Montag, 22. April 2019

Hippikirch-Wörterbuch

Fast wäre ich geneigt, ein Deutsch-Hippikirch-Wörterbuch zusammenzustellen. Soll für einen Anfang der tabellarische Vergleich des ostermontäglichen Tagesgebetvokabulariums genügen.

Gott                                                          Gott, du Herr allen Lebens
durch neue Nachkommenschaft vermehren   durch die Taufe neue Söhne und Töchter schenken
immer                                                       Jahr für Jahr
erlauben / gewähren / gestatten                   geben
deine Diener                                              alle Christen


Zur Einübung im Textzusammenhang:
Original:
Deus, qui Ecclésiam tuam nova semper prole multíplicas, concéde fámulis tuis, ut sacraméntum vivéndo téneant, quod fide percepérunt.
Übersetzung:
Gott, der du deine Kirche immer durch neue Nachkommenschaft vermehrst, gewähre deinen Dienern, dass sie durch [entsprechendes] Leben das Sakrament bewahren, das sie durch den Glauben empfangen haben.
Messbuch:
Gott, du Herr allen Lebens, durch die Taufe schenkst du deiner Kirche Jahr für Jahr neue Söhne und Töchter. Gib, dass alle Christen in ihrem Leben dem Sakrament treu bleiben, das sie im Glauben empfangen haben.

Sonntag, 21. April 2019

Die Neue Ordnung der Heiligen Woche

Die erste Welle der liturgischen Reformen, die zu einer Neuordnung der Feiern in der Karwoche und an Ostern führte, wird wie folgt zusammengefasst:
1948 hatte Papst Pius XII. unter dem Einfluß der “Liturgischen Bewegung”, die er für ein “gnadenvolles Wirken des Heiligen Geistes in seiner Kirche” hielt, eine Kommission für eine Liturgiereform eingesetzt. In einer ersten Phase, die bis 1960 reichte, brachte sie u.a. die “Neuordnung der Karwoche” von 1955 und im gleichen Jahr eine Änderung der Rubriken v.a. für das Breviergebet auf den Weg, in welchen bereits wesentliche Prinzipien und Gestaltungen der “Neuen Messe” umgesetzt wurden. Das Gesamt dieser ersten Reformen erschien 1962 als die “Liturgischen Bücher Johannes’ XXIII.”
Folgt [für eventuell Interessierte, die keine Lust haben, sich durch sämtliche Beiträge zu wühlen] eine Übersicht der kürzlich hier dazu geteilten Beschreibungen einiger veränderter Details:
  • Kurzer Vergleich von drei Karfreitagsliturgien
  • Übersicht und Vergleich der vorgesehenen AT-Lesungen in der Osternacht
  • Vergleich der Rubriken zur Eröffnung der Osternacht
  • Hintergrund zur Entzündung des Osterfeuers
  • Wie man früher Osterfeuer und Weihrauchkörner segnete
Weiter wird in der angegebenen Quelle die Apostolische Konstitution von Paul VI. „Missale Romanum“ zur „Einführung des gemäß Beschluß des Zweiten Vatikanischen Konzils erneuerten Römischen Meßbuches“ zitiert:
Einen Anfang machte Unser Vorgänger Pius XII. durch die Neuordnung der Osternacht und der Karwoche (Vgl. Ritenkongregation, Dekret Dominicae Resurrectionis vom 9.2.1951: AAS 43 (1951), S.128 ff.; Dekret Maxima redemptionis nostrae mysteria vom 16.11.1955: AAS 47 (1955), S.838 ff.), womit er gleichsam den ersten Schritt tat, um das Römische Meßbuch dem Empfinden unserer Zeit anzupassen.
Da die Reformer selbst angeben, das aktuelle Messbuch sei auf die Mode einer konkreten Zeitspanne zugeschnitten, also in der Liturgischen Bewegung der 1920er Jahre angeregt, der Nachkriegszeit entsprungen und in der 1968er Revolte gereift, darf man fragen, in welchen Abständen andere Moden zu berücksichtigen seien, und ob es nicht Zeit wird, entweder ein neues Messbuch nach dem Geschmack der Millenials zu schustern – oder einfach zur Messe aller Zeiten zu greifen.

Samstag, 20. April 2019

Da tat mir mein heiliger Name leid

Die letzte alttestamentliche Lesung in der gegenwärtigen Form der Osternacht ist ebenfalls mit der letzten Liturgiereform dazugekommen und aus Ezekiel Kapitel 36 genommen:
16 Das Wort des HERRN erging an mich:
17 Menschensohn, als die vom Haus Israel in ihrem Land wohnten, machten sie es durch ihre Wege und ihre Taten unrein. Wie die monatliche Unreinheit der Frau waren ihre Wege in meinen Augen.
18 Da goss ich meinen Zorn über sie aus, weil sie Blut vergossen im Land und es mit ihren Götzen befleckten.
19 Ich zerstreute sie unter die Nationen; in die Länder wurden sie vertrieben. Nach ihren Wegen und nach ihren Taten habe ich sie gerichtet.
20 Als sie aber zu den Nationen kamen, entweihten sie überall, wohin sie kamen, meinen heiligen Namen; denn man sagte von ihnen: Das ist das Volk des HERRN und doch mussten sie sein Land verlassen.
21 Da tat mir mein heiliger Name leid, den das Haus Israel bei den Nationen entweihte, wohin es auch kam.
22 Darum sag zum Haus Israel: So spricht GOTT, der Herr: Nicht euretwegen handle ich, Haus Israel, sondern um meines heiligen Namens willen, den ihr bei den Nationen entweiht habt, wohin ihr auch gekommen seid.
23 Meinen großen, bei den Nationen entweihten Namen, den ihr mitten unter ihnen entweiht habt, werde ich wieder heiligen. Und die Nationen - Spruch GOTTES, des Herrn - werden erkennen, dass ich der HERR bin, wenn ich mich an euch vor ihren Augen als heilig erweise.
24 Ich nehme euch heraus aus den Nationen, ich sammle euch aus allen Ländern und ich bringe euch zu eurem Ackerboden.
25 Ich gieße reines Wasser über euch aus, dann werdet ihr rein. Ich reinige euch von aller Unreinheit und von allen euren Götzen.
26 Ich gebe euch ein neues Herz und einen neuen Geist gebe ich in euer Inneres. Ich beseitige das Herz von Stein aus eurem Fleisch und gebe euch ein Herz von Fleisch.
27 Ich gebe meinen Geist in euer Inneres und bewirke, dass ihr meinen Gesetzen folgt und auf meine Rechtsentscheide achtet und sie erfüllt.
28 Dann werdet ihr in dem Land wohnen, das ich euren Vätern gegeben habe. Ihr werdet mir Volk sein und ich, ich werde euch Gott sein.
Die Lesung hat eine recht praktische Struktur; sie besteht aus zwei Teilen: in den Versen 16-21 begründet der Herr dem „Menschensohn“ seinen in der Vergangenheit gegen Israel entbrannten Zorn, in den Versen 22-28 gibt er seine Heilsbotschaft an das Haus Israel kund.

Dabei kündigt der Herr an, spiegelbildlich alles rückgängig zu machen, was mit Israel schief gelaufen ist:
  • Als Folge von Israels Unreinheit tat Gott sein heiliger Name leid (V. 21) – Gott wird handeln um seines Hl. Names willen (V. 22)
  • Israel entweihte den Namen bei den Nationen; die Nationen spotteten (V. 20) – Gott wird seinen Namen wieder heiligen; die Nationen werden erkennen, dass er der Herr ist (V. 23)
  • Gott zerstreute Israel unter die Nationen (V. 19) – Gott sammelt Israel aus den Nationen (V. 24)
  • Gott goss seinen Zorn über sie aus wegen der Götzen (V. 18), Israel machte das Land unrein (V. 17) – Gott gießt reines Wasser über Israel aus und reinigt es von allen Götzen (V. 25)
Dann aber – auf der Soll-Seite bei der Ausgangssituation des „im Land Wohnen“ angekommen – steigert er seine Heilsankündigung noch weiter, d.h. die Fülle der Gottesnähe übersteigt den Bund der alten Zeit:
Gott gibt ein neues Herz, er legt seinen Geist in seines Volkes Inneres, so dass sie seinen Gesetzen folgen und im Land wohnen und Gottes Volk sind und er ihr Gott ist.

Auf die Osternacht bezogen: Adams Schuld wurde durch die größere Erlösung getilgt, so dass die Menschheit am Ende besser dasteht als vorher, oder um es in den Worten des Exsultet zu sagen
O unfassbare Liebe des Vaters:
Um den Knecht zu erlösen, gabst du den Sohn dahin!
O wahrhaft heilbringende Sünde des Adam,
du wurdest uns zum Segen,
da Christi Tod dich vernichtet hat.
O glückliche Schuld,
welch großen Erlöser hast du gefunden!
Außerdem ist die Lesung voll von Anklängen an andere Lesungen, die in der Osternacht genommen werden konnten, z.B.
  • V. 18: Gott goss seinen Zorn aus – Gott goss die Sintflut über die verquere Menschheit aus
  • V. 19: Gott zerstreute Israel unter die Völker – In der Babylonischen Gefangenschaft sollen die Juden zum Götzendienst gezwungen werden
  • V. 22: „Nicht euretwegen handle ich“ – aus reiner Gnade sind wir gerettet, so wie es Jes 55 heißt: „Kommt, kauft umsonst“ (=gratis, nämlich aus gratia=Gnade)
  • V. 23: „Die Nationen werden erkennen, dass ich Herr bin“ – das scheint die Kernbotschaft des AT zu sein, so oft wie es ausgesagt wird, aber eben auch in der Ex-14-Lesung
  • V. 24: „Ich nehme euch heraus aus den Nationen“ – und wenn es sein muss mit einem Passah
  • V. 24: „Ich sammle euch aus allen Ländern“ – aus allen Völkern werden Söhne Abrahams
  • V. 25: „Ich gieße reines Wasser über euch aus …“ – Das Thema Taufe beherrscht die Osternacht.
  • V. 25: „Ich reinige euch von aller Unreinheit“ – Der Kot wird aus dem Gesicht gewischt
  • V. 26: „Ich gebe euch ein neues Herz“ – Ihr steht fortan unter dem Gesetz der Liebe, nicht dem des Schreckens
  • V. 27: „Ich gebe meinen Geist in euer Inneres“ und belebe euch wie in Ez 37
  • V. 27: „Ich bewirke, dass ihr meinen Gesetzen folgt“ – Keiner kennt den Pfad der Weisheit, nur der Allwissende kennt sie. Sie erschienauf der Erde und lebte mit den Menschen
Und die Angel, um die sich alles dreht und woran es hängt, ist der Heilige Name, in dem Gott sein Wesen offenbart, das ist Gnade und Wahrheit, wie sich auch hier wiederspiegelt: die Wahrheit im Gericht im ersten Teil, die Gnade dann ab Vers 22 ohne Ende.

Nach dieser Lesung stehen zwei Gebete zur Auswahl: das, was früher nach der Lesung zur Sintflut (Gen 5-8) genommen wurde, oder das, was früher nach der Lesung Ezechiel 37 genommen wurde. Oder aber, wenn in der Osternacht getauft wird, nimmt von ein dafür geeignetes Gebet. Also quasi irgendeins.

Insgesamt scheint mir die Lesung keine sehr spezifische Botschaft zu haben (schließlich läuft sie auf das „Ihr werdet mir Volk sein und ich werde euch Gott sein.“ hinaus, was von jeher Thema der Bibel ist, weshalb auch quasi jede andere Bibelstelle hier mit hineinspielt. Mir scheint, diese Lesung wurde ausgewählt, damit der Zelebrant sich aussuchen kann, worüber er predigt – steckt alles im Ezekiel drin.

Aktuelle Osternacht - Quarta lectio (De nova Ierusalem)

Die nach der aktuellen Leseordnung vierte, im Zuge der Paulinischen Liturgiereform neu aufgenommene Lesung ist aus Jesaja 54:
5 Denn dein Schöpfer ist dein Gemahl, HERR der Heerscharen ist sein Name. Der Heilige Israels ist dein Erlöser, Gott der ganzen Erde wird er genannt.
6 Ja, der HERR hat dich gerufen als verlassene, bekümmerte Frau. Kann man denn die Frau seiner Jugend verstoßen?, spricht dein Gott.
7 Nur für eine kleine Weile habe ich dich verlassen, doch mit großem Erbarmen werde ich dich sammeln.
8 Einen Augenblick nur verbarg ich vor dir mein Gesicht in aufwallendem Zorn; aber in ewiger Huld habe ich mich deiner erbarmt, spricht dein Erlöser, der HERR.
9 Wie bei der Flut Noachs soll es für mich sein: So wie ich damals schwor, dass die Flut Noachs die Erde nie mehr überschwemmen wird, so schwöre ich jetzt, dir nie mehr zu zürnen und dich nie mehr zu schelten.
10 Mögen auch die Berge weichen und die Hügel wanken - meine Huld wird nicht von dir weichen und der Bund meines Friedens nicht wanken, spricht der HERR, der Erbarmen hat mit dir.
11 Ärmste, vom Sturm Gepeitschte, die ohne Trost ist: Siehe, ich selbst lege dir ein Fundament aus Malachit und Grundmauern aus Saphir.
12 Aus Rubinen mache ich deine Zinnen, aus Beryll deine Tore und alle deine Mauern aus kostbaren Steinen.
13 Alle deine Kinder sind Schüler des HERRN und groß ist der Friede deiner Kinder.
14 Du wirst auf Gerechtigkeit gegründet sein. Du bist fern von Bedrängnis, denn du brauchst dich nicht mehr zu fürchten und bist fern von Schrecken; er kommt an dich nicht heran.
Diese Lesung verwirrt mich, ehrlich gesagt, etwas. Zwar erkenne ich aus dem Hinweis in Vers 9, dass hier die Aussage, die früher mit der Lesung über die Sintflut transportiert wurde („so schwöre ich jetzt, dir nie mehr zu zürnen und dich nie mehr zu schelten“), in der Osternacht getätigt werden soll, ohne den modernen Menschen mit dem Gedanken an Gottes Gerechtigkeit mehr als der Feierlichkeit des Augenblicks angemessen zu belasten.

Dann aber frage ich mich, wer hier eigentlich angesprochen ist. Wenn wir wie üblich das AT im Lichte des neuen lesen und unter der Gemahlin des Herrn die Heilige Mutter Kirche auffassen, war sie hier kurz verlassen und verstoßen, wird aber jetzt mit großem Erbarmen wieder aufgenommen und als eine feste Stadt auf Gerechtigkeit gegründet, mit Edelsteinen wie das himmlische Jerusalem (Offb 21,18-21) geschmückt.
Inwiefern aber ist die Kirche von Gott verlassen? Die Tage der Grabesruhe können ja wohl kaum gemeint sein, und selbst nach der Himmelfahrt lässt uns der Herr als Waisen nicht (Joh 14,18).

Das ist ja gerade der Unterschied zum Alten Bund, bei dem Moses bei nahendem Tode die Schrecken eines Abfalls von Gott besingen musste, „denn ich kenne deine Widersetzlichkeit und deine Hartnäckigkeit. Seht, schon jetzt, wo ich noch unter euch lebe, habt ihr euch dem HERRN widersetzt. Was wird erst nach meinem Tod geschehen?“ (Dtn 31,27).

Vollends passt das nicht, wenn man den Antwortpsalm 30 dazunimmt:
2 Ich will dich rühmen, Herr, denn du hast mich aus der Tiefe gezogen und lässt meine Feinde nicht über mich triumphieren.
4 Herr, du hast mich herausgeholt aus dem Reich des Todes, aus der Schar der Todgeweihten mich zum Leben gerufen.
5 Singt und spielt dem Herrn, ihr seine Frommen, preist seinen heiligen Namen!
6ab Denn sein Zorn dauert nur einen Augenblick, doch seine Güte ein Leben lang.
6cd Wenn man am Abend auch weint, am Morgen herrscht wieder Jubel.
12a Du hast mein Klagen in Tanzen gewandelt,
13b Herr, mein Gott, ich will dir danken in Ewigkeit. 
Denn hiernach wäre Jesus die verlassene Frau (wie in „Eli, Eli, lema sabachtani?“), die als feste Stadt verherrlicht wird. Oder – der Sünder, der durch Leiden, Tod und Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus zur Teilhabe an der Herrlichkeit gelangt?

Der Kontext Jes 52-54 ist der Auszug aus der Babylonischen Gefangenschaft, doch nicht heimlisch und hastig wie beim Passah zum Auszug aus Ägypten, im Gegenteil: „Doch zieht nicht aus in Hast, geht nicht fort in Eile“ (Jes 52,12). Das ist ein Erfolg des leidenden Gottesknechtes (Jes 52, 13 – Jes 53, 12). Danach kommt Jes 54,1-5 (Die Unfruchtbare hat mehr Kinder als die Vermählte; ihre Nachkommen werden Nationen beerben.) Das mündet in die vorliegende Lesung.

Ich nehme jetzt einfach hin, dass Aspekte mehrerer Lesungen, die in der Alten Ordnung in der Osternacht vorgetragen wurden und in der neuen weggefallen sind, in dieser Lesung alludiert werden, und dass die Botschaft ist: der Gottesknecht hat durch sein Leiden die Kirche auf den Weg des himmlischen Jerusalems gebracht, und ihre Kinder werden durch die Taufe zahlreich sein. [Wenn auch manches davon mehr im Kontext als in der Lesung vorkommt.]

[Das anschließende Gebet hilft übrigens nichts, denn es ist jenes vorgesehen, dass in alter Zeit nach der Lesung aus Jes 55 kam, während dafür neuerdings das in alter Zeit nach der Lesung aus Dan 3 gebete nach der Lesung aus Jes 55 genommen wird. Die Rubrik sieht zudem vor, dass auch ein „anderes von den Gebeten, die den Lesungen folgen, die vielleicht ausgelassen werden“ gehen würde. Ist also wohl nicht lesungsspezifisch.]

Wie man früher Osterfeuer und Weihrauchkörner segnete

Am Feuer angekommen (vgl. die Rubriken zum Anfang der Osternacht) legt der Priester gleich los:
Lasset uns beten
Dann spricht er nacheinander drei Gebete:
  1. O Gott, der durch deinen Sohn, das heißt den Eckstein, das Feuer deiner Herrlichkeit den Gläubigen verliehen hast: das Produkt aus dem Feuerstein, das uns zum Gebrauch nützlich sein wird, dieses neue Feuer heilige, und gewähre uns, durch dieses Osterfest so mit himmlischen Wünschen entzündet zu werden, dass wir mit reinem Geist bis zu den Festlichkeiten der beständigen Herrlichkeit reichen können.
  2. Herr Gott, allmächtiger Vater, nie verlöschendes Licht, der du der Schöpfer allen Lichtes bist: segne dieses Licht, das von dir geheiligt und gesegnet ist, der du den ganzen Erdkreis erleuchtet hat: das wir von diesem Licht entzündet und erleuchtet werden durch das Feuer deiner Herrlichkeit: und wie du den aus Ägypten ziehenden Moses erleuchtet hast, so mögest du erleuchten unsere Herzen und Sinne, dass wir zum ewigen Leben und Licht zu gelangen würdig werden.
  3. Heiliger Herr, allmächtiger Vater, ewiger Gott: während wird dieses Feuer segnen im Namen von dir, deinem einziggezeugten Sohn, unserem Herr und Gott Jesus Christus, und dem Heiligen Geist, wolle mitwirken, und hilf uns gegen die feurigen Geschosse des Feindes, und erleuchte uns mit himmlischer Gnade.
Dann segnet er fünf einzeln in ein besonderes Gefäß gelegte Weihrauchkörner, die später mit der Osterkerze vereint werden und die fünf Wunden Jesu symbolisieren. Sie werden mit einem Gebet, das wohl ursprünglich für die Osterkerze (hunc incensum – diese entzündete [sc. cereum – Kerze]) gedacht war und erst ab frühestens dem 12. Jhd. auf die Weihrauchkörner (hoc incensum – dieser Weihrauch) gemünzt wurde, insofern diese in die Osterkerze eingefügt werden, gesegnet:
Es komme, bitten wir, allmächtiger Gott, über diesen Weihrauch die reichliche Eingießung deines Segens: und diesen nächtlichen Glanz, unsichtbarer Erneuerer, entzünde; damit das Opfer, das in dieser Nacht glücklich dargebracht wurde, nicht allein durch die geheime Beimischung deines Lichtes zurückstrahle, sondern an jedwedem Ort, zu dem etwas vom Geheimnis seiner Heiligung gebracht wird, nachdem die Nichtsnutzigkeit der teuflichen List verbannt wurde, die Kraft deiner Majestät herantrete.
[Nebenbei bemerkt: haben diese letzten beiden Gebete gegen die feurigen Geschosse des Feindes und die teufliche List nicht etwas von Exorzismus? Wie das erst bei der Taufwasserweihe wird 😆😇]

Die Einfügung der Weihrauchkörner in die Kerze geschieht erst seit 1955 direkt im Anschluss; früher erledigte der Diakon das während des Exsultets, an der Stelle, die beginnt
In dieser gesegneten Nacht, heiliger Vater,
nimm an das Abendopfer unseres Lobes,
nimm diese Kerze entgegen als unsere festliche Gabe!
Aus dem köstlichen Wachs der Bienen bereitet,
wird sie dir dargebracht von deiner heiligen Kirche durch die Hand ihrer Diener.
Es fragt sich natürlich, warum die Wunden im verklärten Leib nicht verschwinden, sondern beibehalten und so auch an der Christus verkörpernden Osterkerze gezeigt werden. Dazu erklärt Johann Kutschker*
Es werden also fünf Weihrauchkörner geweiht, die dann in der Osterkerze, durch welche auf eine mystische Weise Christus bezeichnet ist, zu befestigen sind. Diese fünf Weihrauchkörner bedeuten die fünf Wunden des Heilandes, welche er aus mehreren Ursachen nicht vertilgen, sondern beibehalten wollte, und zwar a) zum Zeichen seines über den Tod errungenen Triumphes, indem er den Tod durch sein Sterben vernichtete und durch seine Auferstehung das Lebens uns brachte. So zeigen auch die tapfer kämpfenden Soldaten nach dem Siege freudig die Narben ihrer Wunden zum Zeichen des glorreichen Kampfes; b) um seine Jünger in dem Glauben an seine Auferstehung zu bekräftigen. Denn von dem h. Thomas lesen wir in der h. Schrift: Nisi videro in manibus ejus fixuram clavorum, non credam [Wenn ich nicht in seinen Händen die Male der Nägel sehen werde, werde ich nicht glauben.] und bald darauf: vidit et credidit [er sah und glaubte]. … Endlich auch zu dem Zwecke, damit die Wundenmale des Herrn für uns ein Sporn seyen zur Liebe und zur Treue gegen Jesus Christus, ein Zufluchtsort in Drangsalen, eine Schutzwehre in unseren Kämpfen, ein Ruheplatz nach unserer Arbeit, ein schattiger Ort in der Hitze, ein Trost in unsern Bedrängnissen. Auf daß aber Niemand sich fürchte, in diese heiligen Wundenmale einzugehen, so ladet uns Jesus selbst ein, in dieselben unsere Zuflucht zu nehmen. Denn cantic. 2 [Hoheslied Kapitel 2] lesen wir: Veni columba mea in foraminibus petrae, in caverna maceriae [Komm meine Taube in die Öffnungen des Felses, in die Höhlen der Lehmwand], über welche Worte der h. Bernhard schreibt: Et revera ubi tuta firmaque infirmis securitas et requies, nisi in vulneribus Salvatoris; tanto illic securior habito, quanto ille potentior ad salvandum [Und tatsächlich, wo (sind) geschützt und fest des Schwachen Sicherheit und Ruhe, wenn nicht in der Wunden des Heilands; ich wohne dort umso sicherer, desto mächtiger jener (ist) zum Retten] …“
Eine ausführlichere Darstellung dieser Betrachtung der Taube in der Felsenhöhle geschah hier.

* Johann Kutschker (1843) aus dem Buch „Die heiligen Gebräuche, welche in der katholischen Kirche (ritus latini) vom Sonntage Septuagesimä bis Ostern beobachtet werden“

Wie sich der Charakter des Karfreitags verändert hat

Kurzer Vergleich von drei Karfreitagsliturgien:

1570 - Feria VI in Parasceve – Freitag vom Rüsttag*
(*Parasceve ist ein Fremdwort aus dem Griechischen, das Rüsttag heißt, und dann auch [weil der Rüsttag meistens für den Sabbat ist] Freitag; im Kirchenlatein ist speziell der Karfreitag gemeint. Feria VI ist der 6. Wochentag, heißt also auch Freitag)
Priester und Diener, mit schwarzen Paramenten bekleidet, ohne Leuchter und Weihrauch, ziehen zum Altar und beten vor ihm niedergeworfen eine Zeit lang. Inzwischen breiten Akolythen ein einziges Altartuch [normal waren drei] über den Altar. Nach dem Gebet steigt der Priester mit den Dienern zum Altar auf und küßt ihn in der Mitte. Dann tritt ein Lektor zur Verlesung aus den Propheten an die Stelle, wo man [sonst] die Epistel liest, und beginnt sie [die Lesung] ohne Titel [wie etwa „Lesung aus dem Buch XY“]. Der Priester liest die Lesung still am Altar.
Kein Wort drumherum, einfach direkt in den Text der Lesung.
Folgen zwei Lesungen (Hosea 6,1-6; Ex 12,1-11) jeweils mit Tractus, dazwischen das Gebet, das auch in der Abendmahlsmesse am Gründonnerstag dran war:
Gott, von dem Judas die Strafe für seine Schuld und der Schächer den Lohn für sein Bekenntnis empfing, laß uns die Wirkung Deiner verzeihenden Huld erfahren, und wie unser Herr Jesus Christus in seinem Leiden jedem der beiden nach seinen Verdiensten verschieden vergolten hat, so befreie er uns von alter Verblendung und schenke uns die Gnade seiner Auferstehung.
Dann die Passion nach Johannes (Joh 18,1 – 19,42)
Dann beginnen sofort ohne irgendwas dazwischen („absolute“) die Großen Fürbitten.
Dann wieder: holt der Priester das schon an der hintersten Ecke des Altares vom Diakon bereitgehaltene Kreuz, trägt es in Etappen, bei denen es teilenthüllt wird, vor den Altar, während er die Antiphon beginnt „Ecce lignum Crucis, in quo salus mundi pependit“ - „Venite, adoremus“ (Seht das Holz des Kreuzes, an dem das Heil der Welt gehangen – Kommt, lasst uns anbeten.)
Es folgt die Kreuzverehrung unter Gesang der Improperia und ggf. weiterer Antiphonen.
Das Allerheiligste wird vom Repositionsaltar geholt (in beiden Gestalten, übrigens) und in Prozession zum Altar gebracht (während der Hymnus Vexilla Regis prodeunt gesungen wird). Nach einer Auswahl von bei der Messe üblichen Gebeten (aber ohne Wandlung, „Missa sicca“ [trockene Messe], oder hier konkret „Missa praesanctificatorum“ [Messe der vorgeheiligten {Gaben}]) kommunziert der Priester. Nach der Purifikation ist die Liturgie vorbei:
Weder wird das Corpus tuum, Domine gesagt noch die Postcommunio noch das Placeat tibi, noch wird der Segen gegeben, sondern nach der Altarsverehrung verschwindet der Priester mit den Dienern.
Ende.

1955: Feria Sexta in Passione et Morte Domini – Freitag von Leiden und Tod des Herrn
Wichtigster Unterschied zur herkömmlichen Liturgie:
Sämtliche formalen und textlichen Bezüge auf eine Feier der heiligen Messe entfallen. Die frühere Form und Bezeichnung als Missa praesanctificatorum wird abgeschafft und durch „Liturgie vom Leiden und Sterben unseres Herrn“ ersetzt. Aus der schmerzhaft unvollständigen Messe wird ein selbständiger Gottesdienst mit inkorporierter Kommunionandacht.
Diese Umwidmung der Zeremonie weg von einer unvollständigen Messfeier wird konsequent durchgezogen. Wo die Offizianten früher Messgewänder – wenn auch in reduzierter Form – trugen, sind sie jetzt nur mit der Albe bekleidet. Der am Vortag völlig entkleidete Altar wird nicht bereits am Anfang der Zeremonie mit einem Altartuch bekleidet, sondern erst später zu Beginn der Großen Fürbitten. Das früher von Anfang an – wenn auch verhüllt – auf dem Altar stehende Kreuz wird erst später hereingetragen. Die nach der Prostration gebetete Oratio schließt nicht mit der zuvor nach Vorbild der Messfeier üblichen Langform, sondern mit einem schlichten „Per Christum Dominum nostrum. Amen“. Während des Vortrags der Lesungen bleiben die Offizianten an den Sedilien. Beim Vortrag der Passion unterbleiben alle früher üblichen Riten, die daraufhin deuteten, daß dieser Vortrag ganz oder teilweise die Rolle des Evangeliums in der Messfeier übernahm.
Im Anschluss an die Passion und vor dem Evangelium legen die Offizianten nicht die Messgewänder, sondern die für Segenszeremonien und Prozessionen üblichen Gewänder an – der Priester das Pluviale, Diakon und Subdiakon Dalmatik bzw. Tunika.
Und so fängt die Feier an:
Kleriker, Diener und Zelebrant erweisen dem Altar, wenn sie zu ihm gelangt sind, die Ehrbezeigung, Dann werfen sich Zelebrant und heilige Diener, aber nicht die Messdiener, auf das Gesicht nieder, die übrigen gehen zu den Sedilien im Chor, und dort bleibten sie, auf Knien und tief verneigt: und alle beten eine Zeitlang in Stille. Auf ein Zeichen richten sich alle auf, bleiben aber auf den Knien, außer dem Zelebranten, der vor der Stufe des Altars stehend mit zusammengelegten Händen und im Alltagstone folgendes Gebet spricht:
Gebet 1
Deus, qui peccáti véteris hereditáriam mortem, in qua posteritátis genus omne succésserat, Christi Fílii tui, Dómini nostri, passióne solvísti, da, ut confórmes eídem facti, sicut imáginem terréni hóminis natúræ necessitáte portávimus, ita imáginem cæléstis grátiæ sanctificatióne portémus.
Gott, der du der alten Sünde erblichen Tod, in den die ganze spätere Generation nachfolgte, durch Christi, deines Sohnes, unseres Herren Leiden aufgelöst hast, gib, daß wir, ihm gleichförmig gemacht, so wie wir das Bild der Natur des Menschen nach der irdischen Notwendigkeit getragen haben, so auch das Bild der himmlischen Gnade nach der Heiligung tragen.
Es folgen die Lesungen usw. bis zur Passion und den großen Fürbitten einschließlich ähnlich wie früher.
Der Diakon holt das Kreuz aus der Sakristei, in Prozession mit zwei Akolythen mit Leuchtern. Das Kreuz wird auch hier unter Gesang des Ecce lignum Crucis enthüllt, allerdings wird das Vorgehen auf etwa zwei Seiten beschrieben, während im alten Messbuch ca. ein Drittel Seite ausreichte (bei größerer Schrift), ohne dass ich etwas von sittlichem Nährwert gefunden hätte (außer dass sich früher nach dem Venite adoremus alle auf den Boden niederwarfen und anbeteten, ab 1955 dann nur noch Hinknieen vorgesehen war).
Es folgen Kreuzverehrung und Improperia. Zur Kommunionfeier holt der Diakon flugs die Pyxis mit dem Allerheiligsten (die Schola singt dazu drei kurze Antiphonen). Nach einer (ganz kleinen) Auswahl von Gebeten aus der Messe (hauptsächlich dem Vater unser, von allen gemeinsam gesprochen) kommuniziert der Priester.
Dann Kommunionausteilung an alle: Schuldbekenntnis (des Diakons) und Absolution, der Priester zeigt dem Volk das Allerheiligste („Seht das Lamm Gottes …“) und teilt die Kommunion aus.
Zum Schluss folgen drei Gebete, darunter ein Segensgebet über das Volk (und genau das gab es früher an Karfreitag nicht, weil alles, was im Jahreskreis die Liturgie ausmacht, während der Fastenzeit nach und nach gestrichen wurde und wir Karfreitag nackt und sprachlos unter dem Kreuz stehen):
Gebet 2
Super populum tuum, quaesumus, Domine, qui passionem et mortem Filii tui devota mente recoluit, benedictio copiosa descendat, indulgentia veniat, consolatio tribuatur, fides sancta succrescat, redemptio sempiterna firmetur.
Über dein Volk, bitten wir, Herr, das Leiden und Tod deines Sohnes mit andächtigen Geist betrachtet hat, steige reicher Segen herab, komme Nachlaß, werde zuteil Trost, heiliger Glaube wachse heran, die ewige Erlösung werde bestätigt.
[Der Sinn der Hervorhebungen wird später klar.]
Gebet 3
Omnipotens et misericors Deus, qui Christi tui beata passione et morte nos reparasti: conserva in nobis operam misericordiae tuae; ut, huius mysterii participatione, perpetua devotione vivamus.
Allmächtiger und barmherziger Gott, der du durch deines Gesalbten seliges Leiden und Tod uns wiederhergestellt hast, bewahre in uns die Hilfe deiner Barmherzigkeit, damit wir durch die Teilnahme an seinem Geheimnis in immerwährender Andacht leben.
Gebet 4
Reminiscere miserationum tuarum, Domine, et famulos tuos aeterna protectione sanctifica, pro quibus Christus, Filius tuus, per suum cruorem, instituit paschale mysterium.
Gedenke deiner Erbarmungen, Herr, und heilige deine Diener mit ewigem Schutz, für die Christus, dein Sohn, durch sein Blut das österliche Geheimnis eingesetzt hat.
Zelebrant und Diener kehren in die Sakristei zurück.

Aktuell: FERIA VI IN PASSIONE DOMINI – Freitag vom Leiden des Herrn
Den generellen Ablauf möchte ich als bekannt voraussetzen. Er ist auch nicht so verschieden von dem von 1955, außer das andere Lesungen vorkommen (Jes 52, 13 - 53, 12; Hebr 4, 14-16; 5, 7-9) und kein Gebet zwischen den Lesungen mehr üblich ist (sondern Zwischengesang und „Ruf vor dem Evangelium“).
Anfangen tut es aber mit einem „Lasset uns beten“ (das früher nicht vorgesehen war, wegen Schweigen unter dem Kreuz und so) und dann einem Eröffnungsgebet, wo man das Gebet 1 von 1955 nehmen kann, oder das Gebet 4 (das 1955 eines der drei Gebete am Schluss war). Außerdem ist zum Vergleich von Original und Fälschung in blau eine ziemlich wörtliche Übersetzung des Missale Romanum und in schwarz der Text aus dem Deutschen Messbuch gegeben.
Eröffnungsgebet
Gebet 4
Reminíscere miseratiónum tuárum, Dómine, et fámulos tuos ætérna protectióne sanctífica, pro quibus Christus, Fílius tuus, per suum cruórem instítuit paschále mystérium.
Gedenke deiner Erbarmungen, Herr, und heilige deine Diener mit ewigem Schutz, für die Christus, dein Sohn, durch sein Blut das österliche Geheimnis eingesetzt hat.
Gedenke, Herr, der großen Taten, die dein Erbarmen gewirkt hat. Schütze und heilige deine Diener, für die dein Sohn Jesus Christus sein Blut vergossen und das österliche Geheimnis eingesetzt hat.
oder

 Gebet 1
Deus, qui peccáti véteris hereditáriam mortem, in qua posteritátis genus omne succésserat, Christi Fílii tui, Dómini nostri, passióne solvísti, da, ut confórmes eídem facti, sicut imáginem terréni hóminis natúræ necessitáte portávimus, ita imáginem cæléstis grátiæ sanctificatióne portémus.
Gott, der du der alten Sünde erblichen Tod, in den die ganze spätere Generation nachfolgte, durch Christi, deines Sohnes, unseres Herren Leiden aufgelöst hast, gib, daß wir, ihm gleichförmig gemacht, so wie wir das Bild der Natur des Menschen nach der irdischen Notwendigkeit getragen haben, so auch das Bild der himmlischen Gnade nach der Heiligung tragen.
Allmächtiger, ewiger Gott, durch das Leiden deines Sohnes hast du den Tod vernichtet, der vom ersten Menschen auf alle Geschlechter übergegangen ist. Nach dem Gesetz der Natur tragen wir das Abbild des ersten Adam an uns; hilf uns durch deine Gnade, das Bild des neuen Adam in uns auszuprägen und Christus ähnlich zu werden.
Nach der Kommunion wird ein weiteres der drei Abschlussgebete von 1955 genommen, allerdings mit nicht unwesentlichen Änderungen (markiert), dass nämlich das den Tod begleitende „Leiden“ im Gebet gestrichen und durch die „Auferstehung“ ersetzt wurde [Karfreitag pur in einer Hoffnungslosigkeit, die auszuhalten der moderne Mensch anscheinend für nicht mehr in der Lage zu sein gehalten wird, wird nicht zugemutet], und die opera (Hilfen [der Barmherzigkeit]), die unser Mitwirken noch erforderten, wurde durch opus (Werk), das Gott verrichtet ersetzt – Papa wird’s schon richten, wie der Sänger sagt, d.h. Gott hat gewirkt und der Mensch ist raus, und das lästige Leiden, dass uns zu einer Antwort (z.B. dass wir auch unser Leiden geduldig ertragen), auffordert, eliminiert. Kein Karfreitag scheint so dunkel zu sein, dass neuerdings nicht schon ein Ostern hineinscheint.
Gebet 3
Omnípotens sempitérne Deus, qui nos Christi tui beáta morte et resurrectióne reparásti, consérva in nobis opus misericórdiæ tuæ, ut huius mystérii participatióne perpétua devotióne vivámus.
Allmächtiger, ewiger Gott, der du uns durch deines Gesalbten seligen Tod und Auferstehung wiederhergestellt hast, bewahre in uns das Werk deiner Barmherzigkeit, damit wir durch die Teilnahme an seinem Geheimnis in immerwährender Andacht leben.
Allmächtiger, ewiger Gott, durch den Tod und die Auferstehung deines Sohnes hast du uns das neue Leben geschenkt. Bewahre in uns, was deine Barmherzigkeit gewirkt hat, und gib uns durch den Empfang dieses Sakramentes die Kraft, dir treu zu dienen.
Zum Abschluss bleibt noch ein Segensgebet über das Volk. Aus dem Gebet wurde die „devota mente“ (andächtiger Geist, mit dem die Liturgie begangen wurde, vgl. o.) gestrichen – so viel Ehrlichkeit muss sein.
Gebet 2
Super pópulum tuum, quǽsumus, Dómine, qui mortem Fílii tui in spe suæ resurrectiónis recóluit, benedíctio copiósa descéndat, indulgéntia véniat, consolátio tribuátur, fides sancta succréscat, redémptio sempitérna firmétur.
Über dein Volk, bitten wir, Herr, das den Tod deines Sohnes in Hoffnung auf seine Auferstehung betrachtet hat, steige reicher Segen herab, komme Nachlaß, werde zuteil Trost, heiliger Glaube wachse heran, die ewige Erlösung werde bestätigt.
Herr, unser Gott, reicher Segen komme herab auf dein Volk, das den Tod deines Sohnes gefeiert hat und die Auferstehung erwartet. Schenke ihm Verzeihung und Trost, Wachstum im Glauben und die ewige Erlösung.

Freitag, 19. April 2019

Siehe, unser Gott, dem wir dienen, er kann uns retten

Die früher als zwölfte Lesung in der Osternacht vorgesehene Erzählung der drei Jünglinge im Feuerofen aus dem dritten Kapitel des Buches Daniel ist unglaublich weitschweifig und redundant erzählt, gibt die (wahrscheinlich bekannte) Geschichte wieder, die im Wesentlichen vollständig erhalten ist in den folgenden Versen:
14 [König] Nebukadnezzar [von Babel] sagte zu ihnen [den drei jüdischen Exilanten]: Ist es wahr, Schadrach, Meschach und Abed-Nego: Meinen Göttern dient ihr nicht und das goldene Standbild, das ich errichtet habe, verehrt ihr nicht?
15 Nun, wenn ihr bereit seid, sobald ihr den Klang der Hörner, Pfeifen und Zithern, der Harfen, Lauten und Sackpfeifen und aller anderen Instrumente hört, sofort niederzufallen und das Standbild zu verehren, das ich habe machen lassen, ist es gut; verehrt ihr es aber nicht, dann werdet ihr noch zur selben Stunde in den glühenden Feuerofen geworfen. Wer ist der Gott, der euch retten könnte aus meiner Hand?
16 Schadrach, Meschach und Abed-Nego erwiderten dem König Nebukadnezzar: Wir haben es nicht nötig, dir darauf zu antworten:
17 Siehe, unser Gott, dem wir dienen, er kann uns retten. Aus dem glühenden Feuerofen und aus deiner Hand, König, wird er uns retten.
22 Nach dem strengen Befehl des Königs war aber der Ofen übermäßig geheizt worden und die herausschlagenden Flammen töteten die Männer, die Schadrach, Meschach und Abed-Nego hingebracht hatten.
24 Doch sie gingen mitten in den Flammen umher, lobten Gott und priesen den HERRN.
Da hört die Lesung auf, obwohl die Schönheit da erst losgeht (Dan 3,25-100): mit dem Gebet des Asarja und dem Lobgesang der drei Jünglinge, schließlich der Rettung der Jünglinge und der Bekehrung des Nebukadnezzar.

Falls jemand die Texte nicht kennt, kann er sich eine echte Osterfreude machen, indem er sie liest.

Und in dem Teil kommen auch die Verse vor, die einen Bezug zur Passion herstellen, wie
32 Du hast uns der Gewalt gesetzloser Feinde und gehässiger Verräter preisgegeben
33 Und jetzt dürfen wir nicht einmal den Mund auftun. Schande und Schmach kam über deine Diener und Verehrer.
43 Errette uns, deinen wunderbaren Taten entsprechend; verschaff deinem Namen Ruhm, HERR!
Es folgte eine Oratio, die Gott für die Lehre der Propheten dankt und um Förderung von Gebet und Tugend, wie sie die drei Jünglinge (wenn auch nicht in der vorgetragenen Perikope) zeigten, bittet.
Omnipotens sempiterne Deus, spes unica mundi, qui prophetarum tuorum praeconio, praesentium temporum declarasti mysteria: auge populi tui vota placatus; quia in nullo fidelium, nisi ex tua inspiratione, proveniunt quarumlibet incrementa virtutum
Allmächtiger, ewiger Gott, einzige Hoffnung der Welt, der du durch die Verkündigung deiner Propheten die Geheimnisse der gegenwärtigen Zeiten erklärt hast, fördere versöhnt deines Volkes Gebete, da in keinem der Gläubigen, wenn nicht aus deiner Eingebung, Zuwächse irgendwelcher Tugenden entstehen.

Das andere Zeichen des Jona

„Kein Zeichen wird ihm [diesem Geschlecht] gegeben werden als nur das Zeichen Jonas. Denn wie Jona den Niniviten ein Zeichen war, so wird es auch der Sohn des Menschen diesem Geschlecht sein.“, spricht der Herr (Lk 11, 29bf.)

Vermutlich deshalb war in alten Zeiten in der Osternacht eine Lesung aus dem Buch Jona vorgesehen, weil das, wofür der Menschensohn den Menschen seiner Zeit Zeichen war, an Ostern offenbar wurde.

Aber obwohl im Matthäuse-Evangelium die flankierenden Sätze gleich sind, hat er statt des blau markierten Satzes oben diesen (Mt 12, 40):
Denn wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des großen Fisches war, so wird der Sohn des Menschen drei Tage und drei Nächte im Herzen der Erde sein.
was zu der Annahme führen könnte, das Zeichen sei Grabesruhe und Auferstehung, wie in Jona 2:
1 Der HERR aber schickte einen großen Fisch, dass er Jona verschlinge. Jona war drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches.
2 Da betete Jona zum HERRN, seinem Gott, aus dem Inneren des Fisches heraus:
3b Aus dem Leib der Unterwelt schrie ich um Hilfe und du hörtest meine Stimme.
7b Du holtest mich lebendig aus dem Grab herauf, HERR, mein Gott.
10b Vom HERRN kommt die Rettung.
Wie überrascht wird man dann sein, dass die Heilige Mutter Kirche in der Osternacht das dritte Kapitel des Buches Jona zur Betrachtung vorlegte, woraus die Kernverse sind
4 Jona … rief: Noch vierzig Tage und Ninive ist zerstört!
5 Und die Leute von Ninive glaubten Gott. Sie riefen ein Fasten aus und alle, Groß und Klein, zogen Bußgewänder an.
10 Und Gott sah ihr Verhalten; er sah, dass sie umkehrten und sich von ihren bösen Taten abwandten. Da reute Gott das Unheil, das er ihnen angedroht hatte, und er tat es nicht.
[Detailsinformationslink, falls jemand den Hinweis zu Jona 3,10 lesen möchte.]

Jona (und seine Predigt) war den Niniviten ein Zeichen, das auf jemand anderen verwies, denn es steht nicht: „sie glaubten Jona“, sondern „sie glaubten Gott“, so dass sie umkehrten. Zum Abschluss der vierzig tägigen Fastenzeit verschont Gott die Stadt, die für ihre Sünden die Vernichtung verdient hat.

Und so war der Menschensohn ein Zeichen zur Umkehr, das „dieser Generation“ (die wohl noch andauert) erlaubt(e), in dem Menschen Jesus den Heiland und Gott zu erkennen und der Strafe für ihre Sünden zu entgehen, oder wie Johannes 1,12 sagt
Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben.
Einen kleinen Hinweis darauf hat aber auch Matthäus versteckt; er wiederholt nämlich den Vers Mt 12,39 noch einmal wörtlich (Mt 16,4), kurz bevor Jesus den Simon Petrus als „Simon, Sohn des Jona“ anspricht, nämlich genau dann, als jener ihm bekannte: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!“
Und Jesus antwortete und sprach zu ihm: Glückselig bist du, Simon, Bar Jona; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel.
In der anschließenden Oratio mag das „wollen und können“ auf den Versuch Jonas, sich dem Auftrag Gottes zu entziehen, anspielen.
Deus, qui diversitatem gentium in confessione tui nominis adunasti: da nobis, et velle, et posse quae praecipis; ut populo ad aeternitatem vocato, una sit fides mentium, et pietas actionum
Gott, der du die Verschiedenheit der Völker im Bekenntnis deines Namens vereinigt hast: gib uns, sowohl zu wollen als auch zu können, was du vorschreibst; damit das zur Ewigkeit berufene Volk eins sei im Glauben des Verstandes und in der Frömmigkeit der Handlungen.


Euer Stab in eurer Hand

In der frühermals achten Lesung der Osternacht aus Exodus Kapitel 12 wird die Einsetzung der jüdischen Passah-Feier beschrieben, also das Vorgehen in der Nacht des Passah (=Vorübergang) des Herrn, der in Ägypten jede Erstgeburt bei Mensch und Vieh erschlug, um den Pharao zu zwingen, das Auserwählte Volk ziehen zu lassen, welche Feier jährlich im ersten Monat des Jahres zur Erinnerung wiederholt wurde.

Aktuell wird ein Großteil dieser Lesung in der Abendsmahlfeier an Gründonnerstag gelesen, wo sie gut hinpasst, dazu 1 Kor 11, 23-26, während in Alter Zeit gewöhnlich keine Lesungen aus dem AT genommen wurden, so dass an Gründonnerstag der Einsetzungsbericht des Paulus im Kontext 1 Kor 11, 20-32 (also mit Ermahnungen für eine würdige Messfeier und Klarstellung, wer zum Kommunionempfang zugelassen ist) gelesen werden konnte.

Für die in der Lesung beschriebene Feier wurde ein Lamm geschlachtet und mit seinem Blut der Rahmen der Haustür bestrichen als Zeichen. Das Blut des Lammes schützte vor dem tötlichen Würgeengel, der an den markierten Häusern vorüberging.

Nach den synoptischen Evangelien war das Letzte Abendmahl eine solche Passah-Feier, nach dem Johannes-Evangelium war Passah am Karfreitag und Jesus ist als das wahre Passah-Lamm geschlachtet worden, dessen Blut alle Menschen von ihren Sünden erlöst und vor dem ewigen Tod schützt.

Darauf bezieht sich auch die Oratio, die in der aktuellen Messordnung als erste Möglichkeit nach der Lesung des Schöpfungsberichts vorgesehen ist.
Omnipotens sempiterne Deus, qui in omnium operum tuorum dispensatione mirabilis es: intelligant redempti tui, non fuisse excellentius quod initio factus est mundus, quam quod in fine saeculorum Pascha nostrum immolatus est Christus
Allmächtiger ewiger Gott, der du in der Anordnung all deiner Werke wunderbar bist: mögen deine Erlösten erkennen, dass nicht hervorragender gewesen ist, dass im Anfang die Welt geschaffen wurden, als dass am Ende der Zeiten Christus als unser Pascha geopfert wurde.

Bitte um friedliche Ausführung der beständigen Planung

Streng chronologisch vorgehend wurde in der Osternacht früher nach der Schöpfungsgeschichte von der Sintflut berichtet, in Auszügen aus den Kapitel fünf bis acht des Buches Genesis (genauer gesagt: Gen 5,32 – 6,22; 7,6.11b-14.18b-21.23b – 8,3.6-12.15-21a).
Im aktuellen Messbuch kommen die Ausschnitte Gen 6, 5-8; 7, 1-5.10 und Gen 8, 6-13.15-16a.18a.20-22 am Dienstag bzw. Mittwoch der sechsten Woche des Jahreskreises vor.

Was erzählt wird
Gen 5,32 – 6,4
  • Noach zeugte im Alter von fünfhundert Jahren Sem, Ham und Jafet. Da sprach der HERR: die Lebenszeit des Menschen soll hundertzwanzig Jahre betragen.
  • Grund: die Gottessöhne hatten mit den Menschentöchtern Kinder gezeugt, nämlich Riesen. Das sind die Helden der Vorzeit, die namhaften Männer. [Die Riesen aber wurden von Gott nicht erwählt wegen ihrer Torheit, wie in der Lesung aus dem Propheten Baruch besprochen. Auch erklärt Sir 16,7: „Gott vergab nicht den Riesen der Vorzeit, die abtrünnig wurden in ihrer Stärke.“]
Gen 6,5-6,22
  • „Der HERR sah, dass auf der Erde die Bosheit des Menschen zunahm“, „Da reute es den HERRN, den Menschen gemacht zu haben“; er beschloss, „den Menschen vom Erdboden [zu] vertilgen“, aber Noah zu verschonen, dem er die Arche zu bauen vorschrieb und erklärte: „Mit dir aber richte ich meinen Bund auf. Geh in die Arche.“
Kapitel 7 bis 8,3
  • „Noach war sechshundert Jahre alt, als die Flut, das Wasser, über die Erde kam.“ „Der Regen ergoss sich vierzig Tage und vierzig Nächte lang auf die Erde.“ „Da fanden alle Wesen aus Fleisch den Tod.“ „Übrig blieb nur Noach und was mit ihm in der Arche war.“ „Das Wasser nahm nach hundertfünfzig Tagen ab.“
Gen 8,6-12
  • „Nach vierzig Tagen öffnete Noach das Fenster“ und entließ erst einen Raben, der ein- und ausflog, dann eine Taube. „Die Taube fand nichts, wo sie ihre Füße ruhen lassen konnte, und kehrte zu ihm in die Arche zurück“ [Zur Bedeutung dieses Satzes vgl.a. die einschlägige Predigt des Herrn Molitors.] „Dann wartete er noch weitere sieben Tage“ Die Taube brachte einen frischen Ölzweig. „Er wartete noch weitere sieben Tage und ließ die Taube hinaus. Nun kehrte sie nicht mehr zu ihm zurück.“
 Gen 8,15-21
  • „Da sprach Gott zu Noach: Komm heraus aus der Arche … Bring mit dir alles Lebendige heraus … sie sollen fruchtbar sein und sich auf der Erde vermehren.“ Noah brachte dem Herrn ein Brandopfer von allen reinen Tieren und Vögeln dar. Und roch der Herr den Duft des Wohlgefallens und sprach: „Ich werde niemals wieder alles Lebendige schlagen, wie ich es getan habe.“
Es schloss sich dieses Gebet an:
Deus, incommutabilis virtus et lumen aeternum: respice propitius ad totius Ecclesiae tuae mirabile sacramentum, et opus salutis humanae, perpetuae dispositionis effectu tranquillius operare; totusque mundus experiatur et videat, deiecta erigi, inveterata renovari, et per ipsum redire omnia in integrum, a quo sumpsere principium: Dominum nostrum Iesum Christum Filium tuum
Gott, unveränderliche Kraft und ewiges Licht: blicke gnädig auf das wunderbare Sakrament deiner ganzen Kirche, und das Werk des menschlichen Heils bewirke friedlich durch die Ausführung deiner beständigen Planung; und die ganze Welt erfahre und sehe, dass das Niedergeworfene aufgerichtet, das Veraltete erneuert wurde und alles zurückgehe in den unversehrten Zustand durch jenen, von dem es seinen Anfang nahm: unseren Herrn Jesus Christus, deinen Sohn.
Im Gebet werden einige Aspekte der alten Lösung (Erde in den Ausgangszustand zurückversetzen, indem alles Fleisch stirbt) mit der neuen Lösung (Mensch in den Ausgangszustand vor dem Sündenfall zurückversetzen, indem Gott selbst Fleisch annimmt und stirbt) verglichen.

Der unveränderliche, ewige, perfekte Gott mit dem beständigen Heilsplan wird angerufen, während in der Lesung eine scheinbare Willensänderung Gottes erstaunt. [Inwiefern Gott etwas reuen kann siehe hier]
Statt der Radikalmaßnahme des Auswischens wird die friedliche Ausführung des beständigen Plans des Aufrichtens, Erneuens und Zurückgehens erbeten.

Fährt der Wind in dürre Gerippe

Die Lesung Ezechiel 37,1-14 war im Missale von 1570 für Oster- und Pfingstvigil vorgesehen; seit 1955 wird sie in der Osternacht nicht mehr gebraucht. Derzeit wird sie in der Vorabendmesse von Pfingsten und im Lesejahr B am Pfingstmontag [und am Freitag der 20. Woche im Jahreskreis] gelesen.

Sie beschreibt eine Vision der leiblichen Auferstehung des Volkes Israel durch die Gabe des Geistes.

Kernverse:
6b Ich gebe Geist in euch, sodass ihr lebendig werdet. Dann werdet ihr erkennen, dass ich der HERR bin.
12b Siehe, ich öffne eure Gräber und hole euch, mein Volk, aus euren Gräbern herauf.
13a Und ihr werdet erkennen, dass ich der HERR bin.

In der Auferstehung wird erkannt, wer der Gott ist. Passt zu Ostern, weil die Jünger nach der Gabe des Geistes aus Jesus Auferstehung der Wahrhaftigkeit seiner Gottessohnschaft vergewissert wurden. [vgl. Joh 20,27-28:
Dann sagte er zu Thomas: Streck deinen Finger hierher aus und sieh meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!
Thomas antwortete und sagte zu ihm: Mein Herr und mein Gott!]
Oratio in der Osternacht
Deus, qui nos ad celebrandum paschale sacramentum, utriusque testamenti paginis instruis: da nobis intelligere misericordiam tuam; ut ex perceptione praesentium munerum, firma sit exspectatio futurorum
Gott, der du uns zur Feier des Ostergeheimnisses aus den Seiten beider Testamente unterrichtest: gib uns, deine Barmherzigkeit zu verstehen, dass aus dem Empfang der gegenwärtigen Gaben fest sei die Erwartung der zukünftigen.
Der Empfang der Sakramente stärke unsere Hoffnung auf das ewige Leben.

Oratio in der Pfingstnacht
Domine Deus virtutum, qui collapsa reparas, et reparata conservas: auge populos in tui nominis sanctificatione renovandos; ut omnes, qui sacro baptismate diluuntur, tua semper inspiratione dirigantur
Herr Gott der Heerscharen, der das Zusammengesunkene wiederherstellt und das Wiederhergestellte bewahrst: fördere die zu erneuernden Völker in der Heiligung deines Namens, damit alle, die in der heiligen Taufe gereinigt werden, immer durch deine Eingebung geleitet werden.
Eigentlich hübsch, wie die Wiederherstellung in der Auferstehung (Lesung) mit der Wiederherstellung in der Taufe verknüpft wird, und die Leitung durch die Eingebungen des Geistes mit der Bewahrung des Wiederhergestellten.

Schnee auf dem Kreuzweg

Für die Osternacht in der gegenwärtigen Form sind zwei Lesungen aus dem Propheten Jesaja vorgesehen; die aus dem 55. Kapitel gab es auch schon im Tridentinischen Missale, dort allerdings schon mit dem letzten Vers von Kapitel 54 beginnend.
Der Text nach der EÜ2016 lautet:
Jes 54,17: Keine Waffe wird etwas ausrichten, die man gegen dich schmiedet; jede Zunge, die dich vor Gericht verklagt, wirst du schuldig sprechen. Das ist das Erbteil der Knechte des HERRN: Von mir kommt ihre Gerechtigkeit - Spruch des HERRN.
Jes 55,1 Auf, alle Durstigen, kommt zum Wasser! Die ihr kein Geld habt, kommt, kauft Getreide und esst, kommt und kauft ohne Geld und ohne Bezahlung Wein und Milch!
2 Warum bezahlt ihr mit Geld, was euch nicht nährt, und mit dem Lohn eurer Mühen, was euch nicht satt macht? Hört auf mich, dann bekommt ihr das Beste zu essen und könnt euch laben an fetten Speisen!
3 Neigt euer Ohr und kommt zu mir, hört und ihr werdet aufleben! Ich schließe mit euch einen ewigen Bund: Die Erweise der Huld für David sind beständig.
4 Siehe, ich habe ihn zum Zeugen für die Völker gemacht, zum Fürsten und Gebieter der Nationen.
5 Siehe, eine Nation, die du nicht kennst, wirst du rufen und eine Nation, die dich nicht kannte, eilt zu dir, um des HERRN, deines Gottes, des Heiligen Israels willen, weil er dich herrlich gemacht hat.
6 Sucht den HERRN, er lässt sich finden, ruft ihn an, er ist nah!
7 Der Frevler soll seinen Weg verlassen, der Übeltäter seine Pläne. Er kehre um zum HERRN, damit er Erbarmen hat mit ihm, und zu unserem Gott; denn er ist groß im Verzeihen.
8 Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken und eure Wege sind nicht meine Wege - Spruch des HERRN.
9 So hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch erhaben sind meine Wege über eure Wege und meine Gedanken über eure Gedanken.
10 Denn wie der Regen und der Schnee vom Himmel fällt und nicht dorthin zurückkehrt, ohne die Erde zu tränken und sie zum Keimen und Sprossen zu bringen, dass sie dem Sämann Samen gibt und Brot zum Essen,
11 so ist es auch mit dem Wort, das meinen Mund verlässt: Es kehrt nicht leer zu mir zurück, ohne zu bewirken, was ich will, und das zu erreichen, wozu ich es ausgesandt habe.
Zunächst irritierend ist der Wechsel zwischen Prophetenrede und Gottesrede. (Eine Handreichung des Bibelwerks schlägt vor, die Lesung von zwei Lektoren vortragen zu lassen und zuvor zu erläutern, das einer den Propheten und der andere Gottessprüche vorträgt - *Grusel*)

Die Lesung scheint sich direkt mit dem Ärgernis des Kreuzes zu beschäftigen, was weniger deutlich wird, seit der erste Vers (54,17, darin: „jede Zunge, die dich vor Gericht verklagt, wirst du schuldig sprechen“) weggelassen wird, denn der sagt gerade aus: obwohl man gegen dich kämpft und klagt, wird der Ankläger selbst verurteilt, denn „das ist das Erbteil der Knechte des HERRN: Von mir [dem Herrn] kommt ihre Gerechtigkeit“, und der Richter ist der vormals Angeklagte selbst. Wie würde man in weniger Worten das Ergebnis von Kreuz und Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus beschreiben?!

Die ersten Verse von Kapitel 55 führen im Grunde aus, was in Deut 8,3 gesagt ist:
Durch Hunger hat er dich gefügig gemacht und hat dich dann mit dem Manna gespeist, das du nicht kanntest und das auch deine Väter nicht kannten.
Er wollte dich erkennen lassen, dass der Mensch nicht nur von Brot lebt, sondern dass der Mensch von allem lebt, was der Mund des HERRN spricht.“
Das Wesentliche sind nicht weltliche Güter, die der Mensch sich erarbeiten kann, sondern die himmlischen, die er von Gott geschenkt bekommt, wenn er auf ihn hören will. (Hier klingt auch wieder das Thema von selbsterarbeiteter Gerechtigkeit gegen Rechtfertigung aus Gnade an, wie gehabt.)
[Und durch die Anspielung auf dieses Zitat wird das "nicht kennen" von Vers 5 vorbereitet.]

Der Bund des Herrn mit David, dass sein Nachkomme auf seinem Thron sitzen wird (oder in den Worten des Psalms 89:
4 Ich habe einen Bund geschlossen mit meinem Erwählten und David, meinem Knecht, geschworen:
5 Auf ewig gebe ich deinem Haus festen Bestand und von Geschlecht zu Geschlecht gründe ich deinen Thron.)
ist beständig: Jesus, der Nachkomme Davids, gekreuzigt und auferstanden, herrscht.

Es ist unklar, wer in Vers 4 der „Zeuge und Herrscher der Völkerschaften“ ist: David oder doch eher der Nachkomme. Vers 5 klärt: "Fremde Völker eilen zu dir, weil Gott dich verherrlicht hat." Und verherrlicht ist der Auferstandene. Bezüglich der fremden Völker hatte der Herr selbst angekündigt: "Und ich, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen". (Joh 12,32)

Verse 6-7 sind eine direkte Folge der Erlösung: es ist ein neues Chancen-Fenster (window of opportunity, wie wir neudeutsch sagen) geschaffen, uns mit dem Herrn versöhnen zu lassen. (Erkennt man besser in einer originalnäheren Übersetzung: 6 Suchet den HERRN, solange er zu finden ist; ruft ihn an, solange er nahe ist.) Wobei die zeitliche Begrenzung wohl nicht im Herrn liegt, sondern in unserer Sterblichkeit …

Der letzte Abschnitt (Verse 8-11) erläutert das Skandalon des Kreuzes, dass den Jüngern in Folge des Karfreitags so viel Kopfzerbrechen bereitete, das auch das leere Grab nur schlimmer machen konnte. Den Tod als Weg zum Leben zu begreifen bedarf durchaus des Beistandes des Heiligen Geistes, obwohl schon hier Jesaja sagt: „eure Wege sind nicht meine Wege“, und gegen das scheinbare Versagen Jesu in der Sinnlosigkeit des Kreuzes: "Mein Wort erreicht, wozu ich es ausgesandt habe".

Die Oratio von 1570 nimmt das Osterthema des durch die Taufe erweiterten Gottesvolkes anlässlich des Verses „eine Nation, die dich nicht kannte, eilt zu dir“ auf, und bestätigt die Erfüllung der Verheißungen Gottes in seinem Sohn.

Die Kirche betet:
Omnipotens sempiterne Deus, multiplica in honorem nominis tui, quod patrum fidei spopondisti: et promissionis filios sacra adoptione dilata; ut, quod priores sancti non dubitaverunt futurum, Ecclesia tua magna iam ex parte cognoscat impletum
Allmächtiger ewiger Gott, vermehre zur Ehre deines Namens, was du dem Glauben der Väter versprochen hat, und erweitere die Söhne der Verheißung durch die heilige Anwahl*, damit deine Kirche erkenne, dass das, was die früheren Heiligen geschehen zu werden nicht bezweifelt haben, zum großen Teil schon erfüllt ist.
[*Anwahl ist jetzt ein Stück-für-Stück Neologismus für Ad-option oder Annahme an Kindes Statt]

Die im Messbuch von 2002 nach dieser Lesung vorgesehene Oratio war 1570 nach der 12. Lesung aus Dan 3, 1-24 vorgesehen, wird also kaum spezifisch für den Jesaja-Text sein:
Omnípotens sempitérne Deus, spes única mundi, qui prophetárum tuórum præcónio præséntium témporum declarásti mystéria, auge pópuli tui vota placátus, quia in nullo fidélium nisi ex tua inspiratióne provéniunt quarúmlibet increménta virtútum.
Allmächtiger, ewiger Gott, einzige Hoffnung der Welt, der du durch die Verkündigung deiner Propheten die Geheimnisse der gegenwärtigen Zeiten erklärt hast, fördere versöhnt deines Volkes Gebete, da in keinem der Gläubigen, wenn nicht aus deiner Eingebung, Zuwächse irgendwelcher Tugenden entstehen

Donnerstag, 18. April 2019

Weisheit gestern und heute

Die Lesung aus dem Propheten Baruch ist im alten Missale (Bar 3, 9-38) zwar aufgrund prophetischer Weitschweifigkeit lang, inhaltlich aber gut auf den Punkt zu bringen. Im aktuellen Messbuch zerfällt sie in zwei Teile (Bar 3,9-15 und 3,31-4,4), wobei der Mittelteil ausgeschnitten wurde und vier Verse aus Kapitel 4 angehängt sind.

Bar 3
Verse 9-15: Israel leidet Strafe, weil es „den Quell der Weisheit verlassen“ hat und nicht „auf Gottes Weg gegangen“ ist, der „Frieden für immer“ garantiert hätte. Nun muss es lernen „wo die Einsicht ist“. Aber: „Wer hat je ihren Ort gefunden?“

Verse 16-21: In Naturwissenschaft und Technik ist keine Weisheit zu finden.
Verse 22-23: In Weltgewandtheit, Ökonomie, allerlei Fertigkeiten führen nicht zu Weisheit.
Verse 23-28: Körperliche Vorzüge und Kriegserfolge führen nicht zur Erwählung durch Gott (wegen Torheit)
Verse 29-30: Suchte man in fernen Gegenden und brächte viel Geld: man findet keine Weisheit.

Zwischenfazit
31 Keiner weiß ihren Weg, niemand kennt ihren Pfad.
Verse 32-36: Lob auf Gott, bei dem Weisheit und Einsicht sind.

Kernstelle
37 Er hat den Weg der Erkenntnis ganz erkundet und hat sie Jakob, seinem Diener, verliehen, Israel, seinem Liebling.
38 Dann erschien sie auf der Erde und lebte mit den Menschen.
Bar 4, 1-4: Die Weisheit besteht im Gesetz Gottes, das Leben bringt. Seligpreisung Israel für die Kenntnis des Gesetzes und Manung, zur Weisung Gottes umzukehren.
Der blaue Teil ist im aktuellen Messbuch nicht enthalten, dafür ist der grüne ergänzt.

Fußnote zu Bar 3,38
Dieser Vers wurde in der Auslegungsgeschichte auf die Menschwerdung Christi bezogen.
Die Schnell&Einfach-Deutung:
Die Weisheit Gottes wurde dem Auserwählten Volk vorläufig im Gesetz und dem erweiterten Volk Gottes endgültig in Christus offenbart.

Man könnte sagen: so wie die Deut-31-Lesung den Unterschied zwischen Gesetz und Gnade, zwischen Mose (im Begriff zu sterben, sorgt sich um das verlassene Volk) und Christus (stirbt, verlässt seine Jünger aber nicht) betont, so weist Baruch hier auf den gemeinsamen Grund, die Quelle der Weisheit, hin.

Leider findet der Inhalt der Lesung wenig Widerhall in den nachfolgenden Gebeten.

Oratio an Ostern (Messbuch 1570 und 2002)
Deus, qui Ecclesiam tuam semper gentium vocatione multiplicas: concede propitius; ut, quos aqua baptismatis abluis, continua protectione tuearis
Gott, der du deine Kirche durch Berufung der Völker vergrößerst: gewähre gnädig, dass die, welche du durch das Wasser der Taufe reinigst, durch deinen beständigen Schutz bewahrt werden.
Sehr allgemeines Gebet, dass jeden Tag stehen könnte; allein die Erwähnung der Taufe stellt einen Bezug zur Osternacht her. In der „Berufung der Völker“ klingt die Gen-22-Lesung an.

Oratio zu Pfingsten (Messbuch 1570)
Deus, qui nobis per Prophetarum ora praecipisti temporalia relinquere, atque ad aeterna festinare: da famulis tuis; ut, quae a te iussa cognovimus, implere caelesti inspiratione valeamus
Gott, der du uns durch die Münder der Propheten vorgeschrieben hast, die zeitlichen [Güter] zu verlassen und zu den ewigen zu eilen: gib deinen Dienern, dass welche wir als von dir befohlen erkennen, wir durch himmlische Eingebung zu erfüllen vermögen.
Immerhin ein Bezug zu den Geboten („welche wir als von dir befohlen erkennen“) und die Bitte um die Hilfe des Heiligen Geistes bei der Umsetzung („durch himmlische Eingebung zu erfüllen“) – passt ja gut zu Pfingsten. Vielleicht hat die Lesung da ihren eigentlichen Platz.

Das Lied vom demütigenden Strafgericht

Die Lesung aus Deut 31 ähnelt der aus Jes 4 insofern, als sie seit spätestens 1570 für Oster- und Pfingstvigil vorgesehen war, sich 1955 als eine von nur vier Lesungen in der Osternacht hielt und 1970 komplett aus dem Lektionar verschwand.

Worum geht es?
Vorgeschichte in Deut 31
10 In jedem siebten Jahr, in einer der Festzeiten des Brachjahres, beim Laubhüttenfest,
11 wenn ganz Israel zusammenkommt, um an der Stätte, die der HERR erwählen wird, vor dem Angesicht des HERRN, deines Gottes, zu erscheinen, sollst du diese Weisung vor ganz Israel laut vortragen.
14 Der HERR sagte zu Mose: Sieh, deine Zeit ist gekommen: Du wirst sterben.
16 Und der HERR sagte zu Mose: Sieh, du wirst jetzt bald zu deinen Vätern gebettet werden. Dann wird dieses Volk sich erheben … und meinen Bund brechen
19 Doch jetzt schreibt dieses Lied auf! Lehre es die Israeliten! Lass es sie auswendig lernen, damit dieses Lied mein Zeuge gegen die Israeliten werde!
Lesung
22 An jenem Tag schrieb Mose dieses Lied auf und lehrte es die Israeliten.
23 Der HERR aber beauftragte Josua, den Sohn Nuns, und sagte: Empfange Vollmacht und Kraft: Du sollst die Israeliten in das Land führen, das ich ihnen mit einem Schwur versprochen habe. Ich werde bei dir sein.
24 Als Mose damit zu Ende war, den Text dieser Weisung in eine Urkunde einzutragen, ohne irgendetwas auszulassen,
25 befahl Mose den Leviten, die die Lade des Bundes des HERRN trugen:
26 Nehmt diese Urkunde der Weisung entgegen und legt sie neben die Lade des Bundes des HERRN, eures Gottes! Dort diene sie als Zeuge gegen dich.
27 Denn ich kenne deine Widersetzlichkeit und deine Hartnäckigkeit. Seht, schon jetzt, wo ich noch unter euch lebe, habt ihr euch dem HERRN widersetzt. Was wird erst nach meinem Tod geschehen?
28 Versammelt um mich alle Ältesten eurer Stämme und alle eure Listenführer, damit ich ihnen diesen Text vortragen und Himmel und Erde gegen sie als Zeugen anrufen kann!
29 Denn ich weiß: Nach meinem Tod werdet ihr ins Verderben laufen und von dem Weg abweichen, auf den ich euch verpflichtet habe. Dann, in künftigen Tagen, wird euch die Not begegnen, weil ihr tut, was in den Augen des HERRN böse ist, und weil ihr ihn durch euer Machwerk erzürnt.
30 Und Mose trug der vollzähligen Versammlung Israels den Wortlaut dieses Liedes vor, ohne irgendetwas auszulassen.
In dieser Perikope ist im Prinzip begründet, was der Apostel Paulus nicht müde wurde auszuführen:
Röm 2,12:
„die unter dem Gesetz sündigten, werden durch das Gesetz gerichtet werden“
Röm 3,20:
„Denn aus Werken des Gesetzes wird niemand vor ihm gerecht werden; denn durch das Gesetz kommt es nur zur Erkenntnis der Sünde.“
oder passend zur Lesung aus Gen 22  in Röm 4,13-16:
Denn Abraham und seine Nachkommen erhielten nicht aufgrund des Gesetzes die Verheißung, Erben der Welt zu sein, sondern aufgrund der Glaubensgerechtigkeit. Wenn nämlich jene Erben sind, die aus dem Gesetz leben, dann ist der Glaube entleert und die Verheißung außer Kraft gesetzt. Denn das Gesetz bewirkt Zorn; wo aber kein Gesetz ist, da ist auch keine Übertretung. Deshalb gilt: aus Glauben, damit auch gilt: aus Gnade. Nur so bleibt die Verheißung für die ganze Nachkommenschaft gültig, nicht nur für die, welche aus dem Gesetz, sondern auch für die, welche aus dem Glauben Abrahams leben. Er ist unser aller Vater.
Oder in den wohlbekannten Worten des Johannes-Prologs Joh 1,16f.:
Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade. Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben, die Gnade und die Wahrheit kamen durch Jesus Christus.
Nach der Lesung folgt als Tractus der Beginn des Liedes aus Deut 32:
1 Hört zu, ihr Himmel, ich will reden, die Erde lausche meinen Worten.
2 Meine Lehre wird strömen wie Regen, meine Botschaft wird fallen wie Tau, wie Regentropfen auf das Gras und wie Tauperlen auf die Pflanzen.
3 Ich will den Namen des HERRN verkünden. Preist die Größe unseres Gottes!
4 Er heißt: Der Fels. Vollkommen ist, was er tut; denn alle seine Wege sind recht. Er ist ein unbeirrbar treuer Gott, er ist gerecht und gerade.
Die „Geradeheit“ der Gebote Gottes wurde der Verdrehtheit des menschlichen Willens, der durch den Gehorsam (letztendlich den Gehorsam Jesu in der Passion, vorgebildet in dem Gehorsam Abrahams) gebrochen werden muss, bereits entgegengesetzt, wie es denn auch gleich in Deut 32,5 weitergeht:
Ein falsches, verdrehtes Geschlecht fiel von ihm ab, Verkrüppelte, die nicht mehr seine Söhne sind.
Wie antwortet die betende Kirche?

Oratio der Osternacht
Deus, celsitudo humilium et fortitudo rectorum, qui per sanctum Moysen puerum tuum ita erudire populum tuum sacri carminis tui decantatione voluisti, ut illa legis iteratio fieret etiam nostra directio: excita in omnem iustificatarum gentium plenitudinem potentiam tuam, et da laetitiam, mitigando terrorem; ut omnium peccatis tua remissione deletis, quod denuntiatum est in ultionem, transeat in salutem
Gott, du Hoheit der Niedrigen und Stärke der Geraden, der du durch deinen heiligen Diener Mose dein Volk durch die Absingung deines heiligen Liedes so lehren wolltest, dass jene Wiederholung des Gesetzes auch unsere gerade Ausrichtung werde: erwecke deine Macht über die ganze Fülle der gerechtfertigten Völker und gib Freude durch Milderung des Schrecken; damit, nachdem die Sünden aller durch deine Verzeihung getilgt sind, das, was als Strafgericht angekündigt wurde, sich in Heil verwandle.
und sehr ähnlich

Oratio der Pfingstnacht
Deus, glorificatio fidelium, et vita iustorum, qui per Moysen famulum tuum nos quoque modulatione sacri carminis erudisti: universis gentibus misericordiae tuae munus operare, tribuendo beatitudinem, auferendo terrorem; ut, quod pronuntiatum est ad supplicium, in remedium transferatur aeternum
Gott, Verherrlichung der Gläubigen und Leben der Gerechten, der du durch deinen Helfer Moses auch uns durch die Melodie des heiligen Liedes gelehrt hast: wirke sämtlichen Völkern die Gnade deiner Barmherzigkeit, indem du Seligkeit schenkst und Schrecken wegnimmst; damit was als demütigendes Strafgericht angekündigt war zum ewigen Heilmittel umgewandelt werde.
Es wird also der Unterschied zwischen Gesetz (Nachweis der Sünde in Moses Lied) und Gnade (Vergebung der Sünden) herausgestellt, wie z.B. auch in Apg 13, 37-40:
37 Der, den Gott auferweckte, hat die Verwesung nicht gesehen.
38 Ihr sollt also wissen, meine Brüder: Durch diesen wird euch die Vergebung der Sünden verkündet und in allem, worin euch das Gesetz des Mose nicht gerecht machen konnte,
39 wird jeder, der glaubt, durch ihn gerecht gemacht.
40 Gebt also Acht, dass nicht eintrifft, was bei den Propheten gesagt ist
Den Unterschied zwischen Strafgericht/Schrecken – Heil wurde schon bei der Betrachtung der Feuerweihe gemacht, als zitiert wurde:
Denn bei dem Tode Jesu erlosch, oder wurde beendiget das alte Gesetz, das Gesetz der Furcht; bei der Auferstehung aber begann das neue Gesetz, welches ein Gesetz der Liebe ist, die Herzen der Gläubigen entzündend mit dem neuen Feuer der Liebe, das aus Christus strömt.

Brennt in der Osternacht das Fegefeuer? / ergänzt

In Verfolg der Bemühungen um die Einordnung der alttestamentlichen Lesungen in den Rahmen der Osternacht stellt die Lesung aus dem vierten Kapitel des Propheten Jesaja ein rechtes Hindernis dar.
Sie ist einerseits wichtig, wie man daran erkennt, dass sie zu den Lesungen gehört, die nach der alten Ordnung sowohl an Ostern als auch an Pfingsten gelesen wurden, und (was fast noch aussagekräftiger ist) in der Reform von 1955, bei der ¾ der Lesungen gestrichen wurden, als eine von vier AT-Lesungen in der Osternacht erhalten geblieben ist.
Andererseits ist das Kapitel schwer verständlich, weshalb es 1970 nicht nur aus der Osternacht, sondern fast* vollständig aus dem Lektionar gestrichen wurde.
[* Wenn im Lesejahr A die eigentlich für den Montag der ersten Adventwoche vorgesehene Lesung Jes 2,15 schon am Sonntag dran war, kann man alternativ Jes 4,2-6 nehmen.]

Man kann es sich kurz angucken und die prophetischen Anspielungen einzeln auseinanderklamüsern. Text nach der Einheitsübersetzung 2016:
1 An jenem Tag klammern sich sieben Frauen an einen einzigen Mann und sagen: Wir wollen unser eigenes Brot essen und uns selber kleiden, nur dein Name sei über uns ausgerufen, nimm die Schande von uns!
2 An jenem Tag wird der Spross des HERRN zur Zierde und zur Herrlichkeit sein und die Frucht des Landes zum Stolz und zum Schmuck für die Entronnenen Israels.
3 Dann wird der Rest in Zion, und wer in Jerusalem noch übrig ist, heilig genannt werden, jeder, der zum Leben eingeschrieben ist in Jerusalem.
4 Wenn der Herr den Kot der Töchter Zions abgewaschen und die Bluttaten Jerusalems aus ihrer Mitte durch den Sturm des Gerichts und den Sturm der Verwüstung weggespült hat,
5 dann erschafft der HERR über der ganzen Stätte des Berges Zion und über ihren Versammlungen eine Wolke bei Tag und Rauch und eine strahlende Feuerflamme bei Nacht. Denn über der ganzen Herrlichkeit ist eine Decke.
6 Und eine Hütte wird bei Tag Schatten spenden vor der Hitze und sie dient als Zuflucht und Versteck vor Unwetter und Regen.
Vers 1 wurde in der Lesung für die Osternacht nach der Ordnung von 1955 gestrichen, da er scheinbar nicht zum Rest passt. [Daher die abweichende Farbgebung.] Er ist quasi eine Fortsetzung des vorherigen Kapitels, dessen letzter Abschnitt in meiner Ausgabe „Gericht über die Töchter Zions“ überschrieben ist. Dort werden die Gottvergessenenheit und die Ungerechtigkeit in der Verwaltung Jerusalems und Judas als Schöntuerei der „Töchter Zions“ beschrieben, die ein Ende findet.
Hier, im nächsten Kapitel, wird dem ganzen eine positive Wendung gegeben („Reue“), d.h. sieben Frauen (sieben steht im Hebräischen auch für Fülle, also alle) wollen einen Mann (also genau das Gegenteil der Schöntuerei im letzten Kapitel), und das nicht als reguläre Heirat mit Unterhalt und allem, sondern nur noch zur Schandentilgung [wie der verschwenderische Sohn nicht mehr Sohn, sondern nur noch Tagelöhner sein will (Lk 15,19)].

Zum Ausdruck „Tochter Zion“ wird gelehrt:
Zion ist ein „personifizierter Stadttitel“ für Jerusalem, Tochter Zion ein „Heilstitel des jüdischen Volkes“, dem „eine eigene metaphorische Qualität anhaftet“ und der „einen spezifischen theologischen Aussagewillen erkennen lässt“. „Die Belege für die Personifikation beschränken sich … auf drei Textsorten: … Texte, die von der Klage geprägt sind. Hier ist Jerusalem leidendes Kriegsopfer, Witwe und verlassene Mutter. [passt hier, vgl. Jes 3 vorher] Zum anderen handelt es sich um Texte, in denen die Stadt als Abtrünnige, Hure und Ehebrecherin Adressatin von Anklagen ist [passt auch]. Schließlich findet sich eine Reihe von Texten, die der Heilsankündigung zuzurechnen sind [das ist die hier betrachtete Perikope]“

Erstaunlicherweise wird in dem zitierten Artikel auf viele AT-Stellen eingegangen, nicht aber auf Jes 4, vermutlich, weil die Töchter hier Plural sind. Ich würde sagen, die Bevölkerung ist hier keine Einheit (eine Tochter), sondern wird in die Bewohner (Töchter) aufgeteilt, von denen nur ein heiliger Rest (Vers 3) übrigbleibt.

Vers 2: Der „Spross des HERRN wird zur Zierde und zur Herrlichkeit“. Erinnert 1. an Texte wie
Jer 23,5f.
23/5 Siehe, Tage kommen, spricht der HERR, da werde ich dem David einen gerechten Sproß erwecken. Der wird als König regieren und verständig handeln und Recht und Gerechtigkeit im Land üben. 23/6 In seinen Tagen wird Juda gerettet werden und Israel in Sicherheit wohnen. Und dies wird sein Name sein, mit dem man ihn nennen wird: Der HERR, unsere Gerechtigkeit.
oder Jer 33,15f.
33/15 In diesen Tagen und zu dieser Zeit werde ich dem David einen Sproß der Gerechtigkeit hervorsprossen lassen, der wird Recht und Gerechtigkeit üben im Land. 33/16 In jenen Tagen wird Juda gerettet, und Jerusalem wird in Sicherheit wohnen. Und das wird [sein Name] sein, mit dem man es benennt: Der HERR, unsere Gerechtigkeit.
Nur das hier nicht ein Sproß Davids, sondern des Herrn, gemeint ist, der gleichzeitig „Frucht des Landes“ ist. Hm, jemand der Sohn Gottes und ein Mensch aus Israel ist ...

Vereinfachend wird hier angenommen, es handele sich um einen Hinweis auf den Messias, der den im Text beschriebenen Umschwung einleitet, wobei natürlich Beschreibungen wie „Herrlichkeit“ und „Zierde“ und „Stolz“ und „Schmuck“ nicht unbedingt auf das erste Kommen des Heilands im Fleische hindeuten.

Vers 3: Nach diesen Ereignissen sind die Bösen vertilgt, der Rest ist heilig.
Das ist ja jetzt auch noch nicht vollständig eingetreten. Da aber – im Lichte des Neuen Testaments gelesen – Jerusalem für die Kirche steht [und sich die Anspielung auf den Messias in Vers 2 also auf die zweite Ankunft „in den Herzen“ beziehen könnte] und sich in der Osternacht alles um die Taufe dreht – ist wohl gemeint, dass die Getauften der Heilige Rest sind?

Oder handelt es sich eher um eine endzeitliche Vision, das Kommen des Heilands in Herrlichkeit zum Gericht, wie der folgende Vers vermuten lässt?

Vers 4: Der „Kot der Töchter Zions [wird] abgewaschen“ „durch den Sturm des Gerichts und den Sturm der Verwüstung“, wie die Einheitsübersetzung verstehen will. Ich persönlich [aber was heißt das schon] sehe nicht, warum man hier „Ruach“ anders als sonst immer („Geist“) auffassen muss. Zum Vergleich folgen ein paar Verständnisalternativen:
  • Luther 2017: „durch den Geist des Rechts und den Geist der Läuterung“
  • Elberfelder: „durch Geist des Gerichts und durch den Geist des Ausrottens (oder Niederbrennens oder Säuberns)“
  • Hoffnung für alle: „durch seinen Geist, der Gericht hält und wie ein Feuer brennt,“
  • Schlachter 2000: „durch den Geist des Gerichts und den Geist der Vertilgung“
  • Neue evangelistische Übersetzung: „durch den Sturm von Gericht und Läuterung“
  • Zürcher Bibel 1942: „durch den Sturm des Gerichts und den Sturm der Vertilgung“
  • Riessler 1957: „durch des Gerichtes Sturmflut und durch Feuerguß“
  • Pattloch 1962: „durch den Sturm des Gerichts und den Sturm der Verwüstung“
  • Septuaginta: „durch den Geist des Gerichts und den Geist des Verbrennens“
  • Vulgata: wie Septuaginta (oder Verbrennen = Leidenschaft?)
Das Gericht ist klar genug. Das „abspülen“ passt zu „Sturm“ genausowenig wie zu „Geist“. (Außer dass die Wurzel von abspülen [dawach] in hebräischer Schrift fast genauso aussieht wie Ruach). Ich geh mit Geist.

Und warum in der Osternacht eigentlich nicht den Geist des Verbrennens, wie in Num 11/1:
Und es geschah, als das Volk sich in Klagen erging, da war es böse in den Ohren des HERRN. Und als der HERR es hörte, da erglühte sein Zorn, und ein Feuer des HERRN brannte unter ihnen und fraß am Rand des Lagers.
Das Feuer des Gerichts wäre dann aber keines der Vernichtung, Ausrottung oder Vertilgung, sondern, wie einige haben, der Läuterung, was total sinnvoll ist, weil ja der Kot abgewaschen wird, und nicht ein (weiterer) Teil der Töchter Zions ausgerottet.

Vers 5: Gott ist in ihrer Mitte als Wolke bei Tag / Feuer bei Nacht, genau wie bei der Wüstenwanderung (vgl. Ex-14-Lesung).

Vers 6: Die „Hütte“ ist im Original „Sukkot“, das ist „Laubhütte“, in denen Israel bei der Wüstenwanderung wohnte, und das Laubhüttenfest, zu dem erläutert wird (von einer Quelle, die beim copy-pasten verloren gegangen ist 😖):
Nach dem Exil wird Sukkot zu einem historischen Fest, das mit der Wüstenwanderung nach dem Auszug aus Ägypten begründet wird und das Wohnen in Laubhütten während der Festzeit vorschreibt.
Nach dem Propheten Sacharja (Sach 14,16-19) wird Sukkot im messianischen Zeitalter ein universelles Fest sein, zu dem alle Nationen nach Jerusalem pilgern werden.
Hier ist also wieder ein messianischer Hinweis, und ein Hinweis auf einen Übergangszustand, denn es wird ja nicht auf das Gelobte Land, sondern auf die Wüstenwanderung angespielt.

Und da interpretiere ich wild: ein Zwischenzustand, wo der Kot abgewaschen wird durch Gericht und Verbrennen, nachdem der Messias kam und Gott in der Mitte der Kirche wohnt --- da muss es sich doch um das Fegefeuer handeln!?

Was aber sagt der Kontext der Osternacht? Der Tractus aus Jes 5,1-2 ist die direkte Fortsetzung der Lesung [Jesaja Kapitel 4 hat nur die 6 Verse]:

Tractus
1 Mein Freund hatte einen Weinberg auf einer fruchtbaren Höhe.
2 Er grub ihn um und entfernte die Steine und bepflanzte ihn mit edlen Reben.
Er baute in seiner Mitte einen Turm und hieb eine Kelter in ihm aus. Denn der Weinberg des Herrn der Heerscharen ist das Haus Israel
[Der farblich markierte Text steht im Tractus, aber nicht in der Bibel.]

Die Orationes gehen auf diesen Hinweis mit dem Weinberg dankbarer ein:

Oratio in der Osternacht
Deus, qui in omnibus Ecclesiae tuae filiis, sanctorum prophetarum voce manifestasti, in omni loco dominationis tuae, satorem te bonorum seminum et electorum palmitum esse cultorem: tribue populis tuis, qui et vinearum apud te nomine censentur, et segetum; ut, spinarum et tribulorum squalore resecato, digna efficiantur fruge foecundi
Gott, der du allen Kindern deiner Kirche durch die Stimme der heiligen Propheten verkünden ließest, dass du an allen Orten deiner Herrschaft Sämann guten Samens und Pflanzer erlesener Weinstöcke bist: gewähre deinen Völkern, die dir als Weingärten und Saatfelder gelten: dass, nachdem der Schmutz der Dornen und Burzeldorne zurückgeschnitten ist, sie fruchtbar würdige Früchte hervorbringen.
[Jetzt wissen wir ja, dass der Sämann guten Samens den Lolch aus dem untergejubelten Samen nicht ausreissen ließ bis zur Ernte (Mt 13,24-30). Wieder ein Hinweis auf das Fegefeuer?]

Zu den Burzeldornen: das lateinische tribulus ist ein Fremdwort aus dem Griechischen, wo es allgemein „stacheliges Unkraut“ heißt; normalerweise wird tribulus gerne frei als Distel übersetzt) [z.B. nach dem Sündenfall in Gen 3,18: „… so sei der Erdboden verflucht um deinetwillen: mit Mühsal sollst du davon essen alle Tage deines Lebens; 3/18 und Dornen und Disteln wird er dir sprossen lassen …“ oder auch Mt 7,16: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. Liest man etwa von Dornen eine Traube oder von Disteln Feigen?“ oder Hebr 6,7f.: „6/7 Denn ein Land, das den häufig darauf kommenden Regen trinkt und nützliches Kraut hervorbringt für diejenigen, um derentwillen es auch bebaut wird, empfängt Segen von Gott; 6/8 wenn es aber Dornen und Disteln hervorbringt, so ist es unbrauchbar und dem Fluch nahe, der am Ende zur Verbrennung führt.“
[ah, wieder das Verbrennen]

[Unwichtiges Detail: für zurückgeschnitten (oder beseitigt) steht „resecato“, was italienisch ist (die Form wird gebildet, als ob resecare ein regelmäßiges Verb wäre), korrektes Latein wäre resecto]

Das Gebet klingt eigentlich weniger endzeitlich. Eigentlich mehr so, als bete die Kirche besser zu fruchten, nachdem der Weinberg der Kirche gereinigt wurde.

Wobei unklar ist, wie das mit der Osternacht zusammenhängt, da zum einen die Taufe als Reinigung der neuen Glieder und zum anderen Tod und Auferstehung D.N.I.C. zur Erlösung der Menschheit [die sich im Gericht als hilfreich erweisen wird, wenn man bis dahin angemessen auf die Gnade Gottes geantwortet hat] vorkommen, bisher aber nicht eine zwischenzeitliche Reinigung.

Oratio in der Pfingstvigil:
Omnipotens sempiterne Deus, qui per unicum Filium tuum, Ecclesiae tuae demonstrasti te esse cultorem, omnem palmitem, fructum in eodem Christo tuo, qui vera vitis est, afferentem, clementer excolens, ut fructus afferat ampliores: fidelibus tuis, quos velut vineam ex Aegypto per fontem baptismi transtulisti, nulla peccatorum spinae praevaleant; ut Spiritus tui sanctificatione muniti, perpetua fruge ditentur
Allmächtiger ewiger Gott, der du durch deinen einzigen Sohn deiner Kirche gezeigt hast, dass du der Anbauer des ganzen Weinstocks, der Frucht in deinem besagten Christus, welcher die wahre Rebe ist, bringt, bist, den du sanft ausputzt, dass er reichere Frucht bringe: gegen deine Gläubigen, die du wie einen Weinstock aus Ägypten durch die Quelle der Taufe hinübergetragen hast, mögen die Dornen der Sünden in nichts die Oberhand behalten, dass sie [die Gläubigen], durch die Heiligung deines Geistes bekräftigt, durch die ewige Frucht bereichert werden.
Das sieht fast so aus, als hätte jemand alle Bibelverse, in denen etwas mit Weinberg/-stock/-rebe vorkam, zusammengestoppelt. Kommt aber auch irgendwie darauf hinaus, dass Gott die trockenen Reben abschneiden möge, aber doch so, dass wir die Sünden besiegen und die ewige Frucht (also das Himmelreich) erlangen mögen.

Wenn man dem „sanft ausputzend“ allerdings Joh 15/2 entgegensetzt: „Jede Rebe an mir, die nicht Frucht bringt, die nimmt er weg; und jede, die Frucht bringt, die reinigt er, daß sie mehr Frucht bringe.“ wird hier noch ein erster Teil betont, der das Wegnehmen (und ins Feuer werfen, Joh 15,6) beinhaltet.

Möge also, lese ich aus Jes 4, der Allmächtige uns vor dem Feuer der Hölle verschonen und gnädig Zugang zum Fegefeuer gewähren, dass wir nach abgebüßter zeitlicher Strafe uns an der Feuersäule seiner Gegenwart zu erfreuen zugelassen werden.



Ergänzung
Hier hätten wir ein Beispiel, wie man auf beiden Augen blind sein kann.
Zum einem wunderte ich mich bei der Oratio nach der Ex-14-Lesung

Gott, der du die [Bedeutung der] in den Vorzeiten vollbrachten Wunder durch das Licht des Neuen Testamentes offenbart hast: dass sowohl das Rote Meer als Symbol der heiligen Quelle [=des Taufbrunnens] sich zeigt als auch das aus der Knechtschaft befreite Volk die Sakramente der Christenheit darstellt …

dass die Sakramente im Plural stehen, und glaubte, es läge daran, dass diese spezielle Oratio an Pfingsten gebetet werde, oder daran, dass die Erwachsenen bei der Taufe gleich gefirmt werden.
Zum anderen habe ich hier einen „Heiligen Rest“, der durch den Messias gerettet wurde, der „durch den Geist des Gerichts und durch den Geist der Läuterung“ von Schmutz gereinigt wird, während Gott in ihrer Mitte ist.
Und sehe nicht, dass es ein Sakrament gibt, das der Beschreibung der Jes-4-Lesung exakt entspricht.
Möchte daher als Alternative zur Fegefeuer-Interpretation nachtragen, dass in der hier besprochenen Perikope möglicherweise die Beichte beschrieben wird, die möglich wurde, weil DNIC durch sein Leiden, Kreuz und Auferstehung die Erbsünde getilgt und uns den Weg zu Nachlass, Vergebung und Verzeihung unserer Sünden eröffnet hat.
 

Wie das Blut Christi uns zur Ausdauer mahnt

Nach dem Empfang des Leibes Christi nimmt der Priester den Kelch und betet
Das Blut Christi geleite mich zum ewigen Leben.
und kommuniziert ehrfürchtig das Blut. Danach teilt der die Kommunion an die Gemeinde aus.

Nach der alten Ordnung machte der Priester zunächst noch eine Kniebeuge vor dem offenen Kelch, sammelte eventuell auf dem Korporale liegende Partikel des Allerheiligsten ein, wischte solche von der Patene in den Kelch und betete dabei Ps 116,12f. und Ps 18,4
Quid retríbuam Dómino pro ómnibus, quæ retríbuit mihi? Cálicem salutáris accípiam, et nomen Dómini invocábo. Laudans invocábo Dóminum, et ab inimícis meis salvus ero.
Was kann ich dem Herrn zurückgeben für alles, was er mir gegeben hat? Den Kelch des Heils will ich ergreifen und den Namen des Herrn anrufen. Lobend werde ich den Herrn anrufen und von meinen Feinden gerettet sein.
Zu diesem Gebet kommentiert der früher schon einmal zitierte Molitor:

Ich kann dem Herrn, der für uns gelitten hat und wollte, dass wir seinem Beispiel folgen, vergelten, indem auch ich Leiden und Bedrängungen geduldig ertrage. Solchen aber, die selbst um Jesus Willen nichts ertragen wollen, wird er am Tage des Gerichts sein Leiden vorhalten, das er wegen ihnen erlitten hat und für welches sie ihm nicht zurückgeben wollten.

Diese Bemerkung ist Teil einer Ausführung über die Tugend der Geduld, welche wichtig ist aus vier Gründen:

[Man versteht einige Gleichsetzungen im Folgenden besser, wenn man sich erinnert, dass Geduld = patientia auch Ankläge von erleiden, ertragen, Ausdauer, Gelassenheit, aushalten, überstehen, zulassen bis zu ‚das Martyrium erleiden’ mitschwingen lässt.]

1. Geduld/Ausdauer macht den Menschen zum Märtyrer.
Gregor: Man kann ohne Schwert und Flammen Martyrer sein, wenn wir wahre patientia im Herzen bewahren. Wie auch über den Hl. Martin gesungen wird: „o heiligstes Seele, die wenn sie auch das Schwert des Verfolgers nicht empfing, dennoch die Palme des Martyriums nicht verlor.“
[Hinweis: Der Hl. Martin war der erste offizielle Heilige der Kirche, der nicht als Martyrer gestorben ist.]

Und über den Hl. Johannes Apostel & Evangelist sagt Hieromymus: „Zwar vergoss der Verfolger sein Blut nicht, dennoch hat er das Martyrium in der Seele: denn geduldig war er in Bedrängnissen, und hatte den Willen zur Ausdauer.“
Mehr Verdienst hat, wer den Willen zur Ausdauer hat, als wer unfreiwillig leidet, denn jener hat kein Verdienst.

2. Weil patientia den Menschen zum Sohn Gottes macht. Sprichwörter Kapitel 3: Wen der Herr liebt, züchtig er, wie der Vater einen Sohn, so will er ihm wohl. Gregor: wie die Erwählten, die fürchten, dass die aufgeschobene Strafe am Ende schwerer ausfalle, wünschen, dass die väterliche Züchtigung bald geschehe, und den Schmerz einer Wunde für eine Arzneimittel des Heils halten, muss der Kranke sich freuen, wann er in Gestalt seiner Sorge die himmlische Arznei sich  eingeflößt sieht, und darin auf Gesundheit hoffen.

Beispiel: Man liest von einen heiligen Vater, der jedes einzelne Jahr vom Herrn durch Krankheit heimgesucht wurde, und als er ihn ein Jahr nicht heimsuchte, war er verwirrt und sagte: Ob der Herr meiner wohl vergessen hat?!

3. patientia macht einen Menschen unbesiegbar. Die vornehmste Art des Siegens ist patientia: es siegt, wer leidet; wenn jemand besiegen will, lerne er zu leiden: wahrlich nämlich kann wer geduldig aushält von der ganzen Welt nicht besiegt werden.

Gregor: Auf drei Weisen ist die Tugend der patientia auszuüben: Eine nämlich bei dem, was wir von Gott, einmal, was wir vom Feind, einmal, was wir vom Nächsten erleiden müssen. Vom Nächsten sollen wir nämlich ertragen: Verfolgung, Nachteile, Schande; vom alten Feind: Versuchung; von Gott: Strafe.

Dass der Mensch durch patientia Folter besiegt, sagt Augustinus: Nichts ist stärker als ein Mensch, der Liebe hat. Liebe in Geduld besiegt alles.
Beispiel: der selige Vincentio sagte zu Dacium: du wirst sehen, dass ich, der gefoltert wird, mehr ertragen kann als jener, der foltert. Und als er geduldig die Folter ertrug, fühlte Dacius, als er das sah, sich besiegt.

Gleichfalls besiegt Folter den Teufel: denn als Gott dem Teufel die Macht gab, Iob zu versuchen und zu bestrafen, konnte ihn der Teufel doch nicht überwinden, sondern Hiob gewann durch patientia, denn "in all diesem sündigte er nicht mit seinen Lippen, und sprach nicht Lästerliches gegen Gott, sondern sagte: der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen, wie es dem Herrn gefiel ist es geschehen, der Name des Herrn sei gepriesen.“

4. wird der Mensch durch patientia Christus ähnlicher. Christus hat für uns gelitten, und hat euch ein Beispiel hinterlassen, dass ihr folget seinen Spuren (1. Petr. 2). Christus wollte, dass wir etwas erdulden/erleiden wie auch er selbst gelitten hat.

Und damit kommen wir wieder zum Psalm-Zitat und dem Gebet des Priesters vor dem Empfang des Blutes Christi, das früher gebetet wurde.