Montag, 30. Dezember 2019

für deine Aufgabe geeignet gemacht

Während das alte Messbuch eine Messe für alle (nicht durch Heiligenfest belegte) „Tage der Weihnachtsoktav“ hat, deren Gebete denen der dritten Messe vom Weihnachtstag entsprechen, gibt das neue Messbuch für jeden Tag jeweils eigene Gebete an.

Am 30. Dezember sind dies:

Tagesgebet
Concéde, quǽsumus, omnípotens Deus, ut nos Unigéniti tui nova per carnem natívitas líberet, quos sub peccáti iugo vetústa sérvitus tenet.
Wie der Zufall so will, ist dieses genau die alte Oratio der Messe für die Weihnachtsoktav.

Übersetzung
Gewähre, bitten wir, allmächtiger Gott: dass uns deines Einziggzeugten neue Geburt im Fleisch befreit, die unter der Sünde Joch die alte Knechtschaft hält.
Deutsches Messbuch
Allmächtiger Gott, die Knechtschaft der Sünde hält uns Menschen gefangen. Nimm dieses alte Joch von uns und schenke uns die neue Freiheit durch die Geburt deines Sohnes in unserem sterblichen Fleisch.
Die markierten Passagen haben keine Entsprechung.

Vergleich
  • gewähre, bitten wir: dass uns befreit ⇒ schenke uns die neue Freiheit
    Im Original ist die Geburt neu, weil sie jedes Jahr neu gefeiert wird; im DM verrutschen einige Adjektive, und so wird die Freiheit neu. Also neu erfunden, denn „befreien“ kann ja nur als „Freiheit schenken“ ausgedrückt werden.
  • deines Einziggzeugten neue Geburt im Fleisch ⇒ durch die Geburt deines Sohnes in unserem sterblichen Fleisch
    Wo es keine Attribute zum Verschieben gibt, erfindet man welche dazu.
  • die unter der Sünde Joch die alte Knechtschaft hält ⇒ die Knechtschaft der Sünde hält uns Menschen gefangen. Nimm dieses alte Joch von uns
    Es ist das Joch der Sünde und die alte Knechtschaft. Das DM vertauscht über Kreuz und fügt einige Lieblingsvokabeln („nimm“, „uns“, „unserem“, „schenke“, „Menschen“) freihändig dazu.
Gabengebet
Múnera, quǽsumus, Dómine, tuæ plebis propitiátus assúme, ut, quæ fídei pietáte profiténtur, sacraméntis cæléstibus apprehéndant.
Das Gebet ist aus dem Sacramentarium Leonianum.

Übersetzung
Die Gaben, bitten wir, Herr, deines Volkes nimm gütig an, damit sie, was sie* in der Frömmigkeit des Glaubens preisen, durch die himmlischen Sakramente ergreifen.
* die Leute, die das Volk bilden

Deutsches Messbuch
Herr, unser Gott, nimm die Gaben deines Volkes an und gib, dass wir im Geheimnis der heiligen Eucharistie empfangen, was wir im Glauben bekennen.
Anmerkung
Unterschiede sind markiert. Im Original ist das Ergreifen der himmlischen Sakramente eine Folge des gütigen Annehmens der Gaben („damit sie“), das DM bittet um zwei Vorgänge („nimm … und gib“).
Schlussgebet
Deus, qui nos sacraménti tui participatióne contíngis, virtútis eius efféctus in nostris córdibus operáre, ut suscipiéndo múneri tuo per ipsum munus aptémur.
Das Gebet ist ebenfalls aus dem Sacramentarium Leonianum.

Übersetzung
Gott, der du uns durch die Teilnahme an deinem Sakrament anrührst, verursache die Wirksamkeit seiner Kraft in unseren Herzen, damit wir für deine Aufgabe, die wir übernehmen sollen,* durch diese Gabe geeignet gemacht werden.
* Dem Buchstaben nach ginge auch: „deiner zu empfangenen Gabe [des ewigen Lebens]“. Es sind die gleichen Worte wie sonst beim Empfangen der geopferten Gaben, aber geschickt durch den Zusammenhang in der Bedeutung geändert. Nämlich: das „anrühren“ erinnert an 1 Kön 19, 7: „Doch der Engel des HERRN kam zum zweiten Mal, rührte ihn an und sprach: Steh auf und iss! Sonst ist der Weg zu weit für dich“. Elija war während der Verfolgung durch Isebel lebensmüde, wurde durch den Engel mit „Brot, das in glühender Asche gebacken war“ versorgt und wanderte, durch diese Speise gestärkt, vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Gottesberg Horeb“ (Vers 8). So soll die Teilnahme am Sakrament, durch die Gott uns anrührt, seine Wirksamkeit in unseren Herzen entfalten, damit wir die Aufgabe, die Gott für uns vorgesehen hat, übernehmen können (und die Gabe des ewigen Lebens, die wir erhalten sollen, erlangen können). Vielleicht steigere ich mich unberechtigt in etwas hinein, aber der Doppelsinn dieses Wortes fasziniert mich.

Deutsches Messbuch
Barmherziger Gott, du bist es, der uns in diesem heiligen Sakrament begegnet. Lass die Kraft dieser Speise in uns wirksam werden und mache uns durch dieses große Geschenk bereit, stets neu deine Gaben zu empfangen.
Anmerkung
Die markierte Stelle halte ich für einen Verständnisfehler des DM – vgl. den * oben. Wenn der Dichter das gleiche Ding meint, nimmt er verschiedene Ausdrücke (wie hier effectus operare – wirke die Wirksamkeit); wenn der den gleichen Ausdruck nimmt, meint er die verschiedenen Bedeutungen des Ausdrucks (wie hier muneri & munus – Aufgabe & Gabe).
Ferner erschließt sich mir der Sinn der DMlichen Bitte nicht: wir werden durch das große Geschenk“ der „Kraft dieser Speise“ bereit gemacht, wieder mal zur Messe zu gehen??

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