Sonntag, 31. März 2019

Wer eilt hier entgegen?

Die Leseordnung hat gewollt, dass das vor acht Tagen betrachtete Evangelium heute in neuem Zusammenhang gesehen werde. Mir scheint, wenn man das Tagesgebet
Latein: Deus, qui per Verbum tuum humáni géneris reconciliatiónem mirabíliter operáris, præsta, quæsumus, ut pópulus christiánus prompta devotióne et álacri fide ad ventúra sollémnia váleat festináre. Per Dóminum.
Übersetzt: Gott, der du durch dein Wort dem menschlichen Geschlecht die Versöhnung wunderbar bewirkt hast, gewähre, bitten wir, dass das christliche Volk durch entschlossene Hingabe und begeisterten Glauben zur kommenden Festlichkeit zu eilen vermag.
Messbuch: Herr, unser Gott, du hast in deinem Sohn die Menschheit auf wunderbare Weise mit dir versöhnt. Gib deinem Volk einen hochherzigen Glauben, damit es mit froher Hingabe dem Osterfest entgegeneilt.
so ordnet, dass es die Schriftlesungen des Tages aufnimmt, die Lücke für das Evangelium durch das Fest gegeben zu sein, zu dessen Deutung (wohl noch unter dem Eindruck der kürzlich angestellten Überlegung) sich außer der Reihe Eph 1,6 angeboten hat, so dass sich ergibt:
Gott, der du die Schande von uns abgewälzt hast, gewähre, bitten wir, dass wir uns mit Gott versöhnen lassen, um das kommende Fest feiern zu können; denn dein Wort wurde unser Bruder, war tot durch unsere Sünden, und lebt wieder, zum Lob deiner herrlichen Gnade, mit der du uns begnadet hat in dem Geliebten, in welchem wir die Erlösung haben, Jesus Christus.


Freitag, 29. März 2019

Gemeinschaft der Heiligen im Messgegenstand

Drüben bei Lifesitenews setzt sich der in Katholischen Kreisen (mit großen Ks) bekannte Peter Kwasniewski mit einem übertrieben horizontalen, sozialen, „mitgeschwisterlichen“ Verständnis der Messe auseinander. Dazu führt er u.a. aus, inwiefern die Messe ein gemeinschaftlicher Akt der ganzen Kirche ist, wie verkürzend allerdings eine bei freigeistigen (hier gerne als „engagiert“ bezeichneten) Vertretern beliebte Schlussfolgerung daraus:
Mass … is a communal activity that expresses and builds up our social bond with one another.
Die Messe ist eine Gemeinschaftsaktivität, die unsere soziale Bindung miteinander ausdrückt und verstärkt.
ist
Denn:
We must make sure that our grasp of the meaning of community is sufficiently in tune with the real nature of the Church. Wir müssen sichergehen, dass unser Begriff von „Gemeinschaft“ mit der wirklichen Natur der Kirche zusammenpasst.
Dazu leitet er eine angemessene Haltung zur Messfeier aus dem Gegenstand der Messe, ihrem Zentrum, dem Worum-es-geht her:
The liturgy of the Church has for its primary aim to honor and glorify God, and in so doing, to sanctify our souls, leading us to an ever deeper intimacy with Jesus Christ.
Das erste Ziel der Liturgie der Kirche ist Gott zu ehren und zu verherrlichen, und dabei unsere Seelen zu heiligen, und zu immer tieferer Intimität mit Jesus Christus zu führen.
Hier ein kurzer Exkurs: Woher kennt er das Ziel der Messe?

Vielleicht hat er mal an einer teilgenommen und beim Orate fratres zugehört, wo es heißt:
Priester: Betet, Brüder [und Schwestern], dass mein und euer Opfer Gott dem allmächtigen Vater gefalle.
Messdiener/Volk: Der Herr nehme das Opfer an aus deinen Händen, zum Lob und Ruhme seines Namens, zum Segen für uns und seine ganze heilige Kirche.
Möglicherweise hat er auch das einschlägige Konzilsdokument Sacrosanctum Concilium (SC) gelesen, das an verschiedenen Stellen darauf hinweist:
SC 5: Dieses Werk der Erlösung der Menschen und der vollendeten Verherrlichung Gottes, … hat Christus, der Herr, erfüllt, besonders durch das Pascha-Mysterium: sein seliges Leiden, seine Auferstehung von den Toten und seine glorreiche Himmelfahrt.
SC 7: Um dieses große Werk voll zu verwirklichen, ist Christus seiner Kirche immerdar gegenwärtig … In der Tat gesellt sich Christus in diesem großen Werk, in dem Gott vollkommen verherrlicht und die Menschheit geheiligt werden, immer wieder die Kirche zu, seine geliebte Braut.
SC 10: Aus der Liturgie, besonders aus der Eucharistie, fließt uns wie aus einer Quelle die Gnade zu; in höchstem Maß werden in Christus die Heiligung der Menschen und die Verherrlichung Gottes verwirklicht, auf die alles Tun der Kirche als auf sein Ziel hinstrebt.
[Übrigens erwähnt Bischof Athanasius in seinem zweiten Video zur Lehre aus dem alten Katechismus die Verherrlichung Gottes und die Heiligung des Menschen als den Seinsgrund der Menschheit schlechthin.]

Wenn man in SC ausdauernd weiterliest, findet man gegen Ende noch den Hinweis:
SC 104: Im Kreislauf des Jahres hat die Kirche auch die Gedächtnistage der Martyrer und der anderen Heiligen eingefügt, die, durch Gottes vielfältige Gnade zur Vollkommenheit geführt, das ewige Heil bereits erlangt haben, Gott im Himmel das vollkommene Lob singen und Fürsprache für uns einlegen. In den Gedächtnisfeiern der Heiligen verkündet die Kirche das Pascha-Mysterium in den Heiligen, die mit Christus gelitten haben und mit ihm verherrlicht sind. Sie stellt den Gläubigen ihr Beispiel vor Augen, das alle durch Christus zum Vater zieht, und sie erfleht um ihrer Verdienste willen die Wohltaten Gottes.
Schließlich ist nicht unwahrscheinlich, dass Dr. Kwasniewski die Tridentinische Messordnung kennt, nach welcher der Priester zwischen Handwaschung und Orate fratres, etwas verneigt und die gefalteten Hände auf den Altar gelegt, das Aufopferungsgebet zur allerheiligsten Dreifaltigkeit betete:
Súscipe, sancta Trinitas, hanc oblatiónem, quam tibi offérimus ob memóriam passiónis, resurrectiónis, et ascensiónis Jesu Christi, Dómini nostri: et in honórem beátæ Maríæ semper Vírginis, et beáti Joannis Baptistæ, et sanctórum Apostolórum Petri et Pauli, et istórum et ómnium Sanctórum: ut illis profíciat ad honórem, nobis autem ad salútem: et illi pro nobis intercédere dignéntur in coelis, quorum memóriam ágimus in terris. Per eúndem Christum, Dóminum nostrum. Amen.
Nimm an, heilige Dreifaltigkeit, dieses Opfer, welches wir dir darbringen zum Gedächtnis von Leiden, Auferstehung und Himmelfahrt Jesu Christi, unseres Herrn, und zu Ehren der seligen, stets jungfräulichen Maria, des seligen Johannes des Täufers, der heiligen Apostel Petrus und Paulus, sowohl jener als auch aller Heiligen, dass es ihnen zur Ehre, uns aber zum Heil gereiche, und jene im Himmel für uns einzutreten geruhen mögen, deren Gedächtnis wir auf Erden begehen. Durch Christus, unseren Herrn. Amen.
(Hinweis: Nach der neuen Messordnung sagt der Priester stattdessen: nichts.)

Aus Stellen wie den im Exkurs kursiv wiedergegebenen könnte Dr. Kwasniewski zu seiner Beobachtung
First and foremost, when we worship we are in the presence of God and of His angels and saints.
Zuallererst sind wir bei der Anbetung in der Gegenwart von Gott und von seinen Engeln und Heiligen.
angeregt worden sein. Gemeinschaft ist richtig als Gemeinschaft der pilgernden Kirche (wir hier auf Erden) mit der triumphierenden Kirche (den Heiligen im Himmel) verstanden, nicht so sehr als Geselligkeit der Kirchgänger (oder Teilnehmer an anderen Gemeindeveranstaltungen) untereinander.

Jedenfalls schlussfölgert Dr. Kwasniewski
Reverence, solemnity, and majesty belong to worship precisely because it is no mere human gathering, but a momentary opening up of our world to the life and grace of the heavenly Jerusalem. … The glorious reality of the communion of saints should decisively shape the way we worship publicly. [Hervorhebung im Original]
Ehrfurcht, Feierlichkeit und Würde gehören zur Anbetung, gerade weil sie keine bloß menschliche Versammlung ist, sondern eine vorübergehende Öffnung unserer Welt auf Leben und Gnade des himmlischen Jerusalems hin. … Die herrliche Wirklichkeit der Gemeinschaft der Heiligen sollte die Weise unserer öffentlichen Anbetung bestimmen.
Ich möchte ergänzen: da was wir beten beeinflusst wie wir beten scheint es mir wünschenswert, dass viele Priester die Gelegenheit hätten, die im Paulinischen Missale verlorenen Gebete des alten Ritus zu kennen und in ihre Spiritualität zu integrieren.

Original und Fälschung (Freitag der 3. Fastenwoche)

Latein:
Córdibus nostris, quæsumus, Dómine, grátiam tuam benígnus infúnde, ut ab humánis semper retrahámur excéssibus, et mónitis inhærére valeámus, te largiénte, cæléstibus. Per Dóminum.
Übersetzt:
Unseren Herzen, bitten wir, Herr, gieße gütig deine Gnade ein, dass wir von menschlichen Ausschweifungen immer abgehalten und würdig werden, die vorhergesagten himmlischen [Güter], von dir geschenkt, zu erben.
Messbuch:
Gütiger Gott, lass deine Gnade mächtig werden in unseren Herzen, damit wir imstande sind, unser eigenes Begehren zu meistern und den Anregungen deines Geistes zu folgen.

Sonntag, 24. März 2019

Original und Fälschung (3. Fastensonntag)

Tagesgebet:
Deus, ómnium misericordiárum et totíus bonitátis auctor, qui peccatórum remédia in ieiúniis, oratiónibus et eleemósynis demonstrásti, hanc humilitátis nostræ confessiónem propítius intuére, ut, qui inclinámur consciéntia nostra, tua semper misericórdia sublevémur.
Übersetzung:
Gott, jeder Barmherzigkeit und aller Güte Urheber, der du Heilmittel für die Sünder in Fasten, Beten und Almosen gezeigt hast: dieses Bekenntnis unserer Demut sieh gnädig an, damit, die wir gebeugt wurden durch unser Gewissen, durch deine immerwährende Barmherzigkeit aufgerichtet werden mögen.
Messbuch:
Gott, unser Vater, du bist der Quell des Erbarmens und der Güte, wir stehen als Sünder vor dir, und unser Gewissen klagt uns an. Sieh auf unsere Not und lass uns Vergebung finden durch Fasten, Gebet und Werke der Liebe.

Samstag, 23. März 2019

Evangelium vom Grummeligen Bruder

Nicht immer ist der Zusammenhang der Anregungen, welche die Heilige Mutter Kirche uns täglich zur Betrachtung vorlegt, auf den ersten Blick zu erkennen. Heute hängt die Latte so niedrig, dass mir etwas auffällt.
Im Evangelium vom Grummeligen Bruder erzählt Jesus den Pharisäern und Schriftgelehrten, die sich über seinen Umgang mit Zöllnern und Sündern empören, die Geschichte vom folgsamen Sohn, der seinem Vater in allem dient, den Nutzen davon aber nicht recht sieht, so dass, als sein nutzloser Bruder, der das frühzeitig eingeforderte Erbteil durch zügelloses Leben durchgebracht hat und nun mittellos zurückgekrochen kommt, vom Vater mit Ehren und Freudenfest zurückwillkommen geheißen wird, es aus ihm herausplatzt: „Mir aber hast du nie auch nur einen Ziegenbock geschenkt“.
Welche, könnte ich als identifikatiosnfreudiger Hörer des Gleichnisses, der unter der Last der Gebote ächzt (Wie in: „mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht“?) und schon lange das Freudenfest der Vergebung in der Beichte nicht erfahren hat, weil ich (vielleicht) so fromm vor mich hinlebe, fragen, auch nur kleine Freude schenkt der himmlische Vater mir dafür?
Und da antwortet das Tagesgebet:
Latein: Deus, qui nos gloriósis remédiis in terris adhuc pósitos iam cæléstium rerum facis esse consórtes, tu, quæsumus, in ista qua vívimus nos vita gubérna ut ad illam, in qua ipse es, lucem perdúcas.
Übersetzt: Gott, der du durch herrliche Heilmittel uns, bisher noch auf Erden gestellt, schon zu Teilhabern der himmlischen Dinge gemacht hast, lenke uns, bitten wir, in diesem Leben, das wir leben, damit du uns zu jenem Licht, in dem du selbst bist, leitest.
Messbuch: Gütiger Gott, durch das Wirken deiner Gnade schenkst du uns schon auf Erden den Anfang des ewigen Lebens. Vollende, was du in uns begonnen hast, und führe uns hin zu jenem Licht, in dem du selber wohnst.
Antwort also: Teilhabe am Himmel auf Erden.
Warum merke ich sowenig davon, dass es mir nichtmal als Äquivalent eines Ziegenböckchens gilt? Da hilft der Tagesspruch zum 23.3. weiter:
Meine Seele jəschuvēv. Er leitet mich auf Pfaden der Gerechtigkeit um seines Namens willen. (Ps 23,3)

wobei jəschuvēv heißen kann: wendet er um (wie in umkehren machen, Buße tun lassen), bringt zurück (wie das verlorene Schaf) oder stellt wieder her, weshalb die Vulgata mit „reficit“ übersetzt, das „neu machen“ heißt, von der gleichen Wurzel wie das Refektorium (der klösterliche Speisesaal), was einerseits auch aus dem Zusammenhang [der Vorgängervers spricht von grünen Auen und stillen Wassern, zu denen der Herr als guter Hirt mich leitet] naheliegt und die Wiedergabe im Deutschen mit „erquickt mich“, „gibt mir neue Kraft“, „stärkt und erfrischt“ erklärt. [Die Einheitsübersetzung hatte früher „er stillt mein Verlangen“ (freie Phantasieleistung?), seit 2016 dann „Meine Lebenskraft bringt er zurück.“ (winziges Stückchen näher).] Andererseits klingt das Neumachen der Eucharistie, das lässliche Sünden wegnimmt und im Guten bestärkt, durch. Denn: „Was die leibliche Speise in unserem leiblichen Leben, bewirkt die Kommunion auf wunderbare Weise in unserem geistlichen Leben. Die Kommunion … bewahrt, vermehrt und erneuert das in der Taufe erhaltene Gnadenleben. … Die Kommunion trennt uns von der Sünde.… Darum kann uns die Eucharistie nicht mit Christus vereinen, ohne uns zugleich von den begangenen Sünden zu reinigen und vor neuen Sünden zu bewahren. … Wie die leibliche Nahrung dazu dient, die verbrauchten Kräfte wiederherzustellen, so stärkt die Eucharistie die Liebe, die im täglichen Leben zu erlahmen droht. Diese neubelebte Liebe tilgt die läßlichen Sünden.“ (KKK 1392-1394) So gesehen finde ich die Übertragung in der Zürcher Bibel („gibt mir neues Leben“) ganz schick.

Hier wird der Kreis zum Tagesgebet geschlossen: „Durch die Eucharistiefeier vereinen wir uns schon jetzt mit der Liturgie des Himmels und nehmen das ewige Leben vorweg, in dem Gott alles in allen sein wird“ (KKK 1326)


Donnerstag, 21. März 2019

Was erforderlich ist, wenn man ordentlich heiraten will

Als Beitrag zum „verbindlichen synodalen Prozess“ der deutschkirchlichen Bischöfe zur Umwälzung der Sexualmoral hier einige Gedanken aus einer weiteren Predigt von Wilhelm Molitor (17. Jhd.), von dem man lernen kann, die Dinge beim Namen zu nennen, damit man nicht angesichts neuer Erkenntnisse der Anthropologie die Zukunftsfähigkeit verliert und sprachlos wird.

Unter dem Begriff Heirat versteht man zweierlei, nämlich fleischliche und spirituelle. Die fleischliche geschieht zwischen Männern und Frauen, die geistliche zwischen Gott und der Seele. Hier geht es um die fleischliche.

Bei einer derartigen Heirat sind zwei Punkte zu beachten, nämlich die Würde der Ehe und die Eigenschaften der Brautleute.

Die Würde der Ehe besteht zuerst durch das Ansehen des Errichters, nämlich Gottes. Gott hat nämlich den Ehestand eingerichtet, die anderen Stände die Kirche. Wie also tadelnswert und zu exkommunizieren ist, wer einen durch die Kirche errichteten Stand entehrt, so viel mehr ist zu tadeln, wer den Stand, den Gott eingerichtet hat, entehrt. Für die anderen [d.h. geistlichen] Stände ist ein Probejahr vorgesehen, aber diesen [Ehe]Stand will Gott als untrennbar geehrt wissen. Weiterhin geht die Würde der Ehe aus dem heiligen Ort, an dem sie begründet wurde, hervor, nämlich dem Paradies, und aus der heiligen Zeit, nämlich vor dem Sündenfall. Weiterhin hat der Herr persönlich die Ehe geehrt, als er mit seiner Mutter und seinen Jüngern [bei der Hochzeit in Kanaa] anwesend war.

Bezüglich des zweiten Punktes (der Eigenschaften der Brautleute) sind drei Dinge erforderlich, nämlich richtige Absicht, wahre Zuneigung und vollkommene Urteilskraft.

