Dienstag, 1. Oktober 2019

sich als Sühnopfer der Nächstenliebe aufopfern

Am ersten (bzw. im alten Kalender am dritten) Oktober gedenkt die Kirche der Heiligen Terese vom Kinde Jesu, im Volke auch als Terese von Lisieux oder „kleine Terese“ [zur Unterscheidung von Terese von Avila] bekannt:

Tagesgebet
Deus, qui regnum tuum humílibus parvulísque dispónis, fac nos beátæ Terésiæ trámitem prósequi confidénter, ut, eius intercessióne, glória tua nobis revelétur ætérna.
Übersetzung
Gott, der du dein Reich den Demütigen und Kleinkindern bereitstellst, lass uns dem Pfad der seligen Teresia zuversichtlich folgen, damit, auf ihre Vermittlung, deine ewige Herrlichkeit uns enthüllt wird.
Deutsches Messbuch
Großer Gott, du rufst Menschen in deine Nähe, die nichts von sich selbst erwarten, sondern alles von dir erhoffen. Führe uns den Weg der Demut und der Gotteskindschaft, den du der heiligen Theresia gezeigt hast. Vollende auf ihre Fürsprache auch unser Leben in deiner Herrlichkeit und lass uns dein Antlitz schauen.
Vergleich
  • Gott ⇒ großer Gott
  • der du dein Reich bereitstellst ⇒ du rufst Menschen in deine Nähe
    Das „Reich Gottes“ ist ein theologischer Fachbegriff, der auch in den Evangelien vorkommt. Den kann man in einer „Übersetzung“ eigentlich beibehalten. Genau besehen ist es sogar der Inhalt des Evangliums („das Reich Gottes ist nahe“); allerdings scheint mir diese Botschaft traditionell als „bald nimmt Gott seine große Macht in Anspruch und tritt seine Herrschaft an“ (Offb 11, 17) und nicht als „Reich = Nähe“ verstanden worden zu sein.
  • den Demütigen und Kleinkindern ⇒ die nichts von sich selbst erwarten, sondern alles von dir erhoffen
    Weder bin ich sicher, dass diese Definition exakt mit den ersetzten Begriffen übereinstimmt, noch sehe ich die Notwendigkeit der Ersetzung, wo doch Jesus selbst diese Wörter benutzt (Mt 18, 4)
  • lass uns [dem Pfad] zuversichtlich folgen - führe uns [den Weg]
    Im Original ist der Pfad vorgezeichnet, so dass es an uns liegt, ihm zu folgen; das DM zeigt sich planlos und fordert eine persönliche Führung.
  • dem Pfad ⇒ den Weg der Demut und der Gotteskindschaft
    Ups, ist da jemandem aufgefallen, dass wichtige Schlüsselwörter entfallen waren? Allerdings sind parvuli Kleinkinder (in Mt 18, 4) oder die „ganz Kleinen“, nicht unbedingt Gotteskinder.
  • [Pfad] der seligen Teresia ⇒ [Weg] den du der heiligen Theresia gezeigt hast
    Warum etwas direkt übersetzen, wenn man doch stattdessen auch viele Wörter machen kann?
  • damit deine ewige Herrlichkeit uns enthüllt wird ⇒ vollende auch unser Leben in deiner Herrlichkeit und lass uns dein Antlitz schauen
    Im Original ist die Enthüllung Folge des dem-Pfad-Folgen; im DM Anlass für fantasievolle Bitten. Der letzte Teil ist wohl durch die Ergänzung von Tereses Ordensnamen motiviert, worüber Wikipedia lehrt:
    „Als Ordensnamen wählte sie Thérèse de l'enfant Jesus (Therese vom Kinde Jesus), am 10. Januar 1889 fügte Therese diesem noch das Attribut et de la Sainte Face („und vom Heiligen Antlitz“) hinzu.“
Der im Reformoriginal gerade noch erkennbare, im DM verlorengegangene Bezug zum Schriftwort ist in der alten Oratio zum Gedenktag deutlicher, denn es wird direkt zitiert:
Domine, qui dixisti: Nisi efficiamini sicut parvuli, non intrabitis in regnum caelorum: da nobis, quaesumus; ita sanctae Teresiae Virginis in humilitate et simplicitate cordis vestigia sectari, ut praemia consequamur aeterna.
Übersetzung
Herr, der du gesagt hast: Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht ins Himmelreich eintreten: gib uns, bitten wir, so den Spuren der heiligen Jungfrau Teresia in Demut und Einfalt des Herzens zu folgen, damit wir die ewigen Belohnungen erhalten.
Der Inhalt ist im Reformgebet weitgehend der gleiche; der Fortschritt in der Umformulierung wird mir nicht deutlich.

Gabengebet
In beáta Terésia te, Dómine, mirábilem prædicántes, maiestátem tuam supplíciter exorámus, ut, sicut eius tibi grata sunt mérita, sic nostræ servitútis accépta reddántur offícia.
Übersetzung
In der seligen Teresia dich, Herr, als wunderbar preisend, flehen wir deine Majestät demütig an, dass die Pflichten unserer Knechtschaft* so annehmbar gemacht werden mögen, wie dir ihre Verdienste angenehm sind.
* Dienste unseres Dienstes, Zeremonien unserer Sklaverei – etwa so

Deutsches Messbuch
Wir preisen dich, Herr, denn du bist groß in deinen Heiligen. Das Leben der heiligen Theresia hat dir wohlgefallen. Nimm mit diesen Gaben auch unseren Dienst an.
Vergleich
  • dich als wunderbar preisend ⇒ wir preisen dich
    mirabilis (bewundernswert, wunderbar) entfällt im DM.
  • in der seligen Teresia ⇒ denn du bist groß in deinen Heiligen
    Diese Standardphrase wirft das DM großzügig an allen möglichen und unmöglichen Stellen ein. Jemand war wohl sehr stolz auf seine Erfindung.
  • wie dir ihre Verdienste angenehm sind, so ⇒ Das Leben der heiligen Theresia hat dir wohlgefallen.
    Verdienste einer Heiligen und Leben sind doch noch zwei verschiedene Dinge.
    Im Original sind die Verdienste Gott angenehm; im DM ist das vollendete Vergangenheit.
    Im Original wird ein Vergleich wie so angestellt; im DM stehen zwei unabhängige Hauptsätze neben einander (lediglich durch ein auch einen Zusammenhang suggerierend).
  • die Pflichten unserer Knechtschaft ⇒ unseren Dienst
    Die Formulierung des Originals scheint mir intensiver zu sein als was beim DM hinten rauskommt.
  • flehen wir deine Majestät demütig an, dass … annehmbar gemacht werden ⇒ nimm … an
    Ähhh - ja.
    Dafür wird ein „mit diesen Gaben“ dazufantasiert, denn schließlich soll nicht verstanden werden, dass etwa wir unser Leben (Dienste des Dienstes) als Gabe darbringen und gewandelt werden wollten nach dem Vorbild der Tagesheiligen – von dieser im Original mitgedachten Zumutung möchte sich das DM dann doch distanzieren.
Secreta (1962)
Sacrificium nostrum tibi, Domine, quaesumus, sanctae Teresiae Virginis tuae precatio sancta conciliet: ut, in cuius honore solemniter exhibetur, eius meritis efficiatur acceptum.
Übersetzung
Unser Opfer empfehle dir, Herr, bitten wir, die heilige Fürbitte deiner heiligen Jungfrau Teresia: damit es, zu wessen Ehre es festlich überreicht wird, durch deren Verdienste annehmbar gemacht werde.
Schlussgebet
Sacraménta quæ súmpsimus, Dómine, illíus in nobis vim amóris accéndant, quo beáta Terésia se tibi addíxit, tuámque cúpiit miseratiónem pro ómnibus impetráre.
Übersetzung
Die Sakramente, die wir empfangen haben, mögen in uns die Kraft jener Liebe entzünden, in der die selige Teresia sich dir zusprach und begehrte, deine Barmherzigkeit für alle zu erlangen.
Deutsches Messbuch
Barmherziger Gott, das Sakrament, das wir empfangen haben, wecke in uns die Kraft der Liebe, damit wir uns dir ganz anheim geben und nach dem Beispiel der heiligen Theresia dein Erbarmen für alle Menschen erflehen.
Anmerkung
Das Beispiel gehört zu dem „ganz anheim geben“, woraus das Erflehen automatisch folgt.
Postcommunio
Illo nos, Domine, amoris igne caeleste mysterium inflammet: quo sancta Teresia Virgo tua se tibi pro hominibus caritatis victimam devovit.
Übersetzung
Jenes himmlische Feuer der Liebe, Herr, entflamme uns, in dem deine heilige Jungfrau Teresia sich dir für die Menschen als Sühnopfer der Nächstenliebe aufopferte.
Der Grundgedanke ist im Reformmissale aufgegriffen, allerdings sind die Details doch stark abgeschwächt. Das „als Sühnopfer aufopfern“ bezieht sich wohl auf die geduldig ertragene Krankheit; welche Anspielung wegreformiert wurde. Wie das alte Gebet kräftig ist, ist das neue bläßlich.

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