Über die Bedeutung des Palliums hat Papst Innozenz in seinen „Geheimnissen des Altarssakraments“ so einiges mitzuteilen:
[Fortsetzung von hier]
„Das Pallium, welche die Erzbischöfe tragen, bezeichnet die Zucht, mittelst deren sie sowohl sich als ihre Untergebenen leiten sollen. … Das Pallium wird aus weißer Wolle gewebt; rings um die Schultern bildet es einen geschlossenen Kreis, und auf beiden Seiten hängen zwei Streifen herab. An der rechten und an der linken Seite, vorne und hinten, ist es mit vier Purpurkreuzen besetzt, links ist es doppelt, rechts einfach. … Die Wolle weist auf das Rauhe, die weiße Farbe auf das Wohlwollen. Denn die Kirchenzucht wendet gegen Widerspenstige und sich Auflehnende den Ernst an, gegen Reuende und Demütige aber Milde. Deswegen wird es nicht aus der Wolle eines beliebigen Tieres, sondern aus derjenigen des sanften Schafes gefertigt. Der Prophet sagt daher: ‚Wie ein Schaf, das zum Schlachten geführt wird, und wie ein Lamm vor seinem Scherer, so verstummte Er und tat seinen Mund nicht auf.’* Darum wendete gegen die Wunden jenes Halbtoten der Samariter, der ihn in den Stall führte, Wein und Öl an**, damit durch den Wein die Wunden frisch erhalten, durch das Öl der Schmerz gedämpft würde, und, wie es der Heilung von Wunden förderlich ist, so soll der Bischof in dem Wein die Schärfe des Ernstes, in dem Öl die Milde des Erbarmens anwenden. Das wird auch angedeutet durch die Lade des Bundes, in welcher mit den Gesetzestafeln ein Stab und Manna aufbewahrt wurde.*** Denn dem Gemüte des Lenkenden soll mit der Kenntnis der heiligen Schrift der Stab, die züchtigende Rute, und zugleich das süße Manna inne sein, dass die Strenge nicht unbemessen vorwalte, und die Milde nicht nachsichtiger sich erzeige als zuträglich. Der Kreis des Pallidums, welcher um die Schultern sich zieht, ist die Furcht des Herrn, durch welche die Werke bewältigt werden, dass sie weder in das Unerlaubte hinüberschweifen noch das Überflüssige gestatten. Denn die Zucht hält aus Furcht vor der Strafe die Linke zurück von Unerlaubtem, und mäßigt in Liebe zur Gerechtigkeit die Rechte vor Überflüssigem. ‚Glücklich der Mann, der immer in Besorgnis schwebt.’**** Denn es scheucht nach der Meinung des Weisen die Furcht des Herrn das Böse zurück; wer aber ohne Furcht lebt, kann nicht gerecht werden. … Die vier Kreuze desselben sind die vier politischen Tugenden: Gerechtigkeit, Tapferkeit, Klugheit, Mäßigung, welche, sofern sie nicht im Blut des Kreuzes Christi gerötet werden, den Namen von Tugenden umsonst in Anspruch nehmen, und zu der Glorie der wahren Seligkeit nicht führen. Darum sagt der Herr zu den Aposteln: ‚Wenn eure Gerechtigkeit diejenige der Schriftgelehrten und Pharisäer nicht übertrifft, so werdet ihr nicht in das Himmelreich eingehen.’*5 Das Pallium ist das Purpurgewand des Königs, dessen Salomon im Hohenlied erwähnt.*6 Derjenige also, der mit der Ehre desselben geschmückt wird, sofern er sein will, was er soll, muss in dessen vorderen Teil die Gerechtigkeit erkennen, die einem jeden zuteilt, was ihm gebürt; in dem hinteren die Klugheit, welche von jedem fernhält, was ihm schädlich ist; die Taperkeit von der Linken, dass Widerwärtiges ihn nicht niederbeuge, die Mäßigung von der Rechten, das Glückliches ihn nicht hochfahrend mache.
Zwei Streifen ziehen, der eine über den Rücken, der andere über die Brust sich hinunter, und bedeuten das tätige und das beschauliche Leben, welchem ein Prälat in der Weise sich widmen soll, dass er nach Mosis Beispiel jetzt auf den Berg steige und dort mit dem Herrn über höhere Wahrheiten verkehre, dann hinab in das Lager sich wende und dort den Bedürfnissen des Volkes fürsorge. Denn wie er öfters anderen sich hingibt, so muss er sich zwischenein selbst wiedergewinnen; wie Martha eifrig dem Dienst des Heilandes oblag, Maria dagegen Seinen Worten horchte. Jeder der Streifen zieht sich nach unten, weil der dem Verderben ausgesetzte Körper auf die Seele drückt, und das Wohnen auf Erden den Sinn des Nachdenkens darniederbeugt. Darum ist das Pallium zweifach auf der Linken, einfach auf der Rechten, weil das gegenwärtige Leben, was unter der Linken verstanden wird, vielen Mühsalen unterworfen ist, das künftige aber, durch die Rechte angedeutet, in stets gesammelter Ruhe geführt werden wird. Auch darauf hat die Wahrheit hingedeutet, wenn sie anhub: ‚Martha, Martha, du bist voll Sorge und mühst dich wegen Vielem ab. Nur eines ist not. Maria hat den besseren Teil erwählt, der in Ewigkeit nicht wird von ihr genommen werden.’*7 Das Pallium ist zweifach an der Linken, weil, um die Mühsale des gegenwärtigen Lebens zu ertragen, ein Prälat kräftig sein muss; es ist einfach an der Rechten, weil er mit aller Innigkeit darnach seufzen soll, dass er zur Ruhe des künftigen Lebens gelange, nach dem Worte des Psalmisten: ‚Eines begehre ich von dem Herrn, darnach verlange ich, dass ich wohne in dem Hause des Herrn alle Tage meines Lebens.’*8
Die drei Nadeln, welche vor der Brust, auf der Schulter und an dem Rücken in das Pallium gesteckt werden, bezeichnen das Mitleid mit dem Nächsten, die Verwaltung des Amtes und das Fällen des Urteils. Die erste sticht die Seele durch Schmerz, die andere durch Arbeit, die dritte durch Schauer. Die erste hat den Apostel gestochen, da er sprach: ‚Wer erkrankt, und ich würde nicht krank mit ihm? Wer wird geärgert, und ich brenne nicht?’*9 An die zweite erinnert er mit dem Wort: ‚Außer dem, was draußen ist, das tägliche Angelaufenwerden, die Sorgen um alle Kirchen;’*10 an die dritte, wo er sagt: Wenn der Gerechte kaum wird selig werden, wie werden der Gottlose und der Sünder bestehen?’*11 An der Rechten wird keine Nadel hineingesteckt, weil es in der ewigen Ruhe keinen Stachel der Betrübnis, keine Spitze zum Verwunden gibt. ‚Denn Gott selbst wird alle Tränen von den Augen der Heiligen abtrocknen, und es wird keine Klage und kein Geschrei und kein Schmerz mehr sein, denn das Frühere ist vergangen.’*12 Die Nadel ist von Gold, unten spitz, oben rund, einen kostbaren Stein umfassend, weil ein guter Hirte, obgleich ihn die Sorgen um die Schafe in Kümmernis versetzt, im Himel ewig gekrönt wird und zum Besitz jener kostbaren Perle gelangt, von welcher der Herr im Evangelium sagt: ‚Das Himmelreich ist gleich einem Kaufmann, der gute Perlen sucht. Da er eine kostbare fand, ging er heim und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.’*13 Das Pallium wird aber die Fülle oberpriesterlicher Gewalt genannt, weil diese Fülle in demselben und mit demselben übertragen wird. Denn bevor der Metropolitan mit dem Pallium geschmückt ist, darf er keine Geistlichen ordninieren, keine Bischöfe weihen, keine Kirchen einsegnen und sich nicht Erzbischof nennen lassen.“
* Jes 53, 7
** Lk 10, 33f.
*** Hebr 9, 4
**** Ps 128, 1?; Spr 28, 14?
*5 Mt 5, 20
*6 Der einzige purpurne Gegenstand im Hohenlied ist der Sänftensitz Salomons (Hld 3, 10)
*7 Lk 10, 41f.
*8 Ps 27, 4
*9 2 Kor 11, 29
*10 2 Kor 11, 28
*11 1 Petr 4, 18
*12 Offb 21, 4
*13 Mt 13, 45f.
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