Erstens ist die richtige Absicht erforderlich, dass nämlich der Mann die Frau oder die Frau den Mann nicht nehme wegen des Geldes oder wegen der Leidenschaft, sondern um Kinder aufzuziehen und um die Sünde der Unkeuchheit zu vermeiden.
  • Erstens, muss die Verbindung der Partner nicht wegen des Geldes erfolgen, denn sonst erschiene die Ehe eher wegen der Habgier geschlossen als wegen Gott. Solche laden nicht Gott und die selige Jungfrau Maria zu ihrer Hochzeit ein, sondern eher Mammon und den Teufel, den Fürsten der Habgierigen. Man bemerke, wie viel Übel damit verbunden ist, wenn jemand seine Töchter wegen des Geldes alten Männern gibt.
  • Weiters, soll die Ehe nicht geschlossen werden, um die Leidenschaften auszuleben, sondern um Kinder hervorzubringen. Hierüber spricht auch der Engel zu Tobias. In Tob. 6 werden die Gründe dargestellt, warum der Teufel sieben Männer, die sich mit Sara, der Tochter Raguels, vermählen wollten, tötete:
    Solche nämlich, welche die Ehe so führen, dass Gott vom Geiste ausgeschlossen wird, und deren Leidenschaften so hohl sind wie bei Pferd und Esel, die keine Einsicht haben, gewinnt der Teufel in seine Macht. Du [Tobit] aber sollst sie [die Ehe] so mit ihr [Sara] beginnen, dass du dich die ersten drei Nächte, wenn du in euer Gemach gehst, ihrer enthälst. Und nichts anderem sollst du dich mit ihr widmen als Gebeten. Wenn das für drei Nächte durchgeführt wurde, nimmst du die Jungfrau an in Gottesfurcht, nämlich mehr aus Liebe zu den Kindern als von Leidenschaft getrieben, damit der Segen in den Kindern fortwirke.
    Von Heiligen Paphnutius [Bischof im 4. Jhd.], der alle Tage seines Lebens ein sehr strenges Leben führte, wird erzählt, er betete, der Herr möge ihm zeigen, welchem der Heiligen er vom Verdienst her ähnlich sei. Und der Herr zeigte ihm einen Mann im Nachbardorf, der ihm auf befragen mitteilte: Guter Vater, meiner Frau nähere ich mich niemals aus Gründen der Leidenschaft, sondern allein um Kinder zur Ehre Gottes wegen. Und niemals erkenne ich sie außer in dieser Absicht. Daraus erhellt, dass sich einigen Verdienst erwerben können, welche den Ehestand recht ausüben. Die Eltern müssen ihre Kinder aber auch zur Verehrung Gottes erziehen, welche sie zu diesem Zweck gezeugt haben.
Das zweite, das zur Ehe erforderlich ist, ist wahre und gegenseitige Zuneigung. Zum Zeichen dieser küsst der Bräutigam bei der Trauung seine Braut in allen Ländern, denn der Kuss ist ein Zeichen der Zuneigung. Gleichfalls wird ein Ringlein gegeben, der an jenen Finger gesteckt wird, zu dem die Vene vom Herzen geht, um zu bezeichnen, dass man sich gegenseitig aus ganzen Herzen wertschätzen muss.
  • Und man liest in Tob. 10 dass Raguel und Anna ihre Tochter, als sie mit ihrem Mann von ihnen Abschied nimmt, lehren, ihren Gatten mehr zu lieben als Vater und Mutter, und ihm mehr zu gehorchen.
  • Gleichsam müssen die Männer ihre Frauen lieben: zum Zeichen dessen ist die Frau aus Fleisch und Knochen des Mannes gemacht worden. Daher sprach Adam beim Erwachen: Dieses nun ist Knochen von meinem Knochen und Fleisch von meinem Fleisch. Dessenwegen wird der Mensch (also der Mann) Vater und Mutter verlassen und seiner Frau anhängen, und die zwei werden ein Fleisch sein (Gen. 2). Hast du eine Frau, die dir entspricht? Verstoße sie nicht! (Sir 7,26) Zum Beispiel Rachel: für welche Jakob vierzehn Jahre diente, und sie schienen ihm nur wenige Tage vor lauter Liebe (Gen. 20).
  • Aber ach viele lieben ihre Frauen nicht, sondern streiten lieber mit ihr, während doch der Apostel spricht (Eph. 5) Männer liebt eure Frauen und seid nicht herb gegen sie. Gleichfalls Spr. 5: Freue dich mit der Frau deiner Jugend. Er sagt nicht: „streite“. Aber viele sehen ihre Frauen als ihre Mägde an, obwohl der Herr als er die Frau machen wollte sprach (Gen. 2) Lasst uns eine Hilfe machen ihm ähnlich, nicht „eine Magd“. Und siehe: er machte sie nicht aus dem Fuß, damit sie nicht seine Magd sei, und nicht aus seinem Kopf, damit sie nicht seine Herrin sei, sondern aus seiner Seite, damit sie seine Gefährtin sei.
  • Jedenfalls müssen die Männer mit Recht ihre Frauen in Ehren halten. Nämlich sagt Spr. 12: Eine liebende Frau ist eine Krone für ihren Mann, und Sir 26: Wie die Sonne aufstrahlt in den Höhen so die Schönheit einer guten Frau ein Schmuck ihres Hauses. Und (Sir 25,11 Vulgata) Selig wer wohnt mit einer verständigen Frau. Rechtmäßig müssen wir das weibliche Geschlecht ehren, weil der Herr es geehrt hat. Denn die ganze Substanz seines Fleisches nahm er von einer Frau an, nicht von einem Mann. Ester 6: Rechtmäßig wird geehrt, den der König ehren wollte.
Drittens bedarfs es in der Ehe der Urteilkraft, damit der Mensch besonnen sei und zu unterscheiden weiß Zeit und Weise, Ort und Maß.
  • Über die Zeit sagt Koh 3: Es gibt eine Zeit zu umarmen und eine Zeit die Umarmung zu lösen. Augustinus sagte, dass Christen manchmal mit ihren Frauen zusammenkommen müssen, manchmal nicht. An Prozessions- und Fastentagen hat man sich zu enthalten, damit man leichter erbitten kann, was gefordert wird. Weiters, zur Zeit wann die Frau schwanger ist. Weiters, während der Regel. Und dann Lev. 18: Einer Frau, die die Regel hat, sollst du nicht nahen.
  • Weiters, es ist die angemessene Weise zu beachten. Hieronymus sagt: Männer sollen sich nicht bloß von fremden Frauen völlig fernhalten, sondern auch bei den eigenen Zeit und Weise beachten. Der Mensch darf nicht auf tierische Weise seine Frau erkennen. 
  • Weiters, der Ort: nicht an einem heiligen oder öffentlichen Ort.
  • Weiters, das Maß: es gebe nicht der heftigste Trieb das Maß vor. Sagt ein gewisser Exeget [Peter Lombard] über 1. Kor 7 „Jeder heftige Liebhaber seiner eigenen Frau ist ein Ehebrecher“, was so zu verstehen ist: wann die Begierde so groß und maßlos ist, dass man sie erkennt, auch wenn es nicht die eigene wäre. Weiters, man muss unterscheiden bei der Zuteilung des Gebührenden. Wenn nämlich die Frau schamhaft ist und nicht wagt, dass Gebührende zu erbitten, muss der Mann von selbst darauf achten, dass er nicht zu sehr errege und in Sünde falle.

Mittwoch, 20. März 2019

Die Fassungskraft der Gläubigen

Nach der Darbringung der eucharistischen Gaben folgt in beiden Messordnungen die Selbstaufopferung:
Laß uns, Herr, im Geiste der Demut und mit zerknirschtem Herzen bei dir Aufnahme finden. So geschehe unser Opfer heute vor deinem Angesicht, dass es dir wohlgefalle, Herr und Gott.
Im Novus Ordo werden ggf. Opfergaben und Altar mit Weihrauch geehrt (ohne Worte), worauf die Handwaschung folgt, zu welcher der Priester still Ps 51,4 betet:
Herr, wasch ab meine Schuld, von meinen Sünden mach mich rein.
Das war das.
Dieser Ritus ist wahrhaft „knapp, durchschaubar und frei von unnötigen Wiederholungen“ sowie „der Fassungskraft der Gläubigen angepaßt“ (SC 34).

Im Tridentinischen Ritus folgte nach der Selbstaufopferung zunächst eine Anrufung des Heiligen Geistes:
[Der Priester] hat aufrecht stehend die Hände ausgebreitet, führt sie, in die Höhe gestreckt zusammen, während er die Augen zum Himmel erhoben und sogleich niedergeschlagen hat, und spricht:
Komm, heiligender allmächtiger ewiger Gott
Er segnet die Opfergaben, fortfahrend:
und segne dieses Opfer, deinem Namen dargebracht.
Wenn dann Weihrauch gebraucht wurde, betete der Priester
  • bei der Segnung des Weihrauchs:
    Auf die Fürsprache des seligen Erzengels Michaels, der zur Rechten des Räucheraltares steht, und aller seiner Auserwählten, geruhe der Herr diesen Weihrauch zu segnen und als duftenden Wohlgeruch annehmen. Durch Christus, unseren Herrn. Amen.
  • beim Beräuchern der Gaben:
    Dieser von dir gesegnete Weihrauch steige zu dir auf, Herr, und es steige herab über uns deine Barmherzigkeit.
  • beim Beräuchern des Altares (Ps 141,3f):
    Gelenkt werde, Herr, mein Gebet – wie Weihrauch – vor dein Angesicht: das Erheben meiner Hände wie ein Abendopfer. Stelle, Herr, eine Wache vor meinen Mund und die Öffnung der Umfassung meiner Lippen: dass mein Herz nicht zu Worten der Bosheit abweicht, zu Ausflüchten und Beschönigungen der Sünde.
  • bei der Rückgabe des Rauchfasses an den Diakon:
    Entzünden möge der Herr in uns das Feuer seiner Liebe und die ewige Flamme der Nächstenliebe. Amen.
Bei der anschließenden Handwaschung betete der Priester Ps 26,6-12:
Waschen will ich in Unschuld meine Hände und deinen Altar, HERR, umschreiten,
um laut das Lob zu verkünden und all deine Wunder zu erzählen.
HERR, ich liebe die Stätte deines Hauses und den Wohnort deiner Herrlichkeit.
Raff nicht hinweg mit den Sündern meine Seele, mein Leben nimm nicht mit den Blutmenschen!
An ihren Händen klebt Schandtat, ihre Rechte ist voll von Bestechung.
Ich aber gehe meinen Weg in Lauterkeit. Erlöse mich und sei mir gnädig!
Mein Fuß steht auf ebenem Grund. Den HERRN will ich in den Versammlungen preisen.
Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist
wie es war im Anfang und jetzt und immer und in Ewigkeit. Amen
Vielleicht geht es nur mir so, aber das scheint mir nicht völlig undurchschaubar oder außerhalb jeder Fassungskraft, sondern vielmehr von dem Geist durchdrungen, welcher der Heiligkeit der bevorstehenden Handlung angemessen ist.

Dienstag, 19. März 2019

Lern Demut mit Bernard

Aus den Werken des Hl. Bernard:
Cogita o homo
unde veneris, & erubesce
ubi sis, & ingemisce
quo vadis, & contremisce.


Betrachte, Mensch,
woher du kommst – und erröte,
wo du bist – und seufze,
wohin du gehst – und erzittere.


o homo attende
quis te fecit
de quo te fecit
qualem te fecit:
Deus est qui te fecit, ut eum timeas.
De terra te fecit, ut non superbias.
Et ad imaginem suam te fecit, ut eum diligas.


O Mensch, merk auf,
wer dich machte,
woraus er dich machte,
wie er dich machte.
Gott ist’s, der dich machte, dass du ihn fürchtest.
Aus Staub macht’ er dich, dass du dich nicht brüstest.
Und nach seinem Bild macht’ er dich, dass du ihn liebest.

Geheimnisse müssen erfüllt werden

  • Dem Evangelisten Matthäus ist wichtig zu zeigen, dass im Leben und Wirken Jesu die Schriften (also die messianischen Verheißungen) erfüllt wurden.
  • Jesus überzeugt Johannes ihn zu taufen, indem er auf die Gerechtigkeit, die ganz erfüllt werden müsse, hinweist.
  • Ein alter Autor (Optatus Milevitanus, † vor 400) erläutert, dass der Salbung Jesu durch den Heiligen Geist die Taufe vorangegangen sei, nicht weil Jesu der Reinigung durch Wasser bedurft hätte, sondern damit die Geheimnisse der Taufe „begonnen, geordnet und erfüllt/vollendet“ werden.
  • Das II. Vatikanische Konzil ordnete das liturgische Jahr neu, „damit die Frömmigkeit der Gläubigen durch die Feier der christlichen Erlösungsgeheimnisse, ganz besonders des Pascha-Mysteriums, genährt werde“ und „die Herzen der Gläubigen vor allem auf die Herrenfeste hingelenkt werden, in denen die Heilsgeheimnisse das Jahr hindurch begangen werden.“ (Sacrosanctum concilium 107f.).
Genug Anhaltspunkte anzunehmen, dass die Heilsgeheimnisse (salutis mysteria) erfüllt werden müssen (implenda) und die Kirche sie zu diesem Zweck hüten soll (servet).
Was liegt da näher, als den Heiligen Josef, dem (quasi analog) der Ursprung der Heilsgeheimnisse (nämlich das Jesuskind) zur Obhut anvertraut wurde, um seine Fürsprache anzurufen? Das tut die Kirche an seinem Festtag auch, wobei sie in klammerfreudigem Latein (das zwischen zwei zusammengehörende Wörter gern alles andere, was an dieser Stelle noch gesagt werden könnte, einschiebt) ausruft:
Præsta, quǽsumus, omnípotens Deus, ut humánæ salútis mystéria, cuius primórdia beáti Ioseph fidéli custódiæ commisísti, Ecclésia tua, ipso intercedénte, iúgiter servet implénda.
Was soviel heißt wie:
Gewähre, bitten wir, allmächtiger Gott, dass deine Kirche die Geheimnisse des menschlichen Heils, dessen Ursprung du der treuen Obhut des seligen Josefs anvertraut hast, auf seine Fürsprache hin beständig bewahren möge, weil sie erfüllt werden müssen.
Was im Messbuch wird zu:
Allmächtiger Gott, du hast Jesus, unseren Heiland, und seine Mutter Maria der treuen Sorge des heiligen Josef anvertraut. Höre auf seine Fürsprache und hilf deiner Kirche, die Geheimnisse der Erlösung treu zu verwalten, bis das Werk des Heiles vollendet ist.

Würden wir stattdessen heute den Dienstag der zweiten Fastenwoche begehen, würde die Kirche beten:
Custódi, Dómine, quæsumus, Ecclésiam tuam propitiatióne perpétua, et quia sine te lábitur humána mortálitas, tuis semper auxíliis et abstrahátur a nóxiis, et ad salutária dirigátur.
Was bedeutet:
Behüte, Herr, bitten wir, deine Kirche durch andauernde Gunst, und weil sie ohne dich in menschlicher Sterblichkeit versinkt, halte sie durch deine Hilfen stets von Schädlichem fern und lenke sie zu Heilbringendem.
Im Messbuch wird daraus:
Herr, unser Gott, behüte deine Kirche und verlass sie nicht. Wir sind dem Tod verfallen und gehen ohne dich zugrunde. Hilf uns, alles zu meiden, was uns schadet, und zu suchen, was uns zum Heil dient.
In beiden Fällen scheint mir die Gedankenrichtung in etwa erfasst, allerdings beim Bemühen um pastorales Deutsch etwas in den Hintergrund getreten zu sein.

Montag, 18. März 2019

Sagt untereinander die Wahrheit! Richtet in euren Stadttoren der Wahrheit gemäß (Sach 8,16)

Das heutige Tagesevangelium (Lk 6,36 ff.: Richtet nicht … verurteilt nicht … sprecht frei …) wurde gerne zur Rechtfertigung großer Milde für angeklagte Freunde in Missbrauchs- und Vertuschungsprozessen (in der „Wer bin ich, das zu entscheiden“-Manier) herangezogen.

Es wird hier aber gar nicht zur Meinungsfreiheit oder Miregalismus aufgerufen, sondern (aus dem Kontext „Ihr aber liebt [auch] eure Feinde …“ Lk 6,35 ersichtlich) zur Unterschiedslosigkeit in der Güteverteilung [bzw. im Parallelzusammenhang Mt 7 zur Heucheleivermeidung].

Was aber das Richten im Sinne der Auseinandersetzung mit begangenem Unrecht betrifft, lehrt das Datumsorakel am 18. März:
Wenn ich zu einem Schuldigen sage: Du musst sterben! und wenn du ihn nicht warnst und nicht redest, um den Schuldigen von seinem schuldhaften Weg abzubringen, damit er am Leben bleibt, dann wird dieser Schuldige seiner Sünde wegen sterben; sein Blut aber fordere ich aus deiner Hand zurück. (Ez 3/18)




Sonntag, 17. März 2019

Datumsspielerei

Im Nachgang zum pi-Tag (in manchen Ländern schreibt man den 14. März ja als 3/14) twitterten einige Leute Bibelverse passend zum Datum (nur das geeignete Buch muss jeweils gefunden werden).

Dieses Unterfangen scheint mir heute wenig ergiebig zu sein:
Bei Matthäus bekommen wir zum 17,3 die Parallelstelle zum Tagesevanglium (Verklärung Jesu), und wenn wir stattdessen den Monat als Kapitel und den Tag als Vers nehmen:
Mt 3,17: Und siehe, eine Stimme aus dem Himmel sprach: Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe.
Dieselbe Nachricht, diesmal aus dem Bericht zur Taufe Jesu.
Und wollte ich ans Ende der Welt fliehen, oder hier: im Johannesevangelium nachschauen:
Joh 17,3: Das aber ist das ewige Leben: dass sie dich, den einzigen wahren Gott, erkennen und den du gesandt hast, Jesus Christus.
Okay, dann geht es heute wohl darum, Jesus als den zu erkennen, der er ist.

Samstag, 16. März 2019

Der unwürdige Diener

Auf das Glaubensbekenntnis folgt in der ordentlichen Form des lateinischen Ritus das Gebet der Gläubigen (die Fürbitten), dann unter dem Gesang des Offertoriums (eines Liedes der Gemeinde) die Gabenbereitung. Dann informiert das Messbuch und spricht:
Es ist nützlich, dass die Gläubigen ihre Teilnahme am Opfer deutlich machen durch Herbeitragen entweder von Brot und Wein zur Feier der Eucharistie oder durch andere Gaben, von denen die Bedürfnisse der Kirche oder der Armen unterstützt werden. 
Fürbitten und Kollekte als Ausdruck aktiven Teilnahme der Laien an der Messfeier sind Elemente, die im außerordentlichen Ritus keine Entsprechung haben.

Der Priester betet unterdessen, während er die Patene mit der Hostie mit beiden Händen ein wenig anhebt:
Gepriesen bist du, Herr, unser Gott, Schöpfer der Welt [Gott des Weltalls]. Du schenkst uns das Brot, die Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit. Wir bringen dieses Brot vor dein Angesicht [das wir dir opfern], damit es uns das Brot des Lebens werde.
Wenn tatsächlich kein Lied gesungen wird, darf der Priester diese Worte vernehmlich sprechen, worauf dann die Gemeinde antworten kann:
Gepriesen bist du in Ewigkeit, Herr, unser [] Gott.
[Die farblich markierten Stellen lauten im deutschen Messbuch anders als die sinngemäße Übersetzung (in Klammern).]

Während der Diakon oder Priester Wein und ein wenig Wasser in den Kelch gießt, spricht er im Geheimen:
Laß uns durch das Geheimnis dieses Wassers und Weines teilnehmen an der Gottheit dessen, der sich herabgelassen hat, unsere Menschennatur anzunehmen.
Der Priester betet danach, während er den Kelch mit der Hostie mit beiden Händen ein wenig anhebt, mit leiser Stimme:
Gepriesen bist du, Herr, unser Gott, Schöpfer der Welt [Gott des Weltalls]. Du schenkst uns den Wein, die Frucht des Weinstocks und der menschlichen Arbeit. Wir bringen diesen Kelch vor dein Angesicht [den wir dir opfern], damit er uns der Kelch des Heiles [ein geistiger Trank] werde.
Diese Gebete sind wohl angelehnt an jüdische Tischgebete (Gepriesen bist du, JHWH unser Gott, Schöpfer der Welt, für Speise und Trank: Durch sie gewährst du uns Leben und Freude. Gepriesen bist du in Ewigkeit).

Es ist (mir) unklar, ob die Betonung des Beitrags der „menschlichen Arbeit“ auch die Teilnahme der Laien betonen soll oder ein Ausdruck der Begegnung auf Augenhöhe mit unserem Freund Jesus ist. In die falsche Richtung geht es allemal, besonders wenn man sich ansieht, was dafür verloren ging:

In der außerordentlichen Form schloss sich an das Credo untermittelbar die Gabenbereitung an, die mit dem Offertorium (hier: ein kurzes Gebet aus dem Proprium der jeweiligen Messe) begann, z.B. für den zweiten Fastensonntag:
Meditabor in mandatis tuis, quae dilexi valde: et levabo manus meas ad mandata tua, quae dilexi.
Ich habe meine Lust an deinen Geboten, die ich liebe, und werde meine Hände aufheben zu deinen Geboten, die ich liebhabe. (Ps 119, 47f.)
Dann folgten (im Prinzip wie im Novus Ordo) drei Gebete, deren Übersetzung ich hier im vereinfachten Verfahren nach dem Marienwalder Messbuch übernehme, nämlich:

Bei der Darbringung des Brotes das Suscipe, sancte Pater:
Nimm, heiliger Vater, allmächtiger ewiger Gott, diese makellose Opfergabe gnädig an. Dir, meinem lebendigen, wahren Gott, bringe ich, dein unwürdiger Diener, sie dar für meine unzähligen Sünden, Fehler und Nachlässigkeiten. Ich opfere sie auf für alle Umstehenden und alle Christgläubigen, für die Lebenden und Verstorbenen. Gib, daß sie mir und ihnen zum Heile gereiche für das ewige Lehen. Amen.
Die fett wiedergegebenen Worte halte ich für ein Beispiel der Intimität zwischen Priester und Gott, welche die Messe aller Zeiten so wertvoll macht. Sie entstanden wohl ab dem achten Jahrhundert als Apologien oder Privatandachten des Priesters, wurden schnell populär und Teil der „priesterlichen Spiritualität in der Messe“. Diese wurde 1969 dann abgeschafft.

Beim Vermischen von Wasser und Wein betete Diakon oder Priester:
Gott, du hast den Menschen in seiner Würde wunderbar erschaffen und noch wunderbarer erneuert; laß uns durch das Geheimnis dieses Wassers und Weines teilnehmen an der Gottheit dessen, der sich herabgelassen hat, unsere Menschennatur anzunehmen: Jesus Christus, dein Sohn, unser Herr, der mit dir lebt und herrscht in der Einheit des heiligen Geistes, Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
Allein die grünen Worte haben sich in die neue Form gerettet.

Bei der Darbringung des Kelches wurde gebetet:
Wir opfern dir, Herr, den Kelch des Heiles und flehen deine Güte an: laß ihn, uns zum Segen und der ganzen Welt zum Heile, wie lieblichen Wohlgeruch vor das Angesicht deiner göttlichen Majestät emporsteigen. Amen.
Voll biblischer Anklänge, z.B.
  • calix salutaris (heilbringender Kelch): Ps 116, 13 (Den Becher des Heils will ich erheben, anrufen den Namen des HERRN.)
  • odor suavitatis (lieblicher Geruch): Eph 5,2 (Christus, der sich selbst für uns hingegeben hat als Gabe und Schlachtopfer, Gott zu einem duftenden Wohlgeruch)
Aber wer braucht noch die Heilige Schrift, wenn er die „gelebte Wirklichkeit“ als Offenbarungsquelle hat 😖

Freitag, 15. März 2019

Warum der Heilige Geist die Gestalt einer Taube annehmen wollte

Anlasslos, d.h. ohne Verbindung zur liturgischen Zeit, einige Gedanken aus einer Predigt von Wilhelm Molitor, die zeigen, mit welch anschaulichen Bildern man seinerzeit (AD 1649) den Glauben lehrte und die Herzen anspornte.
Nun müssen wir aber sehen, warum der Heilige Geist die Gestalt einer Taube annehmen wollte. Das müssen wir wissen, weil jene, die den Heiligen Geist annehmen wollen, auch die Gestalt einer Taube haben müssen. Die Taube hat aber sieben Eigenschaften, die wir geistlich haben müssen, wenn wir die sieben Gaben des Heiligen Geistes annehmen wollen.
Erstens: „Wie die Tauben seufzen wir nachdenklich“ (liest sich das Wortspiel* aus Jes 59,11 nach der Vulgata): Das Nachdenken führt zur Trauer nach dem Wort des Hl. Bernhard: „Bei all deinem Tun, o Mensch, bedenke deine Letzten Dinge: den Schrecken des Todes, das Zittern vor Gericht, die Strafe der Hölle, das Elend des gegenwärtigen Lebens und die eigene Vergänglichkeit.“ und du wirst nicht sündigen (vgl. Sir 7,36). Oder auch „Der Weise fürchtet sich und meidet das Böse.“ (Spr 14,16). So ist die erste Gabe des Heiligen Geistes nach Augustinus das Vermeiden des Bösen. „Die Gabe der Furcht ist dem Menschen sehr nötig zum Heil.“

Zweitens: Tauben haben wie andere Vögel die Eigenschaft, fremde Kücken, die von den Eltern verlassen sind, zu atzen. Das symbolisiert die zweite Gabe des Heiligen Geistes, die Mildtätigkeit (pietas, das auch bedeutet: Frömmigkeit, Pflichterfüllung, Nächstenliebe, Barmherzigkeit …)

Drittens: Tauben zeichnen sich durch Einfalt aus, d.h. sie handeln ohne List und Tücke (vgl. Mt 10,16). Durch Einfalt erwirbt man die dritte Gabe des Heiligen Geistes, nämlich Einsicht (scientia). Die Ausübung dieser Gabe lehrt den Menschen, sich richtig zu betragen inmitten eines falschen, verdrehten Volkes (vgl. Deut 32,5) Augustinus definiert Einsicht als Erkenntnis menschlicher und göttlicher Dinge; durch sie lernt der Mensch Gut und Böse zu unterscheiden.

Viertens: Tauben halten sich gern in Felslöchern auf. Hier wird der Fels als Christus und die Löcher als die fünf Wunden gedeutet und gefolgert: wer den Geist empfangen will, muss gerne die Wunden Christi meditieren. Dies verleiht die Gabe der Stärke, nämlich beim Ertragen von Widrigkeiten (nach Jesu Beispiel, der seine Qualen gleichmütig, ohne Zorn erduldete)

Fünftens: Tauben pflegen die besseren Körner zu wählen und die geringeren zu verwerfen. Entsprechend soll man die besseren Lehren wählen (d.h. vielen zuhören und die besten Lehren zur Nachahmung wählen). Daraus folgt die fünfte Gabe, nämlich Rat, d.h. das Unterscheidungsvermögen, was man tun und lassen soll.

Sechstens: Tauben pflegen am Wasser zu sitzen und wenn sie im Wasser den Schatten eines Habichts sehen zu fliehen. Wasser symbolisiert die Heilige Schrift, die wir gerne lesen müssen (=dabei sitzen), damit wir den Schatten des Teufels, der die Seele rauben will, erkennen, nämlich die Sünde. Denn wo der Schatten ist, ist der Teufel nicht fern. Die sechste Gabe des Geistes ist also Erkenntnis, durch welche der Mensch aus den Irdischen, die er sieht, die Himmlischen, die er nicht sieht, erkennt, also aus den Geschöpfen den Schöpfer. (Röm 1,20: Seit Erschaffung der Welt wird nämlich seine [Gottes] unsichtbare Wirklichkeit an den Werken der Schöpfung mit der Vernunft wahrgenommen; Weisheit 13,5: Denn aus der Größe und Schönheit der Geschöpfe wird analog ihr Schöpfer erschaut). Das ist also die Gabe der Erkenntnis, dass der Mensch seinen Schöpfer, den er nicht sieht, aus dem, was er sieht, erkennen kann.

Siebtens: Wenn die Taube ruhen will, fliegt zu ihrem Nest und ruht nirgends sonst aus (wie die Taube Noahs in Gen 8 zur Arche zurückkehrt, weil sie sonst nirgends zur Ruhe kommen kann). Oder die Brieftauben ruhen nicht, bis sie zu ihrem Schlag zurückgekehrt sind. Dies bezeichnet, dass jene, die den Heiligen Geist empfangen wollen, ihre Ruhe nicht in vergänglichen Dingen suchen sollen, sondern in ihrem Nachdenken fliegen müssen, bis sie zu ihrem Nest kommen, d.h. zur Betrachtung der himmlischen Dinge und Gottes, von dem wir kommen und von dem wir geschaffen sind; dort finden wir Ruhe und nirgends sonst. Ps 55,7: „Da dachte ich: Hätte ich doch Flügel wie eine Taube, dann flöge ich davon und käme zur Ruhe.“ Dadurch erhält man die siebente Gabe des Heiligen Geistes, nämlich Weisheit (sapientia), d.h. Erkenntnis der ewigen Dinge, wenn man aus den Betrachtungen der oberen Dinge beginnt die himmliche Süße zu schmecken/verstehen [sapere]. Isidor lehrt: Weisheit heißt gewissermaßen die ewigen Dinge betrachten und sich an ihnen zu erfreuen.


Erläuterung des Wortspiels
* Das Wort hagah bedeutet eigentlich murmeln, (leise) reden wie in
Ps 71,4: meine Zunge soll von deiner Gerechtigkeit reden den ganzen Tag
Ps 35,28: Und meine Zunge soll hersagen deine Gerechtigkeit, dein Lob den ganzen Tag.
Job 27,4: wenn meine Zunge Trug ausspricht
dann durch Erweiterung nachdenken, überlegen, planen wie in
Ps 63,7: wenn ich ... über dich nachdenke in den Nachtwachen
Ps 77,13: Ich will nachdenken über all dein Tun, und über deine Taten will ich sinnen.
Ps 38,13: Die nach meinem Leben trachten, … sinnen auf Betrug den ganzen Tag
oder von Tieren gesagt: leise Geräusche machen, z.B.
Jes 31,4: Wie knurrt der Löwe und der Junglöwe über seiner Beute
Jes 38,14: ich gurrte wie die Taube
In Jesaja 59,11 wird hagah doppelt (zur Verstärkung) benutzt, und das wird in der damals verbreiteten lateinischen Übersetzung (Vulgata) zu
Jes 59,11: quasi columbae meditantes gememus (wie die Tauben gurren wir nachdenklich)
Da gemere, das poetisch von Tieren ausgesagt krächzen, brüllen, wiehern, gurren bedeutet, auf Personen angewendet aber soviel wie seufzen, stöhnen, ächzen heißt, kommen wir von Jesajas „intensiv gurren“ zu dem hier verstandenen „nachdenklich seufzen“.




Donnerstag, 14. März 2019

Glühende Kohlen

Der Gültigkeitsbereich der bereits zitierten Einsicht Fiedrowiczs
Indem der Zutritt zum Altar im Stufengebet gleichsam schrittweise erbetet wird und von fortwährenden Entsündigungsbitten begleitet ist, zeigt der Ritus eindringlich, wie mit der je größeren Nähe zu Gott das immer stärkere Verlangen einhergehen muß, seiner Heiligkeit zu entsprechen.
beschränkt sich nicht auf das Eingangsphase.
Vor dem Evangelium etwa betete der Priester bzw. Diakon:
Reinige mein Herz und meine Lippen, allmächtiger Gott, der du die Lippen des Propheten Jesaja mit glühenden Kohlen gereinigt hast: so geruhe mich durch dein Mitleid zu reinigen, dass ich vermag, dein heiliges Evangelium [glaub]würdig zu verkünden. Durch Christus, unseren Herrn. Amen.
Danach erbittet er den Segen, und der Priester spricht:
Der Herr sei in deinem Herzen und auf deinen Lippen, dass du würdig und angemessen sein Evangelium verkündest. Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen
(bzw. ersetzt, wenn er alleine zelebriert, „dein“ usw. durch „mein“ usw.)

Nach der neuen Ordnung wird, wenn ein Diakon das Evangelium verkündet, nur das untere Gebet genutzt, wenn es der Priester selbst macht, nur der farblich markierte Teil des oberen.
Naja, fast ein Drittel so gut wie vorher, würde ich sagen.


Mittwoch, 13. März 2019

Der erleichterte Gott

Gelegentlich stolpert man über Bibelverse wie Jona 3,10:
Da reute Gott das Unheil, das er ihnen angedroht hatte, und er tat es nicht.
bei denen man sich fragt, wie den ewigen, also unveränderlichen Gott etwas reuen kann, d.h. ob der Allwissende einem Sinneswandel aufgrund eines Beurteilungsfehlers unterliegen kann.

Flugs das fragliche Wort (den Niphal von nacham) in Gesenius’ Wörterbuch nachgeschlagen; es kann bedeuten:
1) es sich leid tun lassen
   a) wegen fremden Unglücks, d.h. Mitleid haben
   b) wegen eigener Handlungen, d.h. Reue empfinden
2) sich trösten
3) Rache üben (sich quasi durch die Ausübung der Rache „trösten“)
Wenn die Bedeutung „Reue empfinden“ hier nicht recht passen will, und „Rache üben“ genau das ist, was nicht passiert, kann man sich fragen, inwiefern Gott hier Mitleid haben oder sich trösten kann.

Vielleicht hilft da ein Kommentar (eigentlich zu Mt 23,37) des Hl. Johann Chrysostomos:
Deus invitus compellitur cum magno dolore peccatores condemnare. Non enim sic dolet, quia ipse ab eis offenditur, sed quia quasi violenter cogitur perdere aliquem qui omnes cupit salvare.
Gott ist wider Willen gehalten, unter großem Leid die Sünder zu verdammen. Er leidet nämlich nicht so, weil er selbst von ihnen beleidigt wurde, sondern weil er, der alle zu retten begehrt, gleichsam gewaltsam gezwungen ist, jemanden zu verderben.
Auf die fragliche Stelle angewendet: Durch die Bußübungen der Einwohner nach Jonas Predigt entfiel der „Sachzwang“ zur Zerstörung Ninives, weshalb der Schmerz, den Gott wegen der verstockten Sünder empfunden hätte, vermieden und Gott „getröstet“ war.

Das erscheint mir hinreichend sinnvoll, so dass man möglicherweise etwas freier übersetzen könnte:
Gott war erleichtert, die Strafe, die er ihnen angekündigt hatte, nicht vollziehen zu müssen.

Dienstag, 12. März 2019

Rücken an Rücken

Wenn mein (damals noch sehr junges) Töchterlein nächtens im elterlichen Bett eintraf, äußerte sie sehr genaue Vorstellungen über die einzunehmenden Positionen, nämlich zum Schlafen „Rücken an Rücken“, zum Begrüßungskuscheln aber „Nase an Nase“.

Diese Kategorien auf die Messordnung angewendet findet sich im Älteren Ritus die Zelebrationsrichtung, die Übelwollende als „mit dem Rücken zum Volk“ bezeichnen, die aber fachsprachlich „zum Sonnenaufgang“ (ad orientem) genannt wird, womit einerseits die Himmelrichtung Osten gemeint ist (nach der traditionell die Apsiden der Kirchen ausgerichtet sind), andererseits „das aufstrahlende Licht aus der Höhe“ (Lk 1,78), also der kommende Christus. Im aktuellen Ritus wird „mit dem Rücken zum kommenden Christus“ oder auch „zum Volk gedreht“ zelebriert.

Wie verhält es sich mit der Nasenrichtung?

Nach dem Kreuzzeichen zu Beginn der Messe grüßt nach der neuen Ordnung der Priester das Volk („Der Herr sei mit euch“ o.ä.), danach kann er, ein Diakon oder „ein anderer Messdiener die Gläubigen mit knappen Worten in die Messe des Tages einführen“. Das war’s zum Nasenreiben. Kein Gott, nur Volk.

Nach der älteren Ordnung beten Priester und Messdiener im Wechsel den Psalm 43:

Antiphon:
. Treten will ich zum Altare Gottes 
. zu Gott, der Freude meiner Jugend
Psalm:
. Verschaff mir Recht, o Gott, und führe meinen Rechtsstreit gegen ein treuloses Volk! Rette mich vor bösen und tückischen Menschen! 
. Denn du, o Gott, bist meine Zuflucht. Warum hast du mich verstoßen? Warum muss ich trauernd umhergehn, vom Feind unterdrückt? 
. Sende dein Licht und deine Wahrheit; sie sollen mich leiten; sie sollen mich führen zu deinem heiligen Berg und zu deinen Wohnungen. 
. So will ich kommen zu Gottes Altar, zum Gott meiner Freude und meines Jubels. 
. Ich will dir danken zur Leier, o Gott, du mein Gott. Was bist du bedrückt, meine Seele, und was ächzt du in mir? 
. Hoffe auf Gott, denn ich werde ihm noch danken. Du Heil meines Angesichts und mein Gott! 
. Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist 
. wie es war im Anfang, so auch jetzt und immer und in Ewigkeit. Amen
Antiphon:
. Treten will ich zum Altare Gottes 
. zu Gott, der Freude meiner Jugend
Der Priester bekreuzigt sich und spricht:
. Unsere Hilfe ist im Namen des Herrn 
. der Himmel und Erde erschaffen hat.

In beiden Messordnungen folgt das Schuldbekenntnis.

Was leistet der Psalm?

Antwortet Georg Mittweil [1]:
  1. Wie wir etwa zu Gott sagen: „Herr verzeih mir, sei mir barmherzig“, so sagen wir auch: „Herr, richte mich, führe meinen Rechtsstreit, bring meine Unschuld an den Tag“ (sagt der Hl. Gregor von Nazianz [Kirchenlehrer des 4. Jhd.] in seiner 28. Rede)
  2. Im zweiten Vers gibt David Gründe an, warum Gott ihm helfen soll, nämlich darum, weil er auf ihn allein als seinen Gott und seine Stärke hofft. In solcher Hoffnung aber verwundert sich David mit demütigem Klagen, warum ihn Gott gleichsam verworfen habe und trostlos unter den Feinden lasse.
  3. Dass Gott aber auch die Gerechten eine Zeit lang anscheinend verstößt, hat seine wichtigen Ursachen: 1. Damit sie dem Vergänglichen nicht zu sehr anhängen. 2. Damit sie im Guten und aller Tugend geübt werden. 3. Dass sie Gott umso inniger suchen und lieben. 4. Damit sie alle Dinge und sich selbst Gott unterwerfen. 5. Andere zu stärken und zu trösten. 6. Dass die Gottlosen Furcht schöpfen, wenn sie sehen, wie es den Frommen ergeht. 7. Dass ihr Sieg desto herrlicher scheine.
  4. Zu „Was bist du bedrückt, meine Seele“:
    a) Sankt Augustin sagt: Die Ursache deiner Traurigkeit ist die Sünde, deine Traurigkeit (also Reue um der Sünden willen) aber wird die Ursache deiner Freuden.
    b) Der Hl. Chrysostomos sagt: Sofern aber die Seele sagen würde: „und wie kann ich auf Gott hoffen, wenn ich gesündigt habe?“, nun so höre, was der Prophet weiter sagt: Ich werde ihm noch danken. Wo Dank oder Lob Platz hat, da ist große Hoffnung zu göttlicher Gemeinschaft – und darum setzt der Psalmist hinzu: du meines Angesichts Heil und mein Gott.
Warum steht der Psalm am Anfang der Messe?

Antwortet Georg Mittweil [1]:
Mit diesem Psalm fängt der christliche Priester das Opfer der Heiligen Messe an, und begehrt hiermit von Gott mancherlei Gnade.
1. Er wolle ihn von bösen Geistern befreien, weil diese ohne Zweifel einem solchen Werk Feind sind und es zu verhindern begehren, so viel sie können, durch unnütze Gedanken, Verdruss und Unandacht.
2. Dass er ihm seine Sünde vergebe, die der Heiligkeit eines solchen Opfers entgegensteht, damit es Gott dem Herrn desto angenehmer sei.
3. Er wolle ihn mit einem neuen Glanz göttlicher Erkenntnis erleuchten, das Heilige Opfer in Geist und Wahrheit nach Gottes Willen zu verrichten.
Antwortet unser Zeitgenosse M. Fiedrowicz [2]:
Der Psalm ist „bestens geeignet, zur Stimme der Kirche zu werden, die in den äußeren und inneren Bedrängnissen der Welt danach verlangt, vor Gott zu treten, sich von ihm führen zu lassen und ihn im Lobpreis seiner Treue freudig Dank zu sagen. …
Indem der Zutritt zum Altar im Stufengebet gleichsam schrittweise erbetet wird und von fortwährenden Entsündigungsbitten begleitet ist, zeigt der Ritus eindringlich, wie mit der je größeren Nähe zu Gott das immer stärkere Verlangen einhergehen muß, seiner Heiligkeit zu entsprechen.“
So kuschelt man mit Gott.



Quellen

[1] Psalter Davids, Sampt den Canticis Latein und Teutsch, mit kurzer richtiger Auslegung nach dem Verstand der vornehmsten Lehrer, in drei Teile abgeteilt. Durch Georg Mittweil der SJ Priester und Hl. Schrift Doktor. Gedruckt zu Constanz am Bodensee durch Leonhard Struub 1617 - https://books.google.de/books?id=bL5IAAAAcAAJ

[2] M. Fiedrowicz, Die überlieferte Messe. Geschichte, Gestalt und Theologie des klassischen römischen Ritus, Mülheim/Mosel 2011, S. 76 bzw. 80.; zitiert nach M. Reinecke, Dominus Vobiscum Nr. 10 März 2015, S. 31-33, https://www.pro-missa-tridentina.org/upload/dv10/DV10_05_Reinecke.pdf

Montag, 11. März 2019

Original und Fälschung (Montag der 1. Fastenwoche)

Kurz und knackig:
Convérte nos, Deus, salutáris noster, et, ut nobis opus quadragesimále profíciat, mentes nostras cæléstibus ínstrue disciplínis.
bedeutet einfach:
Bekehre uns, Gott, unser Heil, und, damit uns das vierzigtägige Werk nütze, lehre unseren Geist himmliche Zucht.
woraus im Messbuch wird:
Gott, unser Heil, gib uns die Gnade, umzukehren zu dir. Erleuchte unseren Verstand und stärke unseren Willen, damit uns diese Zeit der Buße zum Segen wird.
Erkannte Unterschiede:
  1. Wer sitzt am Steuer? Einerseits setzt das Tagesgebet voraus, dass Gott alles selbst machen muss und er es ist, der uns bekehrt, während der deutsche Messbuchtext wortreich umschreibt, dass Gott zwar Gnade gibt, das Umkehren aber wohl der Mensch übernehmen müsste. Andererseits ist das Fasten im Original ein Werk (also unser, der Gläubigen, Ding), im Deutschen aber eine Zeitspanne, quasi von uns unabhängig.
    Das Pferd wird in der Übersetzung also von hinten aufgezäumt. 
  2. Jemanden Zucht lehren mag zwar dazu führen, dessen Verstand zu erleuchten und Willen zu stärken, ist aber irgendwo nicht eine exakte Entsprechung. Indem das Mittel zur Erreichung der Erleuchtung und Stärkung unterschlagen wird, geht auch der Bezug zum Fasten verloren, der diese ganze Zeit über das Beten bestimmt: dass nämlich der körperliche Vollzug (der an uns liegt) auch geistliche Wirkungen (beispielsweise die Mäßigung ungeordneter Begierden) hervorbringe (was Gott schenken wolle).

Fazit: Wann, oh wann werden auch in Deutschland die Siebziger Jahre vorbei sein?!

Sonntag, 10. März 2019

Original und Fälschung (1. Fastensonntag)

Erklärtes Ziel der Liturgie-Reform war u.a. die leichte Fasslichkeit des hinter den Texten stehenden Heiligen, wie es SC* 21 erklärt:
Bei dieser Erneuerung sollen Texte und Riten so geordnet werden, daß sie das Heilige, dem sie als Zeichen dienen, deutlicher zum Ausdruck bringen, und so, daß das christliche Volk sie möglichst leicht erfassen und in voller, tätiger und gemeinschaftlicher Teilnahme mitfeiern kann.
* Sacrosanctum Concilium - Konstitution des 2. Vatikanischen Konzils über die heilige Liturgie

Man könnte sagen, dass man hier an Paulus anschließt, der schreibt:
Denn obwohl ihr der Zeit nach schon Lehrer sein müsstet, braucht ihr von Neuem einen, der euch in den Anfangsgründen der Worte Gottes unterweist; und ihr seid solche geworden, die Milch nötig haben, nicht feste Speise. (Hebr 5,12)
Milch gab ich euch zu trinken statt fester Speise; denn diese konntet ihr noch nicht vertragen. Ihr könnt es aber auch jetzt noch nicht. (1 Kor 3,2)
Zwar spricht der Apostel hier tadelnd über die Weltlichkeit der Angesprochenen, aber nun ja.

Jedenfalls scheinen die Übersetzer des Messbuchs ins Deutsche selbst bei der Milch der reformierten Tagesgebete noch etwas nachverdünnen gewollt zu haben.
Wir hatten an Aschermittwoch statt der kraftvollen soldatischen Bildsprache eine Salbaderei, mit der um das Wort „Kraft“ getappst wird.
Zum ersten Fastensonntag haben wir nun ein (eigentlich) kompaktes Gebet, das – eine gründliche Katechese vorausgesetzt – an Wesentliches knackig erinnert und Geheimnisvolles andeutet.
Ich zerstöre nach dieser Einleitung wohl nicht zuviel Spannung, wenn ich vorwegnehme, dass der deutsche Text weitschweifig und nichtssagend ist und seine „Kraft“ wieder nur aus der Benutzung ebendieses Wortes zieht.

Die Heilige Mutter Kirche betet heute:
Concéde nobis, omnípotens Deus, ut, per ánnua quadragesimális exercítia sacraménti, et ad intellegéndum Christi proficiámus arcánum, et efféctus eius digna conversatióne sectémur.
Das Geheimnis begegnet uns hier zwei Mal.
Zum einen in der Gestalt des arcanum, das „Verschlossenes, Unerforschliches, Geheimes“ bedeutet und von arca abstammt, das Arche (daher das deutsche Wort), Kiste oder Sarg bedeutet. Das Geheimnis Christi, von dem hier die Rede ist, spielt auf den unerforschlichen Ratschluss Gottes an, seinen einziggezeugten Sohn nicht nur Mensch werden, sondern schimpflich sterben zu lassen, und schließt alle (ver)Zweifel(ung), die Menschen befallen können, wie „Warum ist die Welt wie sie ist? Warum gibt es Leid? Warum lässt ein liebender Gott Dinge, wie sie tatsächlich passieren, zu?“ mit ein. Das Geheimnis ist aber nicht nur der Sarg, sondern darin verborgen auch die Auferstehung, der Keim des wahren und ewigen Lebens.
Zum anderen [begegnet uns das Geheimnis] als sacramentum, das erstmal eine Behelfsübersetzung für das griechische Mysterium (Geheimnis) war und vom Hl. Augustinus auf die Sieben Geheimnisse (Taufe, Firmung, Beichte, Eucharistie, Eheschließung, Weihe, Krankensalbung) bezogen wurde. Im klassischen Latein heißt es soviel wie „das, wodurch man sich oder einen anderen zu etwas verbindlich macht“, insbesondere den Diensteid des Soldaten bzw. den Kriegsdienst. Nun ist das Fasten als solches kein Sakrament im heute üblichen Sinne, aber angesichts des Exerzierens (exercítia), mit dem es im Tagesgebet in Zusammenhang gesetzt wird, und der Bildsprache des Gebets vom Aschermittwoch verstehen wir, dass die Fastenden eine Dienstverpflichtung auf sich nehmen, die eine Verbindung zum Ostergeheimnis herstellt.

Eigentlich überflüssig hier noch anzuführen, dass das proficiámus („wir mögen fortschreiten“, nämlich zum Verständnis, in meiner Übersetzung unten verkürzt zu „besser verstehen“) genausogut „marschieren“ heißen kann, wie in „viam tridui proficere - drei Tagesmärsche zurücklegen“.

Zum Verständnis eines inhaltlichen Unterschiedes zwischen meiner und der „offiziellen“ Übersetzung sei angemerkt, dass conversatio sowohl Lebenswandel als auch Sinneswandel (also Umkehr) bedeuten kann.

Dies vorausgeschickt wird das Gebet relativ wörtlich in holpriges Deutsch gebracht:
Gewähre uns, allmächtiger Gott, dass wir durch die jährlichen Exerzitien des vierzigtägigen Dienstes das Geheimnis Christi besser verstehen und seine Wirkung durch würdige Umkehr erstreben.
bzw. in verdünntem Sprachbrei ausgedrückt:
Allmächtiger Gott, du schenkst uns die heiligen vierzig Tage als eine Zeit der Umkehr und der Buße. Gib uns durch ihre Feier die Gnade, dass wir in der Erkenntnis Jesu Christi voranschreiten und die Kraft seiner Erlösungstat durch ein Leben aus dem Glauben sichtbar machen.
Als Übung für den Leser bliebe zu klären, was die Wirkung/der Effekt des Ostergeheimnisses, den wir durch Umkehr erstreben, ist, und warum dessen Kraft im Messbuchtext nur „sichtbar“ werden soll.

Samstag, 9. März 2019

Aufstieg zum Altare Gottes

Auf das Schuldbekenntnis folgt das Kyrie, und zwar nach der sogenannten Neuen oder Gewöhnlichen Messordnung unmittelbar (wenn es nicht sogar das Schuldbekenntnisses ersetzt), nach der Älteren oder Außergewöhnlichen Messordnung nicht sofort.

Denn früher betete der Priester zunächst, indem er sich bekreuzigte:
Nachlaß, Vergebung und Verzeihung unserer Sünden gewähre uns der allmächtige Gott.
danach verneigt im Wechsel mit dem Messdiener einige Psalmverse (Ps 85,7f., Ps 102,2):
Willst du uns nicht wieder beleben,
   daß dein Volk sich in dir freuen kann?
Laß uns, HERR, deine Gnade sehen,
   und gewähre uns dein Heil!
HERR, höre mein Gebet,
   und laß mein Schreien zu dir kommen!
Schließlich lud der Priester die Gemeinde zum Gebet ein („Der Herr sei mit euch“ – „Und mit deinem Geiste“ – „Lasst uns beten“), und betete, während er zum Altar aufstieg, das „Aufer a nobis“
Aufer a nobis, quǽsumus, Dómine, iniquitátes nostras: ut ad Sancta sanctórum puris mereámur méntibus introíre. Per Christum, Dóminum nostrum. Amen.
Nimm von uns, bitten wir, o Herr, unsere Sünden, dass wir mit reinem Geist in das Allerheiligste einzutreten verdienen. Durch Christus, unseren Herrn. Amen.
Dort angekommen verehrte er den Altar durch einen Kuß, was in der Neuen Form unmittelbar zum Einzug und unter dem Gesang des Introitus (hier: Eingangslieds) durch die Gemeinde geschieht, während in der Älteren Form der Priester dazu betete:
Wir bitten dich, Herr, durch die Verdienste deiner Heiligen, deren Reliquien hier ruhen (er küsst den Altar) und aller Heiligen, dass du alle meine Sünden verzeihen wollest. Amen.
Nachdem der Priester sich noch gesegnet und das Introitus (hier: das Eingangsgebet, das zu den Eigentexten des jeweiligen Messformulars gehört) gebetet hat, folgte auch in der Außergewöhnlichen Form das Kyrie.

Man erkennt wohl, dass bei den in der Neuen Form weggefallenen Texten inhaltlich eh nichts Neues dazugekommen ist. Sie also wegzulassen mag gerechtfertigt erscheinen, etwa so, wie wenn man seiner Gemahlin, der man wahrscheinlich in der Verlobungszeit von Liebe gesprochen hat, auch nicht jedes Jahr wieder damit zu kommen braucht, da der Sachverhalt ja bekannt sein sollte.

Freitag, 8. März 2019

Priester, Männer und Intimität

In einem Artikel drüben bei Church Militant (einer US-amerikanischen Kampf-Trad-Webseite) schreibt Thomas J. Loya (ein Priester, der auch eine Sendung auf EWTN Radio betreut) einen Artikel über „Männlichkeit und die Liturgie“, worin er (von Überlegungen zur Ursache der Missbrauchskrise, die er in der Herkunft der Priesteramtskandidaten aus einer Kultur, in der die sexuelle Revolution zu einem Zusammenbruch der Männlichkeit geführt hat, verortet, etwa indem er schreibt:
Now, generations of young men have been rendered handicapped in the areas most essential to priesthood: chastity, a deep, mystical sense of manhood, fatherhood, spousalhood and the ability for self-donation and mature intimacy with humans and with God the Father.

„Generationen junger Männer sind jetzt in für das Priestertum wesentlichen Bereichen beeinträchtigt: Keuschheit, einem tiefen mystischen Gefühl, was Mannsein, Vatersein oder Ehemannsein bedeutet, und der Fähigkeit zu Selbsthingabe und reifer Intimität mit Menschen und mit Gott dem Vater.“, 

kommend) fordert, „Priesteramtskandidaten müssten zu einem mystischen und praktischem Verständnis kommen, dass sie zur vollen Mannheit berufen sind in allem, was Männlichkeit bedeutet, z.B. als Ehepartner oder Vater“.

Soweit gut. Die spannende Wendung, die den Beitrag hier relevant macht, deutet sich in Sätzen wie den folgenden an:
The place where priesthood finds its fullest identity is at the altar, the Eucharist. …
The liturgy of the Church is the ultimate context for the mystical meaning of human sexuality, of complementarity, which is a sharing in the relationship of the bridegroom Christ and His bride, the Church. …
If mystical manhood, fatherhood, husbandhood and the nuptial character of the liturgy and the priesthood can be re-integrated, it will help men to know who they are as priest-men and how to be that for their bride.


Der Ort, an dem das Priestersein sich am vollständigsten verwirklicht, ist am Altar, in der Eucharistie. …
Die Liturgie der Kirche ist der letztendliche Bezugspunkt für die mystische Bedeutung der menschlichen Sexualität, der Komplementarität, die ein Teil der Beziehung des Bräutigams Christi und seiner Braut, der Kirche, ist. …
Wenn die mystische Männlichkeit, die Vaterschaft, die Ehemannschaft und der eheliche Charakter der Liturgie und des Priestertums wieder integriert werden können, wird dies den Männern helfen, zu wissen, wer sie als Priester sind und wie sie Priester und Mann für ihre Braut die Kirche sein können.
Tatsächlich finden sich in der früher üblichen Form des Messritus unzählige vom Priester leise oder „im Geheimen“ gesprochene Gebete, die mich beim ersten Lesen erschrecken ließen, welche Intimität zwischen Priester und Gott herrscht.
Die meisten davon sind in der gegenwärtig gebrauchten Form ersatzlos gestrichen.

Beispiele sollen später gegeben werden.

Nachtrag von Beispielen


 

Donnerstag, 7. März 2019

Tau mîner Tid (Confiteor)

„Zu meiner Zeit“, sprach der Onkel und bezog sich damit auf die längst vergangenen Jahre, in denen sein nun weitgehend kahler Schädel von blonden Locken bedeckt und er Messdiener gewesen war, „war das Schwerste das Confiteor, weil es so lang war und man es alleine sagen musste.“
Denn damals (also irgendwann zwischen 1570 und 1969) wurde das Schuldbekenntnis zwei Mal gebetet: zunächst vom Priester, der es „Tag für Tag nötig hat, wie die Hohepriester zuerst für die eigenen Sünden Opfer darzubringen und dann für die des Volkes“ (Hebr 7,27), worauf der Messdiener antwortete:
Misereátur tui omnípotens Deus, et, dimíssis peccátis tuis, perdúcat te ad vitam ætérnam.
also
Es erbarme sich deiner der allmächtige Gott und führe dich, nachdem deine Sünden weggenommen sind, zum ewigen Leben.
danach [wurde das Confiteor gebetet] vom Messdiener (stellvertretend für die Gemeinde), worauf der Priester für die Gemeinde um Erbarmen bat.

Heutzutage wird das in einem Aufwasch erledigt, indem alle gemeinsam beten, möglicherweise um den Auftrag des zweiten Vatikanischen Konzils, die Messe solle „frei von unnötigen Wiederholungen sein“ (Sacrosanctum Concilium 34), umzusetzen.
Außerdem soll sie „knapp“ (an gleicher Stelle) sein, weshalb(?) die im Folgenden grauen Stellen des Confiteors gestrichen wurden:
Confíteor Deo omnipoténti, beátæ Maríæ semper Vírgini, beáto Michaéli Archángelo, beáto Joánni Baptístæ, sanctis Apóstolis Petro et Paulo, ómnibus Sanctis, et vobis, fratres: quia peccávi nimis cogitatióne, verbo et opere: mea culpa, mea culpa, mea máxima culpa. Ideo precor beátam Maríam semper Vírginem, beátum Michaélem Archángelum, beátum Joánnem Baptístam, sanctos Apóstolos Petrum et Paulum, omnes Sanctos, et vos, fratres, orare pro me ad Dóminum, Deum nostrum.
Warum genau die Fürsprache der Heiligen neuerdings für unnötig erachtet wird, ist mir nicht ersichtlich. Möglicherweise hängt es damit zusammen, dass das Confiteor früher vor den Stufen des Altars und tief verneigt gebetet wurde, heute aufrecht an den Sedilien – man spricht mit Gott quasi auf Augenhöhe und bedarf der Zwischenschaltung von Vermittlern nicht.

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Mittwoch, 6. März 2019

Original und Fälschung (Aschermittwoch)

Tagesgebet für Aschermittwoch gemäß Missale Romanum, Editio typica tertia, 2002:
Concéde nobis, Dómine, præsídia milítiæ christiánæ sanctis inchoáre ieiúniis, ut, contra spiritáles nequítias pugnatúri, continéntiæ muniámur auxíliis.
was soviel bedeutet wie
Gewähre uns, Herr, die Wachposten des christlichen Kriegsdienstes mit heiligen Fasten zu beziehen, damit wir, wenn wir gegen geistliche Verdorbenheiten kämpfen müssen, durch Hilfstruppen der Selbstbeherrschung geschützt sind.
was in der deutschen Ausgabe des Messbuches widergegeben wird als
Getreuer Gott, im Vertrauen auf dich beginnen wir die vierzig Tage der Umkehr und Buße. Gib uns die Kraft zu christlicher Zucht, damit wir dem Bösen absagen und mit Entschiedenheit das Gute tun.
Die Ähnlichkeiten sind für das theologisch ungeübte Auge schwer zu erkennen.
Und: nein, ich habe nicht beim falschen Tag geguckt.