Sonntag, 14. April 2019

Was zuvor gesagt werden zu müssen gemeint wird

Zur ersten Abgrenzung des Rahmens, in den die Feierlichkeiten der Osternacht die alttestamentlichen Schriftlesungen stellen, möge ein Blick auf die Rubriken, welche in den jeweiligen Messbüchern dem Beginn der Vigil vorangestellt werden, dienen.

Ausführlichst, übersichtlich geordnet und am vertrautesten ist die gegenwärtig gültige Ordnung (Missale Romanum 2002), zu der es unter dem Titel „Österliche Wache in der Heiligen Nacht“ heißt:
1. Nach ältester Überlieferung ist jene Nacht eine „des Wachens für den Herrn“ (Ex 12,42), [wobei dies leider im lateinischen Text des Messbuchs so nicht funktioniert, weil die Vulgata „Schimur“, ein in der Bibel nur an dieser Stelle gebrauchtes Wort für „(festliches) Wachen“ mit „observabilis“, was im Deutschen „beobachtbar“ (hier im Sinne von „beobachtet {= bewahrt} meine Gebote“) heißen würde, übersetzt, da die hebräische Wurzel „bewachen, bewahren“ ist, aber das Wachbleiben hier nicht wiedergibt – um jedenfalls die Verwirrung an dieser Stelle überschaubar zu halten, nehme ich das „Wachen“ aus der Bibel] so dass die Gläubigen gemäß der Mahnung des Evangeliums (Lk 12, 35-37) brennende Lampen in den Händen haltend ähnlich seien Menschen, die den Herrn erwarten, wenn er wiederkehrt, damit, wenn er kommt, er sie wachen findet und an seinen Tisch einlädt.
2. Die Wache dieser Nacht, welche die höchste und vornehmste aller Festlichkeiten ist, sei eine einzige für jede einzelne Gemeinde. So aber sei sie geordnet, dass nach dem Lucernarium [Abendgottesdienst bei Kerzenschein] und Praeconium [Osterbotschaftsverkündigung], welche den ersten Teil dieser Nachtwache bilden, die heilige Kirche die Wundertaten betrachtet, die der Herr Gott seinem Volk von Anfang an gewirkt hat, vertrauend auf sein Wort und seine Verheißung (zweiter Teil oder Wortgottesdienst), bis sie bei anbrechendem Tag zusammen mit ihren neuen, in der Taufe wiedergeborenen Gliedern (dritter Teil) gerufen wird zum Tisch, den der Herr seinem Volk bereitet hat, zum Gedächtnis seines Todes und Auferstehung, bis er kommt (vierter Teil).
Als gewiefter Küchenpsychologe rieche ich hier eine Notwendigkeit des Rubrikenautors, die bei der Liturgiereform geschehenen Änderungen zu rechtfertigen, indem man versichert, es werde sich hier strikt an die Bibel gehalten (also ob das bei der herkömlichen Form nicht der Fall gewesen wäre, s.u.), und eine Struktur behauptet, die der bekannten entspricht, die ohne diese Ankündigung aber möglicherweise übersehen werden würde.

Jedenfalls sei schonmal festgehalten, dass den Schriftlesungen ein Teil „Segnung des neuen Feuers – Lichtfeier“ vorangeht und ein Teil „Segnung des Taufwassers – Tauffeier“ folgt, und dass sich die Lesungen auf die Wundertaten Gottes beziehen.
3. Die gesamte Feier der Osternacht muss bei Nacht durchgezogen werden, so dass sie sowohl nicht vor Einbruch der Nacht begonnen als auch vor dem Morgengrauen des Sonntags beendet wird.
Hier haben wir nämlich den (eine gefühlte Rechtfertigungsnotwendigkeit motivierenden) springenden Punkt, denn zwar entspricht der Rubrikeninhalt der bekannten Regelung (s.u.), wird aber strikter gefordert. [Weil nämlich die Länge des eucharistischen Fastens (ca. 400 - 1953: von Mitternacht bis zur Messe) im Zuge der gleichen Reformbestrebungen wiederholt (1953, 1957, 1964) verkürzt wurde, weshalb man noch besser mit der Messfeier bis zur nächsten Nacht warten kann, weil man nämlich nicht 24 Stunden ohne Wasser und Brot auskommen muss.]
4.-6. [rechtliche Details]
7. Man sorge für Kerzen für alle Teilnehmer der Wache. Die Lichter der Kirche werden freilich gelöscht.
8. An geeignetem Ort außerhalb der Kirche wird ein brennender Scheiterhaufen [echt 😀] vorbereitet. Nachdem sich das Volk dort versammelt hat, tritt der Priester mit den Dienern dazu, von denen einer die Osterkerze trägt. Vortragekreuz und Leuchter werden nicht getragen. Wo aber ein Feuer außerhalb der Kirche nicht angezündet werden kann, wird der Ritus wie unten (Nr. 13) durchgeführt.

13. Wo wegen stark entgegenstehender Schwierigkeiten ein Scheiterhaufen nicht angezündet werden kann, wird die Segnung des Feuers den Umständen angepasst. Nachdem das Volk wie sonst in der Kirche versammelt ist, kommt der Priester mit den Dienern, die eine Osterkerze mitbringen, zur Kirchentür. Das Volk wendet sich, soweit es machbar ist, dem Priester zu.
Es geschehe Begrüßung und Ermahnung wie oben (Nr. 9); danach wird das Feuer gesegnet und die Kerze bereitet wie oben (Nr. 10-12).
Das witzige Detail hier ist, dass die Segnung des Feuers anscheinend auch ohne Feuer geschehen kann, weil nämlich (wie deo volente noch beschrieben werden soll) sowieso vergleichsweise wenig Aufhebens um dieses ganze Segnen gemacht wird, während die neu erfundene „Begrüßung und Ermahnung“ ja auch von der Türe aus geschehen kann, ohne dass sich das Volk weiter als es sich in der Kirchenbank sitzend drehen kann dem Geschehen zuwenden muss, solange die Lautsprecheranlage gut funktioniert.

Hier fühle ich mich zu einem Exkurs über den Verlust des Charakters der Kartage, welcher mir nur deshalb merklich ist, weil mein alter Pastor noch in den 1980ern neurubrikenwidrig den Segen nach der Abendmahlsmesse am Gründonnerstag wegließ, gedrängt, der aber wegen der sich eh schon anbahnenden Überlänge dieses Textes unterdrückt werden muss. (Nur kurz: Die Begrüßung und das Kreuzzeichen am Anfang der Vigil stehen dem Charakter entgegen.)

Die Rubriken von 1570 sind da knapper:
Zu passender Stunde wird der Altar mit Tüchern bedeckt [er stand nach der rituellen Waschung am Gründonnerstag nackt da], die Kerzen bleiben aber ausgelöscht bis zum Anfang der Messe [das ist, wohlgemerkt, nach der Litanei zum Abschluss der Taufwasserweihe, also kurz bevor die Lesung aus dem Kolosserbrief kommt]. Zwischenzeitlich wird außerhalb der Kirche Feuer aus einem Stein geschlagen [und das ist wichtig! denn, wie man sehen soll, wird darauf in den Gebeten zur Feuersegnung ausdrücklich eingegangen] und aus ihm Kohlen entzündet. Nachdem die Non im Chor gebetet wurde [wobei mir nicht klar ist, ob lediglich „im Chorraum der Kirche“ gemeint ist oder (wahrscheinlicher) „in der Gemeinschaft der versammelten Kleriker“] segnet der Priester, der bekleidet ist mit Schultertuch, Albe, Gürtel, Stola und violettem Pluviale oder ohne Obergewand [wir sind nämlich bis zum Anfang der Messe noch in der Fastenzeit!], während ihm Diener mit Kreuz, Weihwasser und Weihrauch beistehen, vor der Kirchentür, wenn es bequem möglich ist, sonst im Eingangsbereich der Kirche selbst das neue Feuer, indem er sagt:
… und schon ist man mitten in der Segnung.

Man erkennt schon daran, dass die Liturgie nach der Non (theoretisch also ca. 15 Uhr) beginnt, die Messe aber gegen Mitternacht, dass sich die ganze Vigil etwas länger hinzog als man das heutzutage gewohnt ist.

Aus praktischen Gründen (eucharistisches Fasten, wie gesagt) wurden daher die Morgengebete (Matutin [eigentlich zwischen Mitternacht und dem frühen Morgen] und Laudes [eigentlich zwischen Matutin und Prim, also 6 Uhr]) auf den Vorabend verlegt, was unter dem Namen Tenebrae mit besonderen Riten verknüpft war und erlaubte, die Oster„nacht“ schon um 9 Uhr morgens zu beginnen, wie der Ausschnitt einer kürzlich von Dr Taylor Marshall auf Twitter veröffentlichten Londoner Gottesdienstordnung für die Karwoche 1939 illustriert.



Obwohl die Reformen von 1955 die Osternacht ganz schön zerzaust haben, blieben die einleitenden Rubriken dieselben. Es wurde zur Klarstellung lediglich ergänzt (nach Missale Romanun 1962)
Die feierliche Ostervigil ist zu passender Stunde zu feiern, zu dieser nämlich, die erlaubt dass die feierliche Messe besagter Vigil ungefähr zur Mitternacht zwischen Karsamstag und Auferstehungssonntag beginnt. Wo es sich dennoch, nachdem die Umstände der Gläubigen und Orte bedacht wurde, nach dem Urteil des Ortsbischofs schickt, die Anfangsstunde der zu feiernden Nachtwache vorzuverlegen, soll diese nicht vor der Abenddämmerung, oder sicherlich nicht vor Sonnenuntergang beginnen.


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