Mittwoch, 13. März 2019

Der erleichterte Gott

Gelegentlich stolpert man über Bibelverse wie Jona 3,10:
Da reute Gott das Unheil, das er ihnen angedroht hatte, und er tat es nicht.
bei denen man sich fragt, wie den ewigen, also unveränderlichen Gott etwas reuen kann, d.h. ob der Allwissende einem Sinneswandel aufgrund eines Beurteilungsfehlers unterliegen kann.

Flugs das fragliche Wort (den Niphal von nacham) in Gesenius’ Wörterbuch nachgeschlagen; es kann bedeuten:
1) es sich leid tun lassen
   a) wegen fremden Unglücks, d.h. Mitleid haben
   b) wegen eigener Handlungen, d.h. Reue empfinden
2) sich trösten
3) Rache üben (sich quasi durch die Ausübung der Rache „trösten“)
Wenn die Bedeutung „Reue empfinden“ hier nicht recht passen will, und „Rache üben“ genau das ist, was nicht passiert, kann man sich fragen, inwiefern Gott hier Mitleid haben oder sich trösten kann.

Vielleicht hilft da ein Kommentar (eigentlich zu Mt 23,37) des Hl. Johann Chrysostomos:
Deus invitus compellitur cum magno dolore peccatores condemnare. Non enim sic dolet, quia ipse ab eis offenditur, sed quia quasi violenter cogitur perdere aliquem qui omnes cupit salvare.
Gott ist wider Willen gehalten, unter großem Leid die Sünder zu verdammen. Er leidet nämlich nicht so, weil er selbst von ihnen beleidigt wurde, sondern weil er, der alle zu retten begehrt, gleichsam gewaltsam gezwungen ist, jemanden zu verderben.
Auf die fragliche Stelle angewendet: Durch die Bußübungen der Einwohner nach Jonas Predigt entfiel der „Sachzwang“ zur Zerstörung Ninives, weshalb der Schmerz, den Gott wegen der verstockten Sünder empfunden hätte, vermieden und Gott „getröstet“ war.

Das erscheint mir hinreichend sinnvoll, so dass man möglicherweise etwas freier übersetzen könnte:
Gott war erleichtert, die Strafe, die er ihnen angekündigt hatte, nicht vollziehen zu müssen.

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