24 Um die Zeit der Morgenwache blickte der HERR aus der Feuer- und Wolkensäule auf das Lager der Ägypter und brachte es in Verwirrung.Worauf als Tractus folgt Ex 15,1[b]-2 [wobei der letzte Vers in meiner Bibel als Ex 15,3 gezählt wird]
25 Er hemmte die Räder an ihren Wagen und ließ sie nur schwer vorankommen. Da sagte der Ägypter: Ich muss vor Israel fliehen; denn der HERR kämpft auf ihrer Seite gegen Ägypten.
26 Darauf sprach der HERR zu Mose: Streck deine Hand über das Meer, damit das Wasser zurückflutet und den Ägypter, seine Wagen und Reiter zudeckt!
27 Mose streckte seine Hand über das Meer und gegen Morgen flutete das Meer an seinen alten Platz zurück, während die Ägypter auf der Flucht ihm entgegenliefen. So trieb der HERR die Ägypter mitten ins Meer.
28 Das Wasser kehrte zurück und bedeckte Wagen und Reiter, die ganze Streitmacht des Pharao, die den Israeliten ins Meer nachgezogen war. Nicht ein Einziger von ihnen blieb übrig.
29 Die Israeliten aber waren auf trockenem Boden mitten durch das Meer gezogen, während rechts und links von ihnen das Wasser wie eine Mauer stand.
30 So rettete der HERR an jenem Tag Israel aus der Hand der Ägypter. Israel sah die Ägypter tot am Strand liegen.
31 Als Israel sah, dass der HERR mit mächtiger Hand an den Ägyptern gehandelt hatte, fürchtete das Volk den HERRN. Sie glaubten an den HERRN und an Mose, seinen Knecht.
1 Damals sang Mose mit den Israeliten dem HERRN dieses Lied
1b Wir singen dem HERRN ein Lied, denn er ist hoch und erhaben. Ross und Reiter warf er ins Meer.Kernausagen der Lesung im Kontext der Osternacht wären wohl, dass a) der Feind durch den Herrn im Wasser getötet und b) das Volk aus der Knechtschaft des Feindes gerettet und c) die Macht des Herrn verherrlicht wurde.
2 Meine Stärke und mein Lied ist der HERR, er ist mir zur Rettung geworden. Er ist mein Gott, ihn will ich preisen; den Gott meines Vaters will ich rühmen.
3 Der HERR ist ein Krieger, HERR ist sein Name.
Den Bezug zum Osterdatum gibt das Exsultet:
Haec nox est, in qua primum patres nostros, filios Israel, eductos de Aegypto, Mare Rubrum sicco vestigio transire fecisti.Israel war in der Nacht des Pascha aus Ägypten ausgezogen und – nachdem sie eine Nacht in Etham gelagert hatten (Ex 13,20) – kurz von dem Morgengrauen des dritten Tages nach dem Pascha durch das Meer gezogen.
Dies ist die Nacht, die unsere Väter, die Söhne Israels, aus Ägypten befreit und auf trockenem Pfad durch die Fluten des Roten Meeres geführt hat.
Deutung des Textes durch die in der Osternacht anschließende Oratio:
Deus, cuius antiqua miracula etiam nostris saeculis coruscare sentimus: dum quod uni populo, a persecutione Aegyptica liberando, dexterae tuae potentia contulisti, id in salutem gentium per aquam regenerationis operaris: praesta; ut in Abrahae filios, et in Israeliticam dignitatem, totius mundi transeat plenitudoDas Gebet unter Beibehaltung der Schlüsselwörter („coruscare“ = „leuchten, blinken, flimmern, blitzen“ als Bezug zum Lichtthema der Vigil, „Wasser“ und „hindurchziehen“) in verständlichem Deutsch wiederzugeben sehe ich mich außer Stande. Daher einmal quasi interlinear und wortwörtlich:
Gott, dessen alte Wunder wir auch in unseren Zeiten blinken sehen, während du jenes, was du dem einen Volk, das von der ägyptischen Verfolgung befreit werden musste, mit der Macht deiner Rechten erkämpftest, zum Heil der Heiden durch das Wasser der Wiederentstehung [=Taufe] bewirkst: gewähre, dass zu Söhnen Abrahams und zu israelitischer Würde hindurchziehe die Fülle der ganzen Welt [=alle Menschen].Sinngemäß paraphrasiert:
Wie durch den wunderbaren Zug auf trockenem Boden mitten durch das Rote Meer das Auswählte Volk die Macht Gottes sinnlich erfahren hat, merken [die Menschen] unserer Zeitalter sie auch noch, wenn durch die Taufe Heiden von ihrem Feind (d.h. der Neigung zur Sünde oder „Erbsünde“) geschieden oder befreit werden; gewähre Gott, dass alle Menschen „Söhne Abrahams“ (vgl. eine spätere Lesung) werden und die Würde des auserwählten Volkes erhalten.Der Bezug zur Taufe wurde auch schon im Exsultet geknüpft, indem die Wirkung der Taufe besungen wird:
Haec nox est, quae hodie per universum mundum in Christum credentes a vitiis saeculi, et caligine peccatorum segregatos, reddit gratiae, sociat sanctitati.Die gleiche Lesung wird in der Pfingstnacht (nach dem Tridentinischen Missale) durch eine andere Oratio (die im gegenwärtigen Messbuch als Alternative für die Osternacht aufgeführt ist) folgendermaßen erklärt:
Dies ist die Nacht, die auf der ganzen Erde alle, die an Christus glauben, scheidet von den Lastern der Welt, dem Elend der Sünde entreißt, ins Reich der Gnade heimführt und einfügt in die heilige Kirche.
Deus, qui primis tempóribus impléta mirácula novi testaménti luce reserásti, ut et Mare Rubrum forma sacri fontis exsísteret, et plebs a servitúte liberáta christiáni pópuli sacraménta præférret, da, ut omnes gentes, Israélis privilégium mérito fídei consecútæ, Spíritus tui participatióne regenerénturDer gleiche Grundgedanke (Taufe = Rotes Meer durchziehen; Befreiung aus Sklaverei = Sakramente) wird explizit gemacht; die Alten sagten, dass in den alttestamentlichen Berichten und Wundertaten Gottes die Botschaft des Neuen Testaments schon „praefiguriert“ – vorgebildet ist. Als für die Pfingstnacht vorgesehen gibt dieses Gebet der Deutung einen entsprechenden Touch: dass durch das Licht des Neuen Testaments [und den Heiligen Geist, natürlich] die Schriften des Alten Bundes zum Verständnis von Leiden, Tod und Auferstehung Christi gereichen (vgl. Emmaus-Evangelium). Schließlich kommt das Gebet ausdrücklich auf die Gabe des Geistes [Erwachsene werden bei der Taufe auch gleich gefirmt] zu sprechen; die Interpretation der Rettung des Volkes als Taufe wird auf alle Sakramente erweitert.
Gott, der du die [Bedeutung der] in den Vorzeiten vollbrachten Wunder durch das Licht des Neuen Testamentes offenbart hast: dass sowohl das Rote Meer als Symbol der heiligen Quelle [=des Taufbrunnens] sich zeigt als auch das aus der Knechtschaft befreite Volk die Sakramente der Christenheit darstellt – gibt, dass alle Völker, die den Vorzugs Israels durch das Verdienst des Glaubens gewonnen haben, durch die Teilhabe an deinem Geist erneuert werden.
Die Führung durch den Heiligen Geist wird schon bei der Segnung des neuen Feuers angesprochen, bei der es im (früher vorgesehenen) zweiten Segensgebet heißt: „wie du den aus Ägypten ziehenden Moses erleuchtet hast, so mögest du erleuchten unsere Herzen und Sinne, dass wir zum ewigen Leben und Licht zu gelangen würdig werden“. – Das Licht, das Mose leitete, und das Licht der Osternacht, das uns zum ewigen Leben führe, von dem wir „entzündet und erleuchtet werden durch das Feuer deiner Herrlichkeit/Klarheit“(wie es weiter heißt) – redet man vom Heiligen Geist? [Weil in allen der ursprünglich drei Gebeten der Vater angesprochen wird, im ersten vom Sohn und im dritten von der Dreifaltigkeit die Rede ist, möchte ich spekulieren, dass das zweite dem Heiligen Geist gilt.]
Der Zusammenhang zwischen Mose, dem Durchzug und dem Licht wird auch schon im Exsultet hergestellt:
Haec igitur nox est, quae peccatorum tenebras columnae illuminatione purgavit. Dies ist die Nacht, in der die leuchtende Säule das Dunkel der Sünde vertrieben hat.Zum Verständnis halte man sