Samstag, 20. April 2019

Aktuelle Osternacht - Quarta lectio (De nova Ierusalem)

Die nach der aktuellen Leseordnung vierte, im Zuge der Paulinischen Liturgiereform neu aufgenommene Lesung ist aus Jesaja 54:
5 Denn dein Schöpfer ist dein Gemahl, HERR der Heerscharen ist sein Name. Der Heilige Israels ist dein Erlöser, Gott der ganzen Erde wird er genannt.
6 Ja, der HERR hat dich gerufen als verlassene, bekümmerte Frau. Kann man denn die Frau seiner Jugend verstoßen?, spricht dein Gott.
7 Nur für eine kleine Weile habe ich dich verlassen, doch mit großem Erbarmen werde ich dich sammeln.
8 Einen Augenblick nur verbarg ich vor dir mein Gesicht in aufwallendem Zorn; aber in ewiger Huld habe ich mich deiner erbarmt, spricht dein Erlöser, der HERR.
9 Wie bei der Flut Noachs soll es für mich sein: So wie ich damals schwor, dass die Flut Noachs die Erde nie mehr überschwemmen wird, so schwöre ich jetzt, dir nie mehr zu zürnen und dich nie mehr zu schelten.
10 Mögen auch die Berge weichen und die Hügel wanken - meine Huld wird nicht von dir weichen und der Bund meines Friedens nicht wanken, spricht der HERR, der Erbarmen hat mit dir.
11 Ärmste, vom Sturm Gepeitschte, die ohne Trost ist: Siehe, ich selbst lege dir ein Fundament aus Malachit und Grundmauern aus Saphir.
12 Aus Rubinen mache ich deine Zinnen, aus Beryll deine Tore und alle deine Mauern aus kostbaren Steinen.
13 Alle deine Kinder sind Schüler des HERRN und groß ist der Friede deiner Kinder.
14 Du wirst auf Gerechtigkeit gegründet sein. Du bist fern von Bedrängnis, denn du brauchst dich nicht mehr zu fürchten und bist fern von Schrecken; er kommt an dich nicht heran.
Diese Lesung verwirrt mich, ehrlich gesagt, etwas. Zwar erkenne ich aus dem Hinweis in Vers 9, dass hier die Aussage, die früher mit der Lesung über die Sintflut transportiert wurde („so schwöre ich jetzt, dir nie mehr zu zürnen und dich nie mehr zu schelten“), in der Osternacht getätigt werden soll, ohne den modernen Menschen mit dem Gedanken an Gottes Gerechtigkeit mehr als der Feierlichkeit des Augenblicks angemessen zu belasten.

Dann aber frage ich mich, wer hier eigentlich angesprochen ist. Wenn wir wie üblich das AT im Lichte des neuen lesen und unter der Gemahlin des Herrn die Heilige Mutter Kirche auffassen, war sie hier kurz verlassen und verstoßen, wird aber jetzt mit großem Erbarmen wieder aufgenommen und als eine feste Stadt auf Gerechtigkeit gegründet, mit Edelsteinen wie das himmlische Jerusalem (Offb 21,18-21) geschmückt.
Inwiefern aber ist die Kirche von Gott verlassen? Die Tage der Grabesruhe können ja wohl kaum gemeint sein, und selbst nach der Himmelfahrt lässt uns der Herr als Waisen nicht (Joh 14,18).

Das ist ja gerade der Unterschied zum Alten Bund, bei dem Moses bei nahendem Tode die Schrecken eines Abfalls von Gott besingen musste, „denn ich kenne deine Widersetzlichkeit und deine Hartnäckigkeit. Seht, schon jetzt, wo ich noch unter euch lebe, habt ihr euch dem HERRN widersetzt. Was wird erst nach meinem Tod geschehen?“ (Dtn 31,27).

Vollends passt das nicht, wenn man den Antwortpsalm 30 dazunimmt:
2 Ich will dich rühmen, Herr, denn du hast mich aus der Tiefe gezogen und lässt meine Feinde nicht über mich triumphieren.
4 Herr, du hast mich herausgeholt aus dem Reich des Todes, aus der Schar der Todgeweihten mich zum Leben gerufen.
5 Singt und spielt dem Herrn, ihr seine Frommen, preist seinen heiligen Namen!
6ab Denn sein Zorn dauert nur einen Augenblick, doch seine Güte ein Leben lang.
6cd Wenn man am Abend auch weint, am Morgen herrscht wieder Jubel.
12a Du hast mein Klagen in Tanzen gewandelt,
13b Herr, mein Gott, ich will dir danken in Ewigkeit. 
Denn hiernach wäre Jesus die verlassene Frau (wie in „Eli, Eli, lema sabachtani?“), die als feste Stadt verherrlicht wird. Oder – der Sünder, der durch Leiden, Tod und Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus zur Teilhabe an der Herrlichkeit gelangt?

Der Kontext Jes 52-54 ist der Auszug aus der Babylonischen Gefangenschaft, doch nicht heimlisch und hastig wie beim Passah zum Auszug aus Ägypten, im Gegenteil: „Doch zieht nicht aus in Hast, geht nicht fort in Eile“ (Jes 52,12). Das ist ein Erfolg des leidenden Gottesknechtes (Jes 52, 13 – Jes 53, 12). Danach kommt Jes 54,1-5 (Die Unfruchtbare hat mehr Kinder als die Vermählte; ihre Nachkommen werden Nationen beerben.) Das mündet in die vorliegende Lesung.

Ich nehme jetzt einfach hin, dass Aspekte mehrerer Lesungen, die in der Alten Ordnung in der Osternacht vorgetragen wurden und in der neuen weggefallen sind, in dieser Lesung alludiert werden, und dass die Botschaft ist: der Gottesknecht hat durch sein Leiden die Kirche auf den Weg des himmlischen Jerusalems gebracht, und ihre Kinder werden durch die Taufe zahlreich sein. [Wenn auch manches davon mehr im Kontext als in der Lesung vorkommt.]

[Das anschließende Gebet hilft übrigens nichts, denn es ist jenes vorgesehen, dass in alter Zeit nach der Lesung aus Jes 55 kam, während dafür neuerdings das in alter Zeit nach der Lesung aus Dan 3 gebete nach der Lesung aus Jes 55 genommen wird. Die Rubrik sieht zudem vor, dass auch ein „anderes von den Gebeten, die den Lesungen folgen, die vielleicht ausgelassen werden“ gehen würde. Ist also wohl nicht lesungsspezifisch.]

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