Sonntag, 15. September 2019

24. Sonntag im Jahreskreis

Am heutigen Sonntag bedient sich die Kirche alter und noch älterer Gebete:

Tagesgebet
Réspice nos, rerum ómnium Deus creátor et rector, et, ut tuæ propitiatiónis sentiámus efféctum, toto nos tríbue tibi corde servíre.
Das Gebet stammt aus dem Sacramentarium Leonianum. Fun fact: vom selben Tag stammt das Gabengebet vom letzten (23.) Sonntag.

Übersetzung
Beachte uns, aller Dinge Gott, Schöpfer und Lenker, und, damit wir die Wirkung deiner Gnade spüren, verleihe uns, dir mit ganzem Herzen zu dienen.
Deutsches Messbuch
Gott du Schöpfer und Lenker aller Dinge, sieh gnädig auf uns. Gib, dass wir dir mit ganzem Herzen dienen und die Macht deiner Liebe an uns erfahren.
Anmerkungen
  1. Man kann argumentieren, dass „Deus“ als Apposition eingeschoben ist (obwohl das Original keine Kommata setzt) und wie das DM übersetzen; ich bin aber mit dem „Gott aller Dinge“ genauso zufrieden.
  2. Im DM wird nicht deutlich, dass die Erfahrung der Gnade eine Folge des mit ganzen Herzen Dienens ist – es scheint etwas unabhängig davon parallel Erbetenes zu sein.
  3. Der Effekt kann im Handeln liegen (dann heißt effectus: Ausführung, Vollendung) oder im Ergebnis (dann ist es Wirksamkeit, Wirkung, Erfolg); „Macht“ ist sehr seltsam, aber wohl das, worum es in der Deutschkirche geht.
  4. propitiatio ist Huld/Gnade oder Versöhnung – das DMliche „Liebe“ ist hier zu allgemein. Eigentlich passt (im Hinblick auf die Lesung mit dem Goldenen Kalb) das „Versöhnen“ zu dem „mit ganzem Herzen dienen“, weil Moses nach dem Abfall des Volkes genau um die Gelegenheit zur Umkehr und um Versöhnung bitten muss. („Da versuchte Mose, den Herrn, seinen Gott, zu besänftigen.“)
  5. Gnade scheint mir in Hinblick auf das Gabengebet geeignet, das das dazu passende Verb am Anfang hat (es ist Passiv von „versöhnen“ oder „Huld/Gnade erwerben“, also laut Wörterbuch als „verzeihe uns“ oder „sei gnädig“ zu übersetzen)
Gabengebet
Propitiáre, Dómine, supplicatiónibus nostris, et has oblatiónes famulórum tuórum benígnus assúme, ut, quod sínguli ad honórem tui nóminis obtulérunt, cunctis profíciat ad salútem.
Das Gabengebet wurde früher am 5. Sonntag nach Pfingsten genommen, hatte aber statt „famulórum tuórum“ (deiner Knechte) „famulorum famularumque tuarum“ (deiner Knechte und Knechtinnen) – die paulinische Reform hat die Frauen unter die Menschen subsummiert, scheint’s.

Übersetzung
Sei gnädig, Herr, unseren Bitten, und die Opfergaben deiner Knechte nimm wohlwollend an, damit, was die Einzelnen zur Ehre deines Namens opfern, allen zum Heil diene.
Deutsches Messbuch
Herr, nimm die Gebete und Gaben deiner Kirche an; und was jeder Einzelne zur Ehre deines Namens darbringt, das werde allen zum Heil.
Anmerkungen
  1. Das Original hat zwei Anliegen: den Bitten gnädig sein, und die Opfer wohlwollend annehmen. Das DM fasst gründlich zusammen und verliert dabei einige Details. („Nimm dies!“, ruft der Schurke oder das DM. Der Musik machende Ton ist im Original deutlich – gebetsmäßiger.)
  2. Fast möchte man sagen: „entsprechend“ werden aus den Knechten die Kirche. Bloß nicht zu unterwürfig rüberkommen, scheint die DM-Devise.
  3. Die Einzelnen sind im Original Plural; die Wiedergabe als „jeder Einzelne“ wäre nur im Singular korrekt. Über die inhaltlichen Schwierigkeiten wurde, als diese Bitte fast gleichlautend im Gabengebet vom 16. Sonntag vorkam, schon nachgedacht.
Schlussgebet
Mentes nostras et córpora possídeat, quǽsumus, Dómine, doni cæléstis operátio, ut non noster sensus in nobis, sed eius prævéniat semper efféctus.
Die Postcommunio wurde früher am 15. Sonntag nach Pfingsten genommen und hatte ein „iugiter“ (beständig) vor dem eius statt ein „semper“ (immer) hinter dem praeveniat, was ohne inhaltliche Konsequenz ist.

Übersetzung
Unseren Geist und Körper halte besetzt, bitten wir, Herr, der himmlischen Gabe Wirkung, damit nicht unsere Meinung in uns, sondern seine Wirkung immer Vorrang habe.
Das erste „Wirkung“ ist auch „Tätigkeit“ (oder kirchenlateinisch: Mildtätigkeit, gutes Werk), weshalb ich den ersten Teil als: „lass uns mit Geist und Körper (andächtig) bei der Messe dabei sein“ verstehe. [Das Mariawalder Messbuch übersetzt: „das Walten Deiner himmlischen Gabe nehme unsern Geist und unsern Leib in Besitz“.] Das zweite „Wirkung“ ist das Hervorgebrachte, der Erfolg [des Messopfers], dass nämlich wir Gottes Blick auf die Welt übernehmen (wir heiliger werden, gewissermaßen).

Deutsches Messbuch
Herr, unser Gott, wir danken dir, dass du uns Anteil am Leib und Blut Christi gegeben hast. Lass nicht unser eigenes Streben Macht über uns gewinnen, sondern gib, dass die Wirkung dieses Sakramentes unser Leben bestimmt.
Anmerkung
Was auch immer das Original mit (ganz wörtlich übersetzt) „Die Tätigkeit der himmlischen Gabe möge unsere Geiste und Körper besitzen“ konkret meint, scheint es mir wenig Zusammenhang zu dem im DM stehenden Dank zu tun zu haben.

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