Dienstag, 12. März 2019

Rücken an Rücken

Wenn mein (damals noch sehr junges) Töchterlein nächtens im elterlichen Bett eintraf, äußerte sie sehr genaue Vorstellungen über die einzunehmenden Positionen, nämlich zum Schlafen „Rücken an Rücken“, zum Begrüßungskuscheln aber „Nase an Nase“.

Diese Kategorien auf die Messordnung angewendet findet sich im Älteren Ritus die Zelebrationsrichtung, die Übelwollende als „mit dem Rücken zum Volk“ bezeichnen, die aber fachsprachlich „zum Sonnenaufgang“ (ad orientem) genannt wird, womit einerseits die Himmelrichtung Osten gemeint ist (nach der traditionell die Apsiden der Kirchen ausgerichtet sind), andererseits „das aufstrahlende Licht aus der Höhe“ (Lk 1,78), also der kommende Christus. Im aktuellen Ritus wird „mit dem Rücken zum kommenden Christus“ oder auch „zum Volk gedreht“ zelebriert.

Wie verhält es sich mit der Nasenrichtung?

Nach dem Kreuzzeichen zu Beginn der Messe grüßt nach der neuen Ordnung der Priester das Volk („Der Herr sei mit euch“ o.ä.), danach kann er, ein Diakon oder „ein anderer Messdiener die Gläubigen mit knappen Worten in die Messe des Tages einführen“. Das war’s zum Nasenreiben. Kein Gott, nur Volk.

Nach der älteren Ordnung beten Priester und Messdiener im Wechsel den Psalm 43:

Antiphon:
. Treten will ich zum Altare Gottes 
. zu Gott, der Freude meiner Jugend
Psalm:
. Verschaff mir Recht, o Gott, und führe meinen Rechtsstreit gegen ein treuloses Volk! Rette mich vor bösen und tückischen Menschen! 
. Denn du, o Gott, bist meine Zuflucht. Warum hast du mich verstoßen? Warum muss ich trauernd umhergehn, vom Feind unterdrückt? 
. Sende dein Licht und deine Wahrheit; sie sollen mich leiten; sie sollen mich führen zu deinem heiligen Berg und zu deinen Wohnungen. 
. So will ich kommen zu Gottes Altar, zum Gott meiner Freude und meines Jubels. 
. Ich will dir danken zur Leier, o Gott, du mein Gott. Was bist du bedrückt, meine Seele, und was ächzt du in mir? 
. Hoffe auf Gott, denn ich werde ihm noch danken. Du Heil meines Angesichts und mein Gott! 
. Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist 
. wie es war im Anfang, so auch jetzt und immer und in Ewigkeit. Amen
Antiphon:
. Treten will ich zum Altare Gottes 
. zu Gott, der Freude meiner Jugend
Der Priester bekreuzigt sich und spricht:
. Unsere Hilfe ist im Namen des Herrn 
. der Himmel und Erde erschaffen hat.

In beiden Messordnungen folgt das Schuldbekenntnis.

Was leistet der Psalm?

Antwortet Georg Mittweil [1]:
  1. Wie wir etwa zu Gott sagen: „Herr verzeih mir, sei mir barmherzig“, so sagen wir auch: „Herr, richte mich, führe meinen Rechtsstreit, bring meine Unschuld an den Tag“ (sagt der Hl. Gregor von Nazianz [Kirchenlehrer des 4. Jhd.] in seiner 28. Rede)
  2. Im zweiten Vers gibt David Gründe an, warum Gott ihm helfen soll, nämlich darum, weil er auf ihn allein als seinen Gott und seine Stärke hofft. In solcher Hoffnung aber verwundert sich David mit demütigem Klagen, warum ihn Gott gleichsam verworfen habe und trostlos unter den Feinden lasse.
  3. Dass Gott aber auch die Gerechten eine Zeit lang anscheinend verstößt, hat seine wichtigen Ursachen: 1. Damit sie dem Vergänglichen nicht zu sehr anhängen. 2. Damit sie im Guten und aller Tugend geübt werden. 3. Dass sie Gott umso inniger suchen und lieben. 4. Damit sie alle Dinge und sich selbst Gott unterwerfen. 5. Andere zu stärken und zu trösten. 6. Dass die Gottlosen Furcht schöpfen, wenn sie sehen, wie es den Frommen ergeht. 7. Dass ihr Sieg desto herrlicher scheine.
  4. Zu „Was bist du bedrückt, meine Seele“:
    a) Sankt Augustin sagt: Die Ursache deiner Traurigkeit ist die Sünde, deine Traurigkeit (also Reue um der Sünden willen) aber wird die Ursache deiner Freuden.
    b) Der Hl. Chrysostomos sagt: Sofern aber die Seele sagen würde: „und wie kann ich auf Gott hoffen, wenn ich gesündigt habe?“, nun so höre, was der Prophet weiter sagt: Ich werde ihm noch danken. Wo Dank oder Lob Platz hat, da ist große Hoffnung zu göttlicher Gemeinschaft – und darum setzt der Psalmist hinzu: du meines Angesichts Heil und mein Gott.
Warum steht der Psalm am Anfang der Messe?

Antwortet Georg Mittweil [1]:
Mit diesem Psalm fängt der christliche Priester das Opfer der Heiligen Messe an, und begehrt hiermit von Gott mancherlei Gnade.
1. Er wolle ihn von bösen Geistern befreien, weil diese ohne Zweifel einem solchen Werk Feind sind und es zu verhindern begehren, so viel sie können, durch unnütze Gedanken, Verdruss und Unandacht.
2. Dass er ihm seine Sünde vergebe, die der Heiligkeit eines solchen Opfers entgegensteht, damit es Gott dem Herrn desto angenehmer sei.
3. Er wolle ihn mit einem neuen Glanz göttlicher Erkenntnis erleuchten, das Heilige Opfer in Geist und Wahrheit nach Gottes Willen zu verrichten.
Antwortet unser Zeitgenosse M. Fiedrowicz [2]:
Der Psalm ist „bestens geeignet, zur Stimme der Kirche zu werden, die in den äußeren und inneren Bedrängnissen der Welt danach verlangt, vor Gott zu treten, sich von ihm führen zu lassen und ihn im Lobpreis seiner Treue freudig Dank zu sagen. …
Indem der Zutritt zum Altar im Stufengebet gleichsam schrittweise erbetet wird und von fortwährenden Entsündigungsbitten begleitet ist, zeigt der Ritus eindringlich, wie mit der je größeren Nähe zu Gott das immer stärkere Verlangen einhergehen muß, seiner Heiligkeit zu entsprechen.“
So kuschelt man mit Gott.



Quellen

[1] Psalter Davids, Sampt den Canticis Latein und Teutsch, mit kurzer richtiger Auslegung nach dem Verstand der vornehmsten Lehrer, in drei Teile abgeteilt. Durch Georg Mittweil der SJ Priester und Hl. Schrift Doktor. Gedruckt zu Constanz am Bodensee durch Leonhard Struub 1617 - https://books.google.de/books?id=bL5IAAAAcAAJ

[2] M. Fiedrowicz, Die überlieferte Messe. Geschichte, Gestalt und Theologie des klassischen römischen Ritus, Mülheim/Mosel 2011, S. 76 bzw. 80.; zitiert nach M. Reinecke, Dominus Vobiscum Nr. 10 März 2015, S. 31-33, https://www.pro-missa-tridentina.org/upload/dv10/DV10_05_Reinecke.pdf

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