséricors offerénda tribuísti, et in nostræ salútis poténter éfficis transíre mystérium.
Übersetzung
Deiner Kirche Gaben, Herr, nimm mit Wohlgefallen auf, die du sowohl barmherzig als zu Opfernde eingeteilt hast, als auch sich zu einem Mysterium unseres Heils zu verwandeln mächtig bewirkst.
Deutsches Messbuch
Herr, unser Gott, wir bringen die Gaben zum Altar, die du selber uns geschenkt hast. Nimm sie von deiner Kirche entgegen und mache sie für uns zum Sakrament des Heiles.
Vergleich
  • deiner Kirche Gaben ⇒ wir bringen die Gaben zum Altar
  • Herr ⇒ Herr, unser Gott
  • nimm mit Wohlgefallen auf ⇒ nimm sie von deiner Kirche entgegen
  • die du als zu Opfernde eingeteilt hast ⇒ die du uns geschenkt hast
  • barmherzig ⇒ selber
  • zum Mysterium unseres Heils ⇒ für uns zum Sakrament des Heiles
  • zu verwandeln mächtig bewirkst ⇒ mache
Anmerkungen
  1. Im Gebet sind die „Gaben“ das Subjekt, im ersten Hauptsatz des Deutsches-Messbuch-Texts dagegen „wir“, dann darum geht es schließlich in der Messe, nicht wahr.
  2. Seit geopfert wird, ist Dreh- und Angelpunkt die Wohlgefälligkeit des Opfers bzw. das Behagen/das Anschauen Gottes (vgl. Gen 4,4; Gen 8,21; Lev 1,9). Wie kommt der Messbuchtexter darauf, dass „von deiner Kirche“ automatisch dasselbe sei?
  3. Gott hat die Gaben nicht lediglich „geschenkt“, sondern bestimmt, dass diese Gaben zum Opfer dargebracht werden.
  4. Weil die Gefahr bestehen könnte, dass „unser“ in „zum Mysterium unseres Heils“ untergehen könnte, stellt der Texter sicherheitshalber das „für uns“ an die Spitze. Darum geht es schließlich – aber ich wiederhole mich.
  5. Wenn (wie das Gebet anzunehmen scheint) die Transsubstantiation korrekt als „[von Gott] mächtig bewirkte Verwandlung“ angesprochen wird, dann ist das Deutsch-Messbuchliche „Machen“ ganz bestimmt unangemessen. [Verwundert in diesem Zusammenhang, dass eine gegenwärtig auf Twitter eifrig diskutierte Umfrage zeigte, dass kaum ein Viertel der US-amerikanischen Katholiken glaubt, dass die Opfergaben wirklich Leib und Blut Christi werden? Ich frage lieber nicht, wie grausam die Zahlen für die deutschsprachigen Gegenden aussähen …]
Schlussgebet
Sacramentórum tuórum, Dómine, commúnio sumpta nos salvet, et in tuæ veritátis luce confírmet.
Übersetzung
Die vollzogene Gemeinschaft deiner Sakramente, Herr, erlöse uns und bestärke [uns] im Lichte deiner Wahrheit.
Deutsches Messbuch
Barmherziger Gott, wir haben den Leib und das Blut deines Sohnes empfangen. Das heilige Sakrament bringe uns Heil, es erhalte uns in der Wahrheit und sei unser Licht in der Finsternis.
Vergleich
  • Herr ⇒ barmherziger Gott
  • die vollzogene Gemeinschaft deiner Sakramente ⇒ wir haben den Leib und das Blut deines Sohnes empfangen. Das heilige Sakrament
  • erlöse uns ⇒ bringe uns Heil
  • bestärke [uns] im Lichte deiner Wahrheit ⇒ es erhalte uns in der Wahrheit und sei unser Licht in der Finsternis
Fazit
Satte 70% Laberverlängerung. Mit dem „Plappert nicht wie die Heiden“ im Hinterkopf passt das heutige Evangelium: „wer nicht danach handelt, der wird viele Schläge bekommen.“

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