Samstag, 14. September 2019

am Holz des lebenspendenden Kreuzes erlöst


An Kreuzerhöhung verehrt die Kirche das Kreuz, u.a. mit folgenden Gebeten:

Tagesgebet
Deus, qui Unigénitum tuum crucem subíre voluísti, ut salvum fáceret genus humánum, præsta, quǽsumus, ut, cuius mystérium in terra cognóvimus, eius redemptiónis prǽmia in cælo cónsequi mereámur.
Übersetzung
Gott, der du wolltest, dass dein Einziggezeugter das Kreuz ertrage, damit das Menschengeschlecht heil gemacht werde, gewähre, bitten wir, dass wessen Mysterium wir auf der Erde erkannt haben, dessen Erlösung Belohnungen im Himmel zu erhalten mögen wir verdienen.
Deutsches Messbuch
Allmächtiger Gott, deinem Willen gehorsam, hat dein geliebter Sohn den Tod am Kreuz auf sich genommen, um alle Menschen zu erlösen. Gib, dass wir in der Torheit des Kreuzes deine Macht und Weisheit erkennen und in Ewigkeit teilhaben an der Frucht der Erlösung.
Vergleich
  • Gott ⇒ allmächtiger Gott
  • du wolltest ⇒ deinem Willen gehorsam
    Das Original ist eine Aussage über Gott Vater und seinen ewigen Ratschluss, das DM hat eine über Christus.
  • dein Einziggezeugter ⇒ dein geliebter Sohn
    Einer sperrigen Vokabel wird ausgewichen.
  • das Kreuz ertrage ⇒ den Tod am Kreuz auf sich genommen
  • damit das Menschengeschlecht heil gemacht werde ⇒ um alle Menschen zu erlösen
    So viele Ausdrücke enden im DM in den immer gleichen paar Wörtern. Kann man einfallsloser als „alle Menschen“ reden?
  • gewähre, bitten wir ⇒ gib
  • wir haben das Mysterium auf der Erde erkannt ⇒ dass wir in der Torheit des Kreuzes deine Macht und Weisheit erkennen
    Im Original ist das Geheimnis von Leiden, Tod und Auferstehung unseres Herrn Jesu Christi schon erkannt, im DM wird darum gebeten, ein deutlich schärfer eingegrenztes Objekt zu erkennen, das nicht Christ Geheimnis (wie im Original), sondern die Macht und Weisheit des Allmächtigen ist.
    Der Ort der Erkenntnis (auf der Erde) geht im DM verloren.
  • im Himmel ⇒ in Ewigkeit
  • Belohnungen von dessen Erlösung ⇒ Frucht der Erlösung
    Der im Missale so häufig konstruierte Zusammenhang zwischen „wessen X, dessen Y“ geht im DM verloren – und damit auch der zwischen „Mysterium auf der Erde erkennen“ und „Belohnungen im Himmel erhalten“.
  • [dass wir] verdienen mögen zu erhalten ⇒ [dass wir] teilhaben
Die Bitte der Oratio im alten Missale war dieselbe, die Einleitung eine andere:
Deus, qui nos hodierna die Exaltationis sanctae Crucis annua solemnitate laetificas: praesta, quaesumus …
Übersetzung
Gott, der du uns am heutigen Tage durch das jährliche Hochfest der Erhöhung des heiligen Kreuzes erfreust, gewähre, bitten wir …

Gabengebet
Hæc oblátio, Dómine, quǽsumus, ab ómnibus nos purget offénsis, quæ in ara crucis totíus mundi tulit offénsam.
Übersetzung
Dieses Opfer, Herr, bitten wir, reinige uns von allen Vergehen, welches [Opfer] auf dem Altar des Kreuzes ertrug der ganzen Welt Schmähung.
[Man beachte die ähnlichen Halbsatzenden: Vergehen = offensis, Schmähung = offensam]

Deutsches Messbuch
Herr, unser Gott, dieses heilige Opfer hat auf dem Altar des Kreuzes die Sünde der ganzen Welt hinweggenommen. Es mache auch uns rein von aller Schuld.
Vergleich
  • dieses Opfer reinige uns von allen Vergehen ⇒ es mache auch uns rein von aller Schuld
  • Herr, bitten wir ⇒ Herr, unser Gott
  • welches [Opfer] auf dem Altar des Kreuzes ⇒ dieses heilige Opfer auf dem Altar des Kreuzes
  • ertrug der ganzen Welt Schmähung ⇒ hat die Sünde der ganzen Welt hinweggenommen
    Ich frage mich, ob das DM recht haben kann. ferre heißt tragen, ertragen, wegtragen – ok.
    Wenn offensa hier aber genauso „Sünde“ heißen soll wie oben offensis „Schuld“, wäre das Original ziemlich unelegant (denn gewöhnlich wählt das Missale unterschiedliche Ausdrücke für die gleiche Sache – oder spielt eben mit dem Bedeutungsreichtum einer Vokabel). Daher scheint es mir so: offensa kann neben der Beleidigung auch den Grund oder Anstoß dafür heißen, und weil Jesus den Juden ein Stein des Anstoßes war, kreuzigten sie ihn (vgl. Jes 8, 13f.; Röm 9, 32f.) und Jesus ertrug ihre Schmähungen (Jes 50, 6; Lk 23, 35-39).
    Aber kann ich denn überhaupt richtig liegen? Jedenfalls schreibt Seneca an einer Stelle: „propitium esse inimicis, offensam ferre & despicere“, also: „den Feinden gnädig sein, Schmähung ertragen und verachten“. In einem alten Predigtbuche steht: „qui superborum hominum offensam tam moderate tulit“ = „der stolzer Menschen Schmähung so besonnen ertrug“. In der Vicipaedia (lateinische Wikipedia): „Hanc offensam non tulit Alcibiades“ = „Diese Schmähung ertrug Alcibiades nicht“. Bei keinem der Beispiele für die Benutzung dieser Wendung kann man annehmen, jemand nehme Sünde weg.
    Es gibt aber genügend Übersetzungen, die das Gebet wie das DM übersetzen – ob da ein Einfluss von „qui tollis peccata mundi“ vorliegt? Allerdings ist tulit hier von ferre, tollis im Agnus Dei von tollere, also verschiedene Vokabeln.
Secreta (1962)
Iesu Christi Domini nostri Corpore et Sanguine saginandi, per quem Crucis est sanctificatum vexillum: quaesumus, Domine Deus noster; ut, sicut illud adorare meruimus, ita perenniter eius gloriae salutaris potiamur effectu.
Übersetzung
Durch Jesu Christi unseres Herren Leib und Blut gemästet*, durch den das Banner des Kreuzes geheiligt wurde, bitten wir, Herr unser Gott, dass wir uns so - wie wir es anzubeten Dienst tun - beständig der Wirkung seiner heilbringenden Herrlichkeit bemächtigen mögen.
* Ist so, aber vielleicht umschreibt man besser: im Überfluß gesättigt o.ä.
[Einige Wörter sind scheint's in schillernder Mehrdeutigkeit gebraucht. meriri heißt „verdienen, erwerben“ indem man (Soldaten)Dienst tut – und hier ist beides gedacht: wir tun Dienst, indem wir das Kreuz anbeten, und erwerben uns damit einen „Anspruch“ auf Sold. potiri heißt „erreichen / besitzen“, aber mit Ablativ (wie es hier steht) „sich bemächtigen“ – wir mögen also die Wirkung der Herrlichkeit innehaben, aber mitgedacht: wir müssen auch etwas dafür tun.]
Das  „Banner“ ist wahrscheinlich als Anspielung auf den Hymnus in den Laudes (Vexilla regis) gedacht.

Schlussgebet
Refectióne tua sancta enutríti, Dómine Iesu Christe, súpplices deprecámur, ut, quos per lignum crucis vivíficæ redemísti, ad resurrectiónis glóriam perdúcas.
Übersetzung
Von deiner heiligen Labung aufernährt*, Herr Jesus Christus, flehen wir demütig, dass du welche du durch das Holz des lebenspendenden Kreuzes erlöst hast, zur Herrlichkeit der Auferstehung führest.
* nährend aufgezogen

Deutsches Messbuch
Herr Jesus Christus, du hast am Holz des Kreuzes der Welt das ewige Leben erworben. Führe uns durch diese Feier, in der wir deinen geopferten Leib empfangen haben, zur Herrlichkeit der Auferstehung.
Anmerkung
Abgesehen von einer generellen Umordnung scheint auch nicht alles zu wörtlich gefasst worden zu sein:
  • welche du durch das Holz des lebenspendenden Kreuzes erlöst hast ⇒ du hast am Holz des Kreuzes der Welt das ewige Leben erworben
  • von deiner heiligen Labung aufernährt ⇒ wir haben deinen geopferten Leib empfangen
  • flehen wir demütig, dass du führest ⇒ führe uns durch diese Feier
Postcommunio (1962)
Adesto nobis, Domine Deus noster: et, quos sanctae Crucis laetari facis honore, eius quoque perpetuis defende subsidiis.
Übersetzung
Steh uns bei, Herr unser Gott, und die du zur Ehre des heiligen Kreuzes sich freuen lässt, verteidige auch mit seinem [des Kreuzes] immerwährenden Schutz.
Es gibt, wie für so viele Feste, neuerdings auch eine eigene Präfation:

Präfation vom ruhmvollen Kreuze
Vere dignum et iustum est, æquum et salutáre, nos tibi semper et ubíque grátias ágere: Dómine, sancte Pater, omnípotens, ætérne Deus: Qui salútem humáni géneris in ligno crucis constituísti, ut unde mors oriebátur, inde vita resúrgeret; et, qui in ligno vincébat, in ligno quoque vincerétur: per Christum Dóminum nostrum. Per quem maiestátem tuam laudant Angeli, adórant Dominatiónes, tremunt Potestátes. Cæli cælorúmque Virtútes, ac beáta Séraphim, sócia exsultatióne concélebrant. Cum quibus et nostras voces ut admítti iúbeas, deprecámur, súpplici confessióne dicéntes: Sanctus, Sanctus, Sanctus …
Übersetzung
Wahrhaft würdig und recht ist, schicklich und heilsam, dass wir dir immer und überall Dank abstatten, Herr, heiliger Vater, allmächtiger ewiger Gott: Der du das Heil des Menschengeschlechts am Holz des Kreuzes begründet hast, damit von wo der Tod herrührt, von da das Leben auferstehe; und, der am Holz siegte, am Holz auch besiegt werde: durch Christus unseren Herrn. Durch den dein Größersein loben die Engel, anbeten die Herrschaften, zittern die Machthaber. Die Himmel und der Himmel Mächte, dazu die seligen Seraphim, feiern in gemeinsamem Jubel. Dass mit diesen auch unsere Stimmen zugelassen werden, mögest du befehlen, flehen wir, demütig mit Lobpreis sagend: Heilig, heilig, heilig …
Deutsches Messbuch
In Wahrheit ist es würdig und recht, dir, Herr, heiliger Vater, allmächtiger, ewiger Gott, immer und überall zu danken. Denn du hast das Heil der Welt auf das Holz des Kreuzes gegründet. Vom Baum des Paradieses kam der Tod, vom Baum des Kreuzes erstand das Leben. Der Feind, der am Holz gesiegt hat, wurde auch am Holze besiegt durch unseren Herrn Jesus Christus. Durch ihn loben die Engel deine Herrlichkeit, beten dich an die Mächte, erbeben die Gewalten. Die Himmel und die himmlischen Kräfte und die seligen Serafim feiern dich jubelnd im Chore. Mit ihrem Lobgesang lass auch unsere Stimmen sich vereinen und voll Ehrfurcht rufen: Heilig, heilig, heilig ...
Bis auf die Auslassung von „schicklich und heilsam“ und die Ersetzung von „dass zugelassen werden, mögest du befehlen, flehen wir, demütig“ durch „lass“ eigentlich erstaunlich (für das DM) nahe am Original.

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