Dienstag, 3. September 2019

Zucht zur Besserung der Schafe

Am dritten September gedenkt die Heilige Mutter Kirche zweier bedeutender Päpste, nämlich Gregors des Großen nach dem neuen und Pius’ X. nach dem alten Kalender.

Der letztere ist schnell abgehandelt, denn die Gebete für Pius X. waren weitgehend die gleichen, wie sie schon zum 21. August (seinem Fest nach dem neuen Kalender) betrachtet wurden, mit kleinen Änderungen:

Oratio / Tagesgebet
Deus, qui, ad tuéndam cathólicam fidem et univérsa in Christo instauránda, sanctum Pium Summum Pontificem [neu: beátum Pium papam] cælésti sapiéntia et apostólica fortitúdine replevísti, concéde propítius, ut, eius institúta et exémpla sectántes, prǽmia consequámur ætérna.
Übersetzung
Gott, der du den heiligen Höchstpriester* Pius [neu: den seligen Papst Pius], damit er den katholischen Glauben hüte und sämtliche [Angelegenheiten] in Christus wiederherstelle, mit himmlischer Weisheit und apostolischer Tapferkeit reichlich versehen hast, gewähre gnädig, dass wir, seinen Anordnungen und Beispielen eifrig nachstrebend, die ewigen Belohnungen erreichen.
* Summus pontifex heißt natürlich genauso Papst wie das neue papa; ich wollte nur auf den Unterschied hinweisen.

Secreta / Gabengebet
Oblatiónibus nostris, Dómine, benígne suscéptis, da nobis, quǽsumus, ut hæc divína mystéria, sancto Pio Summo Pontifice intercedente, [neu: beáti Pii papæ mónita secúti], sincéris tractémus obséquiis, et fidéli mente sumámus.
Übersetzung
Nachdem du unsere Opfergaben, Herr, gütig angenommen hast, gib uns, bitten wir, dass wir diese göttlichen Mysterien, während der heilige Höchstpriester Pius vermittelt [neu: den Ermahnungen des seligen Papstes Pius folgend], mit aufrichtigen Huldigungen behandeln und mit gläubigem Geist ergreifen.
Das alte Gebet hatte das quaesumus an anderer Stelle und ein „uns“, das reformisch gestrichen wurde.

Die alte Postcommunio wurde ersetzt. Sie lautete:
Mensae caelestis virtute refecti, quaesumus, Domine Deus noster: ut, interveniente sancto Pio Summo Pontifice; fortes efficiamur in fide, et in tua simus caritate concordes.
Übersetzung
Mit der Kraft des himmlischen Tisches gespeist bitten wir, Herr unser Gott: dass wir, während der heilige Höchstpriester Pius [für uns] eintritt, stark gemacht werden im Glauben und einträchtig seien in deiner Liebe.
Das Gedenken von Papst Gregor dem Großen, ursprünglich (wie üblich) an dessen Todestag am 12. März gefeiert, wurde in der Reform auf den 3. September (den Tag seiner Bischofsweihe/Wahl zum Papst) verlegt.

Tagesgebet
Deus, qui pópulis tuis indulgéntia cónsulis et amóre domináris, da spíritum sapiéntiæ, intercedénte beáto Gregório papa, quibus dedísti régimen disciplínæ, ut de proféctu sanctárum óvium fiant gáudia ætérna pastórum.
Das Gebet wurde aus dem für den vorreformischen Gedenktag für alle heiligen Päpste (4. Juli) geformt, indem die Phrase „suffragantibus meritis Antistitum Ecclesiae tuae“ (durch die empfehlenden Verdienste der Vorsteher deiner Kirche) ersetzt wurde durch „intercedénte beáto Gregório papa“ (durch die Vermittlung des seligen Papstes Gregor).
Fun fact: Das Gebet wurde von Gregor selbst geschrieben.

Übersetzung
Gott, der du dein Volk mit Nachsicht schonst und mit Liebe herrschst, gib den Geist der Weisheit, durch die Vermittlung des seligen Papstes Gregor, denen du die Leitung der Lehre gegeben hast, dass über die Besserung der heiligen Schafe ewige Freude der Hirten werde.
Deutsches Messbuch
Gott, du bist deinem Volk gnädig und leitest es in Liebe. Höre auf die Fürsprache des heiligen Papstes Gregor und schenke allen, die in der Kirche am Amt der Leitung teilhaben, den Geist der Weisheit, damit dein Volk wachse und seinen Hirten zur ewigen Freude werde.
Anmerkungen
  • „Gnädig“ ist für fast jede Vokabel, die mit Gottes Handeln an seinem Volk zu tun hat, richtig; aber wo (in dem ausdrücklichen Bestreben, die Vielfalt des Ausdrucks zu fördern [den auch Liturgiam authenticam Nr. 51 für die Übersetzungen einfordert]) das Orginal „mit Nachsicht schonen“ hat, kann man das ruhig stehen lassen.
    Liturgiam authenticam Nr. 51 
Im Übrigen soll der Verschiedenheit der Wörter im Originaltext soweit möglich Verschiedenheit in den Übersetzungen entsprechen. Zum Beispiel kann der Gebrauch desselben volkssprachlichen Wortes einerseits für verschiedene Formen lateinischer Verben - wie satiari, sumere, vegetari, pasci -, anderseits für Nomina wie caritas und dilectio oder ebenso für die Wörter anima, animus, cor, mens und spiritus, wenn diese wiederholt werden, den Text verdünnen und gewöhnlich machen. Ebenso kann eine unzureichende Übersetzung der verschiedenen Anredeweisen Gottes, wie Domine, Deus, Omnipotens aeterne Deus, Pater usw., oder verschiedener Verben, welche Bitten ausdrücken, die Übersetzung langweilig machen und die reiche und herrliche Weise verdunkeln, durch die im lateinischen Text die Beziehung zwischen den Gläubigen und Gott bezeichnet wird.
  • dominari (von dominus = Herr) heißt „herrschen, den Herrn spielen“ – man sieht die Ähnlichkeit der Wörter auch im Deutschen. Dass Gott mit Liebe herrscht stellt den Gegensatz heraus (vgl. „Herrscher unterdrücken ihre Völker und die Großen gebrauchen ihre Macht gegen sie“, Mt 20, 26; in der Lukas-Version zufällig auch das Evangelium des Festes …), was aber kein Grund ist, Gott klein zu machen und nur von „leiten“ zu sprechen, was an anderer Stelle (z.B. wenn vom Hirten die Rede ist) sinnvoll sein kann – nur halt hier nicht.
  • „Leitung der Lehre“: Disziplin heißt (ja auch im Deutschen) [Teilgebiete der] Lehre oder Zucht; man könnte auch „Lenkung der Zucht“ übersetzen. Wie Gregor durch Zucht Besserung zu erreichen strebte, wird aus einem von Wikipedia zitierten Brief deutlich:
Wenn ihr feststellt, dass sie nicht gewillt sind, ihr Verhalten zu ändern, so befehlen wir, dass ihr sie mit größtem Eifer verfolgt. Sind sie unfrei, so züchtigt sie mit Prügeln und Folter, um sie zur Besserung zu zwingen.
  • Allerdings finde ich Lehre das angemessenere bischöfliche Tätigkeitsfeld, das Gregor intensiv beackert hat, weshalb er ja auch zu den Kirchenlehrern und den vier spätantiken Kirchenvätern gezählt wird. - Das DM betont mit „Amt der Leitung“ eine andere der drei bischöflichen Aufgaben (lehren, leiten, heiligen), wohl mit dem „herrschen“ Gottes im Hinterkopf. Aber wenn Gott leitet und die Bischöfe leiten – wird da Ungleiches gleich behandelt?
  • „dein Volk wachse“: es ist m.E. nicht gemeint, dass das Volk an Zahl zunehme. profectu kann zwar Zunahme heißen, aber vorrangig ist es Fortschritt, Erfolg, Besserung (die durch Lehre oder Zucht erreicht werden).
    Aber warum sind die „heiligen Schafe“ plötzlich „Volk“? Diese immer gleichen Wörten tun den „Text verdünnen und gewöhnlich machen“, um noch mal Liturgia authentica zu zitieren. Und außerdem stehen die „Hirten“ im DM plötzlich alleine da.
  • Übrigens soll nicht das Volk, sondern die Besserung der Schafe den Hirten zur Freude gereichen.
Am alten Gregorsfest wurde weniger die Weisheit der Hirten als die Sündenlast der Herde in den Blick genommen:

Oratio (1962)
Deus, qui animae famuli tui Gregorii aeternae beatitudinis praemia contulisti: concede propitius; ut, qui peccatorum nostrorum pondere premimur, eius apud te precibus sublevemur.
Übersetzung
Gott, der du der Seele deines Knechtes Gregor die Belohnungen der ewigen Seligkeit erteilt hast, gewähre gütig, dass die wir durch die Last unserer Sünden bedrückt werden, durch seine Bitten bei dir erleichtert werden.

Gabengebet
Annue nobis, quǽsumus, Dómine, ut, in celebratióne beáti Gregórii, hæc nobis prosit oblátio, quam immolándo totíus mundi tribuísti relaxári delícta.
Das Gabengebet wurde und wird in vielen Messen für Bischöfe und Päpste (unter Anpassung der markierten Phrase) verwendet. Speziell hieß es am alten Gregorsfest: „intercessione beati Gregorii“ (durch die Vermittlung des seligen Gregors).

Übersetzung
Nicke uns zu, bitten wir, Herr, dass zur Feier des seligen Gregor dieses Opfer uns nütze, das du eingesetzt hast, damit durch das Darbringen die Vergehen der ganzen Welt nachgelassen werden.
annuere heißt tatsächlich „zunicken“; hier soll es wohl „freundlich gewogen sein“ meinen.
Das „prosit“ (es nütze) kennt man von Feiern; hier ist es vom Opfer gesagt.

Deutsches Messbuch
Barmherziger Gott, am Gedenktag des heiligen Papstes Gregor bringen wir unsere Gaben dar für die Feier des Opfers, durch das du der Welt alle Sünden vergeben hast. Schau gnädig auf uns und gib, dass dieses Geheimnis uns Heil und Segen bringt.
Anmerkungen
Lustig ist, dass die beiden „problematischen“ Wörter annue und prosit im DM in einen separaten Satz ans Ende gepackt wurden:
nicke uns zu ⇒ schau gnädig auf uns
[diese Opfer] nütze ⇒ gib, dass dieses Geheimnis uns Heil und Segen bringt
Auch sonst ist ein bisschen Durcheinander eingekehrt. Statt der „Feier des seligen Gregors“ gibt es eine „Feier des Opfers“, weshalb ein „Gedenktag des heiligen Papstes Gregor“ erdacht werden muss.
Die etwas komplizierte Struktur des Orignals (Gott hat das Opfer eingesetzt, damit, wenn es dargebracht wird, die Vergehen der ganzen Welt nachgelassen werden) löst das DM in einzelne Bestandteile (wir bringen unsere Gaben dar, durch das [Opfer] hast du der Welt alle Sünden vergeben), wobei das Einsetzen unter den Tisch fällt, das „Darbringen“, das ein „sooft ihr dies tut“ ist, wird durch das (jetzige) Darbringen der Gaben (an einer ganz anderen Stelle des Gebets) ersetzt, und die Vergebung, die durch das jeweilige Darbringen erreicht wird, ist im DM schon zuvor passiert. Auch ist „Sünden der ganzen Welt“ ungleich „alle Sünden der Welt“; welchen Unterschied in der Betonung man deutlich sieht, wenn man es auf den einzelnen bezieht: „Auch dir sind deine Sünden vergeben“ richtet sich an einen, der sich von allen vergessen und unwürdig der Vergebung füllt. Dem sagt Gott: „Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen, ohne Erbarmen sein gegenüber ihrem leiblichen Sohn? Und selbst wenn sie ihn vergisst: Ich vergesse dich nicht.“ (Jes 49, 15) → „Auch dir sind deine Sünden vergeben“, denn die Vergehen der ganzen Welt, jedes einzelnen, werden vergeben. Dagegen führt „Dir sind alle Sünden vergeben“ zu seltsamer Heilsgewissheit: „Alle Sünden, auch die zukünftigen?“ „Ja, wer Jesus als seinen Heiland annimmt, ist gerettet, egal was dann passiert.“ – Das ist allerdings protestantische Denke; und die zeigt sich im „der Welt alle Sünden vergeben“ des DM.

Schlussgebet
Quos Christo réficis pane vivo, eósdem édoce, Dómine, Christo magístro, ut in festivitáte beáti Gregórii tuam discant veritátem, et eam in caritáte operéntur.
Übersetzung
Welche du durch Christus, das lebendige Brot, speisest, lehre zugleich gründlich, Herr, durch den Meister Christus, damit sie am Festtag des seligen Gregors deine Wahrheit lernen und sie in Liebe ins Werk setzen.
Deutsches Messbuch
Allmächtiger Gott, in diesem Mahl haben wir Christus, das Brot des Lebens, empfangen. Gib, dass wir auf ihn hören, der unser wahrer Lehrer ist. Hilf uns, dass wir nach dem Beispiel des heiligen Gregor allezeit deine Wahrheit suchen und sie in Werken der Liebe bezeugen.
Vergleich
  • Herr ⇒ allmächtiger Gott
  • welche du durch Christus, das lebendige Brot, speisest ⇒ wir haben Christus, das Brot des Lebens, empfangen
    Original ist Gott der Handelnde, im DM das wichtige „Wir“.
    „Brot des Lebens“ wäre pane vitae; pane vivo ist das lebendige Brot (nach Joh 6, 51, nicht Joh 6, 35!).
    „in diesem Mahl“ ist dazufantasiert
  • lehre zugleich gründlich durch den Meister Christus ⇒ gib, dass wir auf ihn hören, der unser wahrer Lehrer ist.
    Das Original bittet, dass Gott lehre, das DM, dass Gott gebe, dass wir auf ihn hören. Wie in einer aufgedrehten Klasse pubertierender Störenfriede, wo es nicht ums lehren, sondern ums Soweit-beruhigen-dass-sie-kurz-zuhören-können geht. Das DM kennt halt seine Schafe - oder?
    Im Original ist Christus der (eine) Meister (wobei das Missale Romanum sich nicht schämt, den Titel zu wiederholen), im DM ist der Titel wegökonomisiert, und er ist der „wahre“ Lehrer. Man möchte schließen, dass es auch falsche Lehrer geben muss; das DM kennt halt seine Hirten – nicht wahr?
  • damit sie am Festtag des seligen Gregors ⇒ dass wir nach dem Beispiel des heiligen Gregor
    Dass es im DM statt vom Festtag von Beispielen Gregors geredet wird, mag eine Reminiszenz an das alte Schlussgebet (s.u.) sein.
  • deine Wahrheit lernen ⇒ allezeit deine Wahrheit suchen
    Es ist zwar wahr, dass wer nicht vorwärts strebt zurückfällt usw., wie in „lebenslanges Lernen“; allerdings wird hier von Christus als Meister, der die Wahrheit selbst ist, gelehrt – da sollte weiteres Suchen entbehrlich sein.
    Zu Gute halten möchte man dem DM, was in alten Texten betrachtet wird:
Eines heiligen Menschen Leben besteht mehr im Nehmen von Gott als im Geben, mehr im Begehren als im Haben, mehr im fromm Werden als im fromm Sein. Wie der Hl. Augustinus spricht, dass der Glaube erwirbt, was das Gesetz fordert; deshalb ist bitten/begehren/suchen das rechte Wesen des inneren Menschen, wie im 32. Psalm: Die da Gott allezeit suchen, denen wird kein Gut mangeln.
Die alte Postcommunio wurde ersetzt; sie lautete:
Deus, qui beatum Gregorium Pontificem Sanctorum tuorum meritis coaequasti: concede propitius; ut, qui commemorationis eius festa percolimus, vitae quoque imitemur exempla.
Übersetzung
Gott, der du den seligen Papst Gregor den Verdiensten deiner Heiligen gleichgestellt hast: gewähre gütig, dass die wir das Fest seines Andenkens pflegen, auch die Beispiele (seines) Lebens nachahmen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen