Dienstag, 31. Dezember 2019

der Inbegriff des ganzen menschlichen Heils

Für den 31. Dezember sieht das neue Messbuch Folgendes vor:

Tagesgebet
Omnípotens sempitérne Deus, qui in Fílii tui nativitáte tribuísti totíus religiónis inítium perfectionémque constáre, da nobis, quǽsumus, in eius portióne censéri, in quo totíus salútis humánæ summa consístit.
Das Gebet gibt es im Sacramentarium Gregorianum, wo hinter „Filii tui“ (deines Sohnes) noch ein „domini nostri“ (unseres Herrn) folgt.

Übersetzung
Allmächtiger ewiger Gott, der du verliehen hast, dass in der Geburt deines Sohnes der ganzen Selbstoffenbarung Gottes* Anfang und Vollendung besteht, gib uns, bitten wir, zum Anteil dessen gezählt zu werden, in dem der Inbegriff des ganzen menschlichen Heils besteht.
* Die durch die markierten Wörter wiedergegebene Vokabel ist „religio“. Dabei wurde von hinten gedacht: Wessen ist die Geburt des Messias Anfang und Vollendung? Die Selbstoffenbarung Gottes, die mit den Propheten begann, findet ihre Vollendung in Jesu Verkündigung (vgl. Hebr 1,1f.); die Geburt ist Erfüllung der den Vätern ergangenen Verheißung, beginnt aber die Selbstoffenbarung neu in der unsagbaren Selbsterniedrigung Gottes, der Mensch geworden ist, um am Kreuz zu sterben (Phil 2, 6-11). Die Wörterbuch-Bedeutungen von „religio“ scheinen mir die Aussageabsicht des Gebets unvollständig abzubilden; Berichtigungen willkommen. Zur Auswahl stünden nach Georges Handwörterbuch:
Grundbedeutung: rücksichtsvolle Beachtung
I) Gewissenhaftigkeit, genaue Sorgfalt
II) insbesondere: rücksichtsvolle Beachtung des Heiligen
A) Gewissenszweifel, Scheu
B) fromme Scheu
1) eigentlich [d.h. im wörtlichen Sinne]
a) im einzelnen Fall: Andacht
b) als Gewohnheit:
α) im guten Sinne: Frömmigkeit, Gottesfurcht;
    im Plural: Glaube, Konfession, Religion
β) im üblen Sinne: Aberglaube
2) meton[omisch] (d.h. übertragen, bildlich): der Gegenstand frommer Scheu, das Heilige
a) im Allgemeinen
α) im guten Sinne: das Heilige, das Scheu vor den Göttern Gebietende
β) im üblen Sinne: begangene Sünde, Fluch
b) insbesondere
α) aktiv: religiöse Verpflichtung, Gewissenszwang
β) neutral: die Heiligkeit (einer Person), der Charakter der Heiligkeit
C)
1) eigentlich:
die religiöse Verehrung, die äußere Religion;
Plural: religiöse Zeremonien
2) meton.:
a) Gegenstand der frommen Verehrung, Heiligtum
b) Plural: Götterstatuen
Deutsches Messbuch
Allmächtiger, ewiger Gott in der Menschwerdung deines Sohnes hat alles menschliche Streben nach dir seinen Ursprung und kommt darin zur Vollendung. Lass uns zu Christus gehören, in dem das Heil aller Menschen begründet ist.
Vergleich
  • der du verliehen hast, dass ⇒ [entfällt]
  • in der Geburt ⇒ in der Menschwerdung
    Das man (an anderer Stelle) „Einfleischung“ als „Menschwerdung“ übersetzt, mag ja noch angehen, aber „Geburt“ ist doch ein sehr gängiges Wort, eigentlich.
  • der ganzen Religion (Selbst-Offenbarung Gottes) ⇒ alles menschliche Streben nach dir
    Das man Fremdwörter umschreibt, mag auch in Ordnung sein; dass das DM „Religion“ zu den erläuterungsbedürftigen Unbekannten zählt, verwundert im Zusammenhang der Messfeier etwas. Das „Streben“ ist (selbst in den nicht-spirituellen Bedeutungsvarianten) in religio nicht enthalten. Wenn das DM also mit „Religion“ nicht zufrieden ist, wäre „Frömmigkeit“, „Gottesfurcht“ oder „religiösen Verehrung“ angebracht. Das „Streben nach Gott“ gibt es allenthalten; man könnte allenfalls sagen, dass die „äußere Religion“, d.h. hier: die Kirche, mit der Geburt des Heilands angefangen und auch gleich ihre Vollendung erfahren hat.
  • Anfang und Vollendung besteht ⇒ hat seinen Ursprung und kommt darin zur Vollendung
    Ich weiß nicht, wie ein „Streben“ „zur Vollendung kommt“; meint das DM: das Streben kommt zu seinem Ziel? Das Original scheint mehr auf das „ich bin Anfang und Ende, Alpha und Omega“ anzuspielen, und auszusagen, dass die dem auserwählten Volk gegebene Verheißung in der Geburt des Messias vollendet wird.
    Außerdem sind „Anfang“ und „Vollendung“ so starke Wörter, dass sie durch die Zufügung von vielen weiteren eigentlich nur verwässert werden.
  • gib uns, bitten wir ⇒ lass uns
  • zum Anteil dessen gezählt zu werden ⇒ zu Christus gehören
    Das Original redet vom Jüngsten Gericht, aber wovon redet das DM?
  • der Inbegriff des ganzen menschlichen Heils besteht ⇒ das Heil aller Menschen begründet ist
    In Christus besteht die Fülle des Heils, in ihm wird ein Mensch so heil, wie er nur eben werden kann, sagt das Original. Das DM bezieht das „totius“ falsch und fantasiert über „alle Menschen“, was nicht gesagt ist (zur Erinnerung: „für euch und für viele“).
Gabengebet
Deus, auctor sincéræ devotiónis et pacis, da, quǽsumus, ut et maiestátem tuam conveniénter hoc múnere venerémur, et sacri participatióne mystérii fidéliter sénsibus uniámur.
Übersetzung
Gott, Urheber aufrichtiger Hingabe und des Friedens, gib, bitten wir, dass wir sowohl deine Majestät wie es [dir] zukommt durch diese Gabe verehren, als auch durch die Teilnahme am heiligen Mysterium gläubig eines Sinnes* werden.
* wörtlich: in den Gesinnungen vereint

Deutsches Messbuch
Herr, unser Gott, du schenkst uns den Frieden und gibst uns die Kraft, dir aufrichtig zu dienen. Lass uns dich mit unseren Gaben ehren und durch die Teilnahme an dem einen Brot und dem einen Kelch eines Sinnes werden.
Vergleich
  • Gott ⇒ Herr, unser Gott
  • Urheber aufrichtiger Hingabe ⇒ du gibst uns die Kraft, dir aufrichtig zu dienen
    „Kraft“, „dienen“, „geben“ – alles anscheinend Lieblingswörter, hier hart kumuliert. Dass die Hingabe (oder was stattdessen steht) in der Aufzählung ans Ende gerutscht ist, ist sicherlich nur der Länge des Nebensatzes geschuldet.
  • [Urheber] des Friedens ⇒ du schenkst uns den Frieden
    Natürlich. Plus das wichtige „Uns“.
  • gib, bitten wir, dass wir ⇒ lass uns
  • deine Majestät wie es [dir] zukommt ⇒ dich
    Wirklich.
  • durch diese Gabe ⇒ mit unseren Gaben
    Das lakonische „dich“ gerade passt ja sehr schön zu dem dazugedichtenten „Unseren“. Die Prioritäten sind im DM jedenfalls klar.
  • am heiligen Mysterium ⇒ an dem einen Brot und dem einen Kelch
    Fantasievoll. Und hilfreich, wenn jemand dabei ist, der nicht weiß, an welchem Mysterium er gerade teilnimmt.
  • gläubig eines Sinnes werden ⇒ eines Sinnes werden
    Details …
Schlussgebet
Divérsis plebs tua, Dómine, gubernáta subsídiis, et præséntia pietátis tuæ remédia cápiat et futúra, ut, transeúntium rerum necessária consolatióne fovénte, fiduciálius ad ætérna conténdat.
Übersetzung
Dein durch verschiedene Hilfsmittel geleitetes Volk, Herr, möge sowohl die gegenwärtigen als auch die zukünftigen Heilmittel deines Erbarmens erhalten, damit es, während der Trost die Notwendigkeiten der vergänglichen Dinge unterstützt, zuversichtlicher nach den ewigen strebe.
Deutsches Messbuch
Barmherziger Gott, in jeder Not bist du unsere Hilfe. Bleibe bei uns mit deinem Schutz. Gib uns, was wir für dieses vergängliche Leben brauchen, und führe uns zur ewigen Vollendung bei dir.
Vergleich
  • dein durch verschiedene Hilfsmittel geleitetes Volk ⇒ in jeder Not bist du unsere Hilfe
    Das Original scheint von den Sakramenten zu sprechen, und das „leiten“ ist ein „regieren“. Das DM scheint von diesseitigen Nöten zu sprechen. Bei denen müsste man aber auch mal selber anpacken.
  • Herr ⇒ barmherziger Gott
  • möge sowohl die gegenwärtigen als auch die zukünftigen Heilmittel deines Erbarmens erhalten ⇒ bleibe bei uns mit deinem Schutz
    Hm, das Original scheint um die Wirkung der Sakramente zu bitten. Das DM unterschlägt nicht nur das Erbarmen (das ja nur Sünder brauchen - was soll das DM damit), sondern auch die Unterscheidung zwischen diesem und dem nächsten Leben, für welches die Heilmittel erbeten werden.
  • während der Trost die Notwendigkeiten der vergänglichen Dinge unterstützt ⇒ gib uns, was wir für dieses vergängliche Leben brauchen
    Jetzt ist das DM in seinem Fahrwasser und wird weniger wortkarg. Da wird sowas von rein innerweltlich gedacht. Und „Trost“ ist eigentlich nicht genau „gib was wir brauchen“.
  • damit es zuversichtlicher nach den ewigen strebe ⇒ und führe uns zur ewigen Vollendung bei dir
    Im Original wird Notwendigkeit zuversichtlicher ebenso kontrastiert wie vergänglichewig, verbunden durch den Trost. Das DM hat seine Bitte um das leibliche Wohl untergebracht und braucht jetzt nur noch eine Standardfloskel zum Abschluss.
Spott
Das DM übersetzt ja faaast wörtlich :-/


Zum Andenken an Papst Silvester gibt es das
Tagesgebet
Auxiliáre, Dómine, pópulo tuo, beáti Silvéstri papæ intercessióne suffúlto, ut, præséntem vitam sub tua gubernatióne transcúrrens, mereátur felíciter inveníre perpétuam.
Übersetzung
Hilf, Herr, deinem Volk, während die Vermittlung des seligen Papstes Silvester unterstützt, damit es, das gegenwärtige Leben unter deiner Leitung durcheilend, erfolgreich das beständige zu finden verdient.
Deutsches Messbuch
Gott, du Herr der Zeiten, höre auf die Fürsprache des heiligen Papstes Silvester und komme deinem Volk zu Hilfe. Führe es in diesem vergänglichen Leben, damit es einst zum unvergänglichen gelange und bei dir das ewige Glück finde.
Vergleich
  • hilf deinem Volk ⇒ komme deinem Volk zu Hilfe
  • Herr ⇒ Gott, du Herr der Zeiten
    Dem DM ist der (weltliche) Jahreswechsel Anlass zur Fantasieproduktion.
  • während die Vermittlung unterstützt ⇒ höre auf die Fürsprache
    1. Der Standardfehler, dass das DM meint, für den Heiligen eintreten zu müssen.
    2. Im Original ein Begleitumstand der Bitte um Hilfe, im DM eine zusätzliche Bitte.
  • das gegenwärtige Leben unter deiner Leitung durcheilend ⇒ führe es in diesem vergänglichen Leben
    1. Im Original der Begleitumstand der erbenen göttlichen Hilfe, im DM eine davon unabhängige Bitte.
    2. Das DM scheint das „gegenwärtige“ und „durcheilen“ zum „vergänglichen“ verschmolzen zu haben.
  • das beständige zu finden verdient ⇒ einst zum unvergänglichen gelange
    Das Original betont das „finden“ (dem ein Suchen vorausgeht) und das „verdienen“ (dem eine Anstrengung vorausgeht), während das DM einfach „gelangen“ möchte, „einst“ – also nicht sofort.
  • erfolgreich ⇒ und bei dir das ewige Glück finde
    Dem Original ist bewusst, dass alles Suchen und Anstrengen nur nützt, wenn man „erfolgreich“ (oder „glücklich“, „vom Glück begünstigt“) findet und verdient. Das DM ist in so viele Richtungen falsch: erstens sollte es die Funktion der Adverbien wiederholen, und zweitens Vokabeln: das Glück (im Sinne von Glückseligkeit) ist beatitudo, das „felix“ hier ist Glück (im Gegensatz zu Pech).

Nach der alten Ordnung sind die Commune-Gebeten für Päpste I (s. hier) vorgesehen.

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