Donnerstag, 18. April 2019

Weisheit gestern und heute

Die Lesung aus dem Propheten Baruch ist im alten Missale (Bar 3, 9-38) zwar aufgrund prophetischer Weitschweifigkeit lang, inhaltlich aber gut auf den Punkt zu bringen. Im aktuellen Messbuch zerfällt sie in zwei Teile (Bar 3,9-15 und 3,31-4,4), wobei der Mittelteil ausgeschnitten wurde und vier Verse aus Kapitel 4 angehängt sind.

Bar 3
Verse 9-15: Israel leidet Strafe, weil es „den Quell der Weisheit verlassen“ hat und nicht „auf Gottes Weg gegangen“ ist, der „Frieden für immer“ garantiert hätte. Nun muss es lernen „wo die Einsicht ist“. Aber: „Wer hat je ihren Ort gefunden?“

Verse 16-21: In Naturwissenschaft und Technik ist keine Weisheit zu finden.
Verse 22-23: In Weltgewandtheit, Ökonomie, allerlei Fertigkeiten führen nicht zu Weisheit.
Verse 23-28: Körperliche Vorzüge und Kriegserfolge führen nicht zur Erwählung durch Gott (wegen Torheit)
Verse 29-30: Suchte man in fernen Gegenden und brächte viel Geld: man findet keine Weisheit.

Zwischenfazit
31 Keiner weiß ihren Weg, niemand kennt ihren Pfad.
Verse 32-36: Lob auf Gott, bei dem Weisheit und Einsicht sind.

Kernstelle
37 Er hat den Weg der Erkenntnis ganz erkundet und hat sie Jakob, seinem Diener, verliehen, Israel, seinem Liebling.
38 Dann erschien sie auf der Erde und lebte mit den Menschen.
Bar 4, 1-4: Die Weisheit besteht im Gesetz Gottes, das Leben bringt. Seligpreisung Israel für die Kenntnis des Gesetzes und Manung, zur Weisung Gottes umzukehren.
Der blaue Teil ist im aktuellen Messbuch nicht enthalten, dafür ist der grüne ergänzt.

Fußnote zu Bar 3,38
Dieser Vers wurde in der Auslegungsgeschichte auf die Menschwerdung Christi bezogen.
Die Schnell&Einfach-Deutung:
Die Weisheit Gottes wurde dem Auserwählten Volk vorläufig im Gesetz und dem erweiterten Volk Gottes endgültig in Christus offenbart.

Man könnte sagen: so wie die Deut-31-Lesung den Unterschied zwischen Gesetz und Gnade, zwischen Mose (im Begriff zu sterben, sorgt sich um das verlassene Volk) und Christus (stirbt, verlässt seine Jünger aber nicht) betont, so weist Baruch hier auf den gemeinsamen Grund, die Quelle der Weisheit, hin.

Leider findet der Inhalt der Lesung wenig Widerhall in den nachfolgenden Gebeten.

Oratio an Ostern (Messbuch 1570 und 2002)
Deus, qui Ecclesiam tuam semper gentium vocatione multiplicas: concede propitius; ut, quos aqua baptismatis abluis, continua protectione tuearis
Gott, der du deine Kirche durch Berufung der Völker vergrößerst: gewähre gnädig, dass die, welche du durch das Wasser der Taufe reinigst, durch deinen beständigen Schutz bewahrt werden.
Sehr allgemeines Gebet, dass jeden Tag stehen könnte; allein die Erwähnung der Taufe stellt einen Bezug zur Osternacht her. In der „Berufung der Völker“ klingt die Gen-22-Lesung an.

Oratio zu Pfingsten (Messbuch 1570)
Deus, qui nobis per Prophetarum ora praecipisti temporalia relinquere, atque ad aeterna festinare: da famulis tuis; ut, quae a te iussa cognovimus, implere caelesti inspiratione valeamus
Gott, der du uns durch die Münder der Propheten vorgeschrieben hast, die zeitlichen [Güter] zu verlassen und zu den ewigen zu eilen: gib deinen Dienern, dass welche wir als von dir befohlen erkennen, wir durch himmlische Eingebung zu erfüllen vermögen.
Immerhin ein Bezug zu den Geboten („welche wir als von dir befohlen erkennen“) und die Bitte um die Hilfe des Heiligen Geistes bei der Umsetzung („durch himmlische Eingebung zu erfüllen“) – passt ja gut zu Pfingsten. Vielleicht hat die Lesung da ihren eigentlichen Platz.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen