Dienstag, 16. April 2019

Dringlichkeit 2: Schöpfung – nicht gut genug

Die als zweitwichtigste Vorkenntnis zum Verständnis der Osterbotschaft erkannte Lesung ist der Schöpfungsbericht aus Gen 1,1-2,2:
1 Im Anfang erschuf Gott Himmel und Erde.
2 Die Erde war wüst und wirr und Finsternis lag über der Urflut und Gottes Geist schwebte über dem Wasser.
3 Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht.
4 Gott sah, dass das Licht gut war. Und Gott schied das Licht von der Finsternis.

10 Und Gott nannte das Trockene Land und die Ansammlung des Wassers nannte er Meer. Gott sah, dass es gut war.

16 Gott machte die beiden großen Lichter, das große zur Herrschaft über den Tag, das kleine zur Herrschaft über die Nacht, und die Sterne.
17 Gott setzte sie an das Himmelsgewölbe, damit sie über die Erde leuchten,
18 über Tag und Nacht herrschen und das Licht von der Finsternis scheiden. Gott sah, dass es gut war.

21 Und Gott erschuf die großen Wassertiere und alle Lebewesen, die sich fortbewegen nach ihrer Art, von denen das Wasser wimmelt, und alle gefiederten Vögel nach ihrer Art. Gott sah, dass es gut war.

25 Gott machte die Wildtiere der Erde nach ihrer Art, das Vieh nach seiner Art und alle Kriechtiere auf dem Erdboden nach ihrer Art. Gott sah, dass es gut war.
26 Dann sprach Gott: Lasst uns Menschen machen als unser Bild, uns ähnlich! Sie sollen walten über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die ganze Erde und über alle Kriechtiere, die auf der Erde kriechen.
27 Gott erschuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes erschuf er ihn. Männlich und weiblich erschuf er sie.
28 Gott segnete sie und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehrt euch, füllt die Erde und unterwerft sie und waltet über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die auf der Erde kriechen!
29 Dann sprach Gott: Siehe, ich gebe euch alles Gewächs, das Samen bildet auf der ganzen Erde, und alle Bäume, die Früchte tragen mit Samen darin. Euch sollen sie zur Nahrung dienen.
30 Allen Tieren der Erde, allen Vögeln des Himmels und allem, was auf der Erde kriecht, das Lebensatem in sich hat, gebe ich alles grüne Gewächs zur Nahrung. Und so geschah es.
31 Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Und siehe, es war sehr gut. Es wurde Abend und es wurde Morgen: der sechste Tag.

1 So wurden Himmel und Erde und ihr ganzes Heer vollendet.
2 Am siebten Tag vollendete Gott das Werk, das er gemacht hatte, und er ruhte am siebten Tag, nachdem er sein ganzes Werk gemacht hatte.
Das Zitat ist auf wenige Highlights beschränkt, auch da in der aktuellen Form der Osternacht der hier blau markierte Abschnitt (Erschaffung des Menschen) als Kurzfassung für ausreichend erachtet wird.

Während bei der Lesung vom Zug durch das Rote Meer der Schwerpunkt auf der Präfiguration der Taufe und auf der Erlösung aus der Knechtschaft der Sünde lag und die Gabe des Geistes und die Trennung von Licht und Finsternis nur angedeutet waren, bilden diese hier ein Thema, wobei klar ist, dass das sichtbare Licht nur eine Untermenge des geschaffenen Lichtes ist, denn Gott schied Licht von Finsternis (Gen 1,4) lange bevor er Sonne, Mond und Sterne schuf, um Licht und Finsternis zu scheiden (Gen 1,18).

Der Text wird im anschließenden Gebet gedeutet (im Missale Romanum [MR] von 1570 und 1955; im MR 2002 ist es nur 2. Wahl, wenn die Kurzfassung Gen 1, 1.26-31a gelesen wurde):
Deus, qui mirabíliter creásti hóminem et mirabílius redemísti, da nobis, quǽsumus, contra oblectaménta peccáti mentis ratióne persístere, ut mereámur ad ætérna gáudia perveníre.
Gott, der du den Menschen wunderbar erschaffen und wunderbarer erlöst hast, gib uns, bitten wir, gegen die Vergnügungen der Sünde durch die Einsicht des Verstandes standhaft zu bleiben, damit wir verdienen, zu den ewigen Freuden zu gelangen.
Mit umständlicheren Worten: Da das Geschaffene im Einzelnen gut und die Schöpfung insgesamt „sehr gut“ ist, dem Menschen zum Dienstbarmachen und Beherrschen gegeben, was dem Menschen zu Vergnügungen (Erheiterung, Zeitvertreib) gereichen kann, aber eben auch zum Suchen jener mit Mitteln der Sünde, ist die Erschaffung des Menschen nach dem Bilde Gottes (und mit der Fähigkeit zur „Einsicht des Verstandes“) zwar wunderbar, wunderbarer aber die Erlösung, die den Weg zur ewigen Freude öffnet.

Dieser Punkt wird später (d.h. nach Mitternacht, in der Auferstehungsmesse, wenn aus dem Kolosserbrief Kol 3,1-4 gelesen wird) noch vertieft, wo Paulus schreibt:
Seid ihr nun mit Christus auferweckt, so strebt nach dem, was oben ist, wo Christus zur Rechten Gottes sitzt! Richtet euren Sinn auf das, was oben ist, nicht auf das Irdische!
Es wurde ja schon erwähnt, das „früher“ (also vor der nach dem Zweiten Vaticanum vollzogenen Liturgiereform) Priester (oder Diakon) beim Vermischen von Wasser und Wein während jeder Messe die diesem Antwortgebet gleiche Zeile „Gott, der du den Menschen wunderbar erschaffen und wunderbarer erlöst hast“ betete, welche in meinen Augen zu den schönsten der Verlorenen Gebete gehört.

Diese Gesichtspunkte, dass a) das geschaffene Licht mehr ist als das sichbare, b) das ewige Leben wunderbarer und erstrebenswerter ist als das geschaffene leibliche und c) die Einsicht des Verstandes, die zu einem die ewigen Freuden verdienenden Handeln führt, erbeten werden muss, kommen auch im schon bei der besagten Durchzugs-Lesung angesprochen zweiten Gebet der Osterfeuersegnung zum Ausdruck:
Herr Gott, allmächtiger Vater, nie verlöschendes Licht, der du der Schöpfer allen Lichtes bist: segne dieses Licht, das von dir geheiligt und gesegnet ist, der du den ganzen Erdkreis erleuchtet hat: das wir von diesem Licht entzündet und erleuchtet werden durch das Feuer deiner Herrlichkeit: und wie du den aus Ägypten ziehenden Moses erleuchtet hast, so mögest du erleuchten unsere Herzen und Sinne, dass wir zum ewigen Leben und Licht zu gelangen würdig werden.
Obwohl das Licht hier in allen Ausdrücken und Bedeutungen vorkommt, bin ich (wie im letzten Beitrag gesagt) geneigt, in wenigstens einigen eine Anspielung auf den Heiligen Geist zu sehen, was mir den Vorwand gibt, zwei Epiklesen (Herabrufungen des Geistes) bei der Taufwassersegnung [wie im MR1570 beschrieben] aufzuführen:
1. Beim Segensgebet über dem Taufwasser:
Omnípotens sempitérne Deus, adésto magnæ pietátis tuæ mystériis, adésto sacraméntis: et ad recreándos novos pópulos, quos tibi fons baptísmatis párturit, spíritum adoptiónis emítte; ut, quod nostræ humilitátis geréndum est ministério, virtútis tuæ impleátur efféctu.
Allmächtiger, ewiger Gott, hilf durch die Geheimnisse deiner großen Güte, hilf durch die Sakramente: und auf die neuzuschaffenden neuen Völker [d.h. die Täuflinge], die dir die Quelle der Taufe gebären wird, sende den Geist der Anwahl* aus, damit, was im Dienst unserer Ohnmacht auszuführen ist, durch die Wirkung deiner Kraft erfüllt werde.
[*Anwahl ist jetzt ein Stück-für-Stück Neologismus für Ad-option oder Annahme an Kindes Statt]

Das gleiche Gebet wird im MR2002 über die Täuflinge gesprochen, allerdings ohne die grün markierten Worte, dafür mit einer geheimnisvollen Vertauschung von Dienst in Geheimnis (ministerio -> mysterio; blau).

2. Bei einem ääächt eindrucksvollen Ritus (wenn man als kleiner Junge zum ersten Mal in der Osternacht ist und seinen Pastor auf einmal aber so richtig als Priester [jemanden der wirklich höhere Mächte anruft statt seine auswendig gekonnten Gebete verrichtet] erlebt).

Die Osterkerze wird drei Mal (jeweils ein bißchen tiefer) in das Taufwasser getaucht, drei Mal (jeweils ein bisschen höher) wird [am besten mit lauter, flehender Stimme und dem Himmel entgegengestreckter Osterkerze] gesungen
De-scén-dat in hanc ple-ni-tú-di-nem fon-tis vir-tus Spí- ri-tus Sanc-ti.
Es steige herab in diese Fülle der Quelle [d.h. in das Taufwasser, mit dem die Quelle gefüllt ist] die Kraft des Heiligen Geistes.
Dann pustet der Priester noch drei Mal in das Wasser in der Form des Buchstaben Ψ.
Cool.

Die Rückbindung dieses Teils Drei der Osternacht an die hier besprochene Lesung bietet eine Zeile aus dem präfationsähnlichen Gebet (zwischen Segensgebet und Eintauchen der Osterkerze über dem Taufwasser gesungen):
De- us, cu-jus Spí-ri-tus su-per a-quas in-ter ip-sa mun-di prim-ór- di- a fe-re-bá-tur: ut jam tunc virtú-tem sancti- fi- ca- ti-ó-nis aquá-rum na-tú-ra con-cí-pe-ret ...
Gott, dessen Geist unmittelbar bei den Uranfängen der Welt über den Wassern schwebte, damit schon damals das Wesen des Wassers die Kraft der Heiligung empfange ...
Schließlich wird später (beim Tagesgebet in der Auferstehungsmesse) noch speziell um die Bewahrung des Geistes gebetet (bzw. in der aktuellen Osternacht, die eine andere Aufteilung aufweist [und nicht in "alles andere zuerst", dann "die Messe" trennt, sondern mehr dem allgemeinen Aufbau der Messfeier folgt, mit vielen Lesungen und dem Taufteil statt Credo] und bei der also das Gebet mit der Epistellesung vor dem Taufteil dran ist, um die Entfachung des Geistes, so dass die grünen Worte nur früher und die roten nur heutzutage gebraucht wurden/werden):
Deus, qui hanc sacratíssimam noctem glória Domínicæ Resurrectiónis illústras: consérva (excita) in nova famíliæ tuæ progénie (in Ecclesia tua) adoptiónis spíritum, quem dedísti; ut, córpore et mente renováti, puram tibi exhíbeant servitútem.
Gott, der du diese allerheiligste Nacht durch die Herrlichkeit der Auferstehung des Herrn erleuchtest, bewahre in der neuen Nachkommenschaft deiner Familie [=den neu Getauften] (entfache in deiner Kirche) den Geist der Anwahl, den du gegeben hast, damit wir, an Leib und Geist erneuert, dir einen reinen Dienst erweisen.
Sofern [insbesondere in der Kurzfassung des aktuellen Messbuchs] speziell auf die Erschaffung des Menschen abgehoben wird, weiß das Exsultet den Bezug zur Osternacht bzw. den Zusammenhang zwischen Schöpfung und Erlösung herzustellen:
[Jesus] hat für uns beim ewigen Vater Adams Schuld bezahlt und den Schuldbrief ausgelöscht mit seinem Blut, das er aus Liebe vergossen hat.

Wahrhaftig, umsonst wären wir geboren, hätte uns nicht der Erlöser gerettet.

O wahrhaft heilbringende Sünde des Adam, du wurdest uns zum Segen, da Christi Tod dich vernichtet hat.

Der Glanz dieser heiligen Nacht nimmt den Frevel hinweg, reinigt von Schuld, gibt den Sündern die Unschuld, den Trauernden Freude.
Zwar ist der Sündenfall nicht Teil der Lesung, aber quasi schon in der Schöpfung eingebaut wie das neue Gebet, dass aktuell (MR 2002) als erste Wahl für die Osternacht vorgesehen ist, andeutet, da es die göttliche Vorsehung/den Heilsplan anspricht:
Omnípotens sempitérne Deus, qui es in ómnium óperum tuórum dispensatióne mirábilis, intéllegant redémpti tui, non fuísse excelléntius, quod inítio factus est mundus, quam quod in fine sæculórum Pascha nostrum immolátus est Christus.
Allmächtiger, ewiger Gott, der du wegen des Heilsplan für alle deine Werke bewundernswert bist; mögen deine Erlösten erkennen, dass nicht vorzüglicher gewesen ist, dass im Anfang die Welt geschaffen wurden, als dass am Ende der Zeiten Christus als unser Pascha geopfert wurde.
Bemerkenswert ist noch, dass hier lediglich nicht(Schöpfung > Erlösung) behauptet wird (⇔ Schöpfung ≤ Erlösung), während traditionell täglich Erlösung > Schöpfung bestätigt wurde.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen