Donnerstag, 26. Dezember 2019

lernen, auch die Feinde zu lieben

Zum Fest des Erzmartyrers Stephanus betet die heilige Mutter Kirche:
Tagesgebet
Da nobis, quǽsumus, Dómine, imitári quod cólimus, ut discámus et inimícos dilígere, quia eius natalícia celebrámus, qui novit étiam pro persecutóribus exoráre [Dominum nostrum Iesum Christum, Filium tuum].
Das Tagesgebet unterscheidet sich dadurch von der alten Oratio zum Fest, dass der eingeklammerte Teil fehlt.

Übersetzung
Gib uns, bitten wir, Herr, nachzuahmen, was wir verehren, damit wir lernen, auch die Feinde zu lieben, weil wir dessen Geburtstag* begehen, der verstand, sogar für (seine) Verfolger anzuflehen [unseren Herrn Jesus Christus, deinen Sohn**].
* himmlischen Geburtstag, also Sterbetag
** also Stephanus flehte den Herrn an

Deutsches Messbuch
Allmächtiger Gott, wir ehren am heutigen Fest den ersten Märtyrer deiner Kirche. Gib, dass auch wir unsere Feinde lieben und so das Beispiel des heiligen Stephanus nachahmen, der sterbend für seine Verfolger gebetet hat.
Vergleich
  • gib uns, bitten wir, nachzuahmen ⇒ und so das Beispiel des heiligen Stephanus nachahmen
    Im Original die eigentliche Bitte (nicht nur zu verehren, sondern auch nachzuahmen), im DM ein Nachklapp zur Bitte, die Feinde zu lieben (als Ergebnis, ohne dass der Weg dahin klar wäre – ist halt Gottes Sache, die Bitte irgendwie zu erfüllen)
  • Herr ⇒ allmächtiger Gott
  • was wir verehren / weil wir dessen Geburtstag begehen ⇒ wir ehren am heutigen Fest den ersten Märtyrer deiner Kirche
    Das Original hat einmal den Zusammenhang verehren → nachahmen, und dann als Begründung für den spezifischen Inhalt der Bitte (zu lernen, auch die Feinde zu lieben) den Hinweis auf den Tagesheiligen. Das DM räumt alles auf einmal aus dem Weg, indem es einleitend feststellt, was eigentlich in den Vermeldungen stehen sollte und dem Herr Gott sicherlich auch bekannt ist.
  • damit wir lernen ⇒ gib, dass
    Das ist, was ich oben meinte: das Original setzt die Kausalkette verehren → nachahmen → lernen → auch Feinde lieben fort. Das DM setzt einen Punkt und hat anlasslos die Bitte, Gott soll irgendwie machen, dass „auch wir“ Feinde lieben und Stephanus nachahmen. Erinnert das sonst noch jemanden an Teenager-Verhalten („aber meine Klassenkameraden dürfen alle bis Mitternacht wegbleiben – lass auch mich dürfen!“)?!
  • auch die Feinde zu lieben ⇒ auch wir unsere Feinde lieben
    Das Original setzt voraus, dass wir unsere Nächsten sowieso lieben und bittet, dass wir „auch die Feinde“ lieben. Das DM sieht Stephanus die Feinde lieben und bittet, dass „auch wir“ die Feinde lieben.
  • der verstand, sogar für (seine) Verfolger anzuflehen ⇒ der sterbend für seine Verfolger gebetet hat
    Das Original hebt auf die Fähigkeit des Martyrers ab („der verstand“), das DM referiert eine historische Begebenheit.
Gabengebet
Múnera, quǽsumus, Dómine, tibi sint hodiérnæ devotiónis accépta, quæ beáti Stéphani mártyris commemorátio gloriósa deprómit.
Übersetzung
Die Gaben, bitten wir, Herr, der heutigen Andacht seinen dir angenehm, die des seligen Martyrers Stephanus’ ruhmreiches Andenken hervorholt*.
* Lieber läse man, dass anlässlich des Gedenkens die Gaben hervorgeholt werden, aber so steht es nicht da.

Deutsches Messbuch
Herr, unser Gott, schau gütig auf dein Volk, das mit Freude und Hingabe den Festtag des heiligen Stephanus feiert, und nimm unsere Gaben an.
Anmerkung
Zu den markierten Übereinstimmungen: Die devotio, die ich hier mit „Andacht“ wiedergegeben habe, heißt auch „Hingabe“. Der Name des Heiligen kommt in beiden Gebeten vor, sowie die Bitte wegen der Gaben, im DM mit der Standard-Floskel hinten angeklatscht an einen Fantasietext.
Schlussgebet
Grátias ágimus, Dómine, multiplicátis circa nos miseratiónibus tuis, qui et Fílii tui nativitáte nos salvas, et beáti mártyris Stéphani celebratióne lætíficas.
Übersetzung
Dank statten wir, Herr, ab für deine um uns vervielfachten Erbarmungen, der du uns durch die Geburt deines Sohnes erlöst und durch die Feier des seligen Martyrers Stephanus erfreust.
Deutsches Messbuch
Herr, unser Gott, wir danken dir für die Gnade dieser festlichen Tage. In der Geburt deines Sohnes schenkst du uns das Heil; im Sterben des heiligen Stephanus zeigst du uns das Beispiel eines unerschrockenen Glaubenszeugen. Wir bitten dich: Stärke unsere Bereitschaft, deinen Sohn, unseren Herrn Jesus Christus, standhaft zu bekennen.
Vergleich
  • Dank statten wir ab ⇒ wir danken dir
    Im Original steht an erster Stelle der Dank, im DM das wichtige „Wir“.
  • Herr ⇒ Herr, unser Gott
  • für deine um uns vervielfachten Erbarmungen ⇒ für die Gnade dieser festlichen Tage
    Das Original dankt für die im weiteren Verlauf aufgeführten Erweise des göttlichen Erbarmens – und das DM anscheinend für die Urlaubstage(?).
  • der du uns durch die Geburt deines Sohnes erlöst ⇒ in der Geburt deines Sohnes schenkst du uns das Heil
    Natürlich.
  • [der du uns] durch die Feier des seligen Martyrers Stephanus erfreust ⇒ im Sterben des heiligen Stephanus zeigst du uns das Beispiel eines unerschrockenen Glaubenszeugen
    Es ist erstaunlich, wie sehr man die Vokalbel „erfreust“ missverstehen oder ausdeuten kann. Außerdem bin ich mir, wenn man pingelig sein will, nicht sicher, ob das DM-Gefasel grammatisch korrekt ist, denn m.E. ist Stephanus das Beispiel und nicht das Sterben (korrekt: im sterbenden [und dabei betenden] Stephanus zeigst usw.).
Die markierte Bitte ist dazufantasiert. Das DM kann wohl nicht einfach mal Danke sagen und gut ist.


Nach dem alten Messbuch betet die Kirche:

Oratio
s. beim Tagesgebet

Secreta
Suscipe, Domine, munera pro tuorum commemoratione Sanctorum: ut, sicut illos passio gloriosos effecit; ita nos devotio reddat innocuos.
Übersetzung
Empfange, Herr, die Gaben zum Andenken an deine Heiligen, damit so, wie das Leiden sie ruhmreich gemacht* hat, die Verehrung uns unschuldig mache**.
* machen wie in „bewirken, vollenden“
** machen wie in „zurückgeben, wiederherstellen“

Postcommunio
Auxilientur nobis, Domine, sumpta mysteria: et, intercedente beato Stephano Martyre tuo, sempiterna protectione confirment.
Übersetzung
Helfen mögen uns, Herr, die empfangenen Geheimnisse und, während dein seliger Martyrer Stephanus vermittelt, mit immerwährendem Schutz stärken.

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