Samstag, 20. April 2019

Da tat mir mein heiliger Name leid

Die letzte alttestamentliche Lesung in der gegenwärtigen Form der Osternacht ist ebenfalls mit der letzten Liturgiereform dazugekommen und aus Ezekiel Kapitel 36 genommen:
16 Das Wort des HERRN erging an mich:
17 Menschensohn, als die vom Haus Israel in ihrem Land wohnten, machten sie es durch ihre Wege und ihre Taten unrein. Wie die monatliche Unreinheit der Frau waren ihre Wege in meinen Augen.
18 Da goss ich meinen Zorn über sie aus, weil sie Blut vergossen im Land und es mit ihren Götzen befleckten.
19 Ich zerstreute sie unter die Nationen; in die Länder wurden sie vertrieben. Nach ihren Wegen und nach ihren Taten habe ich sie gerichtet.
20 Als sie aber zu den Nationen kamen, entweihten sie überall, wohin sie kamen, meinen heiligen Namen; denn man sagte von ihnen: Das ist das Volk des HERRN und doch mussten sie sein Land verlassen.
21 Da tat mir mein heiliger Name leid, den das Haus Israel bei den Nationen entweihte, wohin es auch kam.
22 Darum sag zum Haus Israel: So spricht GOTT, der Herr: Nicht euretwegen handle ich, Haus Israel, sondern um meines heiligen Namens willen, den ihr bei den Nationen entweiht habt, wohin ihr auch gekommen seid.
23 Meinen großen, bei den Nationen entweihten Namen, den ihr mitten unter ihnen entweiht habt, werde ich wieder heiligen. Und die Nationen - Spruch GOTTES, des Herrn - werden erkennen, dass ich der HERR bin, wenn ich mich an euch vor ihren Augen als heilig erweise.
24 Ich nehme euch heraus aus den Nationen, ich sammle euch aus allen Ländern und ich bringe euch zu eurem Ackerboden.
25 Ich gieße reines Wasser über euch aus, dann werdet ihr rein. Ich reinige euch von aller Unreinheit und von allen euren Götzen.
26 Ich gebe euch ein neues Herz und einen neuen Geist gebe ich in euer Inneres. Ich beseitige das Herz von Stein aus eurem Fleisch und gebe euch ein Herz von Fleisch.
27 Ich gebe meinen Geist in euer Inneres und bewirke, dass ihr meinen Gesetzen folgt und auf meine Rechtsentscheide achtet und sie erfüllt.
28 Dann werdet ihr in dem Land wohnen, das ich euren Vätern gegeben habe. Ihr werdet mir Volk sein und ich, ich werde euch Gott sein.
Die Lesung hat eine recht praktische Struktur; sie besteht aus zwei Teilen: in den Versen 16-21 begründet der Herr dem „Menschensohn“ seinen in der Vergangenheit gegen Israel entbrannten Zorn, in den Versen 22-28 gibt er seine Heilsbotschaft an das Haus Israel kund.

Dabei kündigt der Herr an, spiegelbildlich alles rückgängig zu machen, was mit Israel schief gelaufen ist:
  • Als Folge von Israels Unreinheit tat Gott sein heiliger Name leid (V. 21) – Gott wird handeln um seines Hl. Names willen (V. 22)
  • Israel entweihte den Namen bei den Nationen; die Nationen spotteten (V. 20) – Gott wird seinen Namen wieder heiligen; die Nationen werden erkennen, dass er der Herr ist (V. 23)
  • Gott zerstreute Israel unter die Nationen (V. 19) – Gott sammelt Israel aus den Nationen (V. 24)
  • Gott goss seinen Zorn über sie aus wegen der Götzen (V. 18), Israel machte das Land unrein (V. 17) – Gott gießt reines Wasser über Israel aus und reinigt es von allen Götzen (V. 25)
Dann aber – auf der Soll-Seite bei der Ausgangssituation des „im Land Wohnen“ angekommen – steigert er seine Heilsankündigung noch weiter, d.h. die Fülle der Gottesnähe übersteigt den Bund der alten Zeit:
Gott gibt ein neues Herz, er legt seinen Geist in seines Volkes Inneres, so dass sie seinen Gesetzen folgen und im Land wohnen und Gottes Volk sind und er ihr Gott ist.

Auf die Osternacht bezogen: Adams Schuld wurde durch die größere Erlösung getilgt, so dass die Menschheit am Ende besser dasteht als vorher, oder um es in den Worten des Exsultet zu sagen
O unfassbare Liebe des Vaters:
Um den Knecht zu erlösen, gabst du den Sohn dahin!
O wahrhaft heilbringende Sünde des Adam,
du wurdest uns zum Segen,
da Christi Tod dich vernichtet hat.
O glückliche Schuld,
welch großen Erlöser hast du gefunden!
Außerdem ist die Lesung voll von Anklängen an andere Lesungen, die in der Osternacht genommen werden konnten, z.B.
  • V. 18: Gott goss seinen Zorn aus – Gott goss die Sintflut über die verquere Menschheit aus
  • V. 19: Gott zerstreute Israel unter die Völker – In der Babylonischen Gefangenschaft sollen die Juden zum Götzendienst gezwungen werden
  • V. 22: „Nicht euretwegen handle ich“ – aus reiner Gnade sind wir gerettet, so wie es Jes 55 heißt: „Kommt, kauft umsonst“ (=gratis, nämlich aus gratia=Gnade)
  • V. 23: „Die Nationen werden erkennen, dass ich Herr bin“ – das scheint die Kernbotschaft des AT zu sein, so oft wie es ausgesagt wird, aber eben auch in der Ex-14-Lesung
  • V. 24: „Ich nehme euch heraus aus den Nationen“ – und wenn es sein muss mit einem Passah
  • V. 24: „Ich sammle euch aus allen Ländern“ – aus allen Völkern werden Söhne Abrahams
  • V. 25: „Ich gieße reines Wasser über euch aus …“ – Das Thema Taufe beherrscht die Osternacht.
  • V. 25: „Ich reinige euch von aller Unreinheit“ – Der Kot wird aus dem Gesicht gewischt
  • V. 26: „Ich gebe euch ein neues Herz“ – Ihr steht fortan unter dem Gesetz der Liebe, nicht dem des Schreckens
  • V. 27: „Ich gebe meinen Geist in euer Inneres“ und belebe euch wie in Ez 37
  • V. 27: „Ich bewirke, dass ihr meinen Gesetzen folgt“ – Keiner kennt den Pfad der Weisheit, nur der Allwissende kennt sie. Sie erschienauf der Erde und lebte mit den Menschen
Und die Angel, um die sich alles dreht und woran es hängt, ist der Heilige Name, in dem Gott sein Wesen offenbart, das ist Gnade und Wahrheit, wie sich auch hier wiederspiegelt: die Wahrheit im Gericht im ersten Teil, die Gnade dann ab Vers 22 ohne Ende.

Nach dieser Lesung stehen zwei Gebete zur Auswahl: das, was früher nach der Lesung zur Sintflut (Gen 5-8) genommen wurde, oder das, was früher nach der Lesung Ezechiel 37 genommen wurde. Oder aber, wenn in der Osternacht getauft wird, nimmt von ein dafür geeignetes Gebet. Also quasi irgendeins.

Insgesamt scheint mir die Lesung keine sehr spezifische Botschaft zu haben (schließlich läuft sie auf das „Ihr werdet mir Volk sein und ich werde euch Gott sein.“ hinaus, was von jeher Thema der Bibel ist, weshalb auch quasi jede andere Bibelstelle hier mit hineinspielt. Mir scheint, diese Lesung wurde ausgewählt, damit der Zelebrant sich aussuchen kann, worüber er predigt – steckt alles im Ezekiel drin.

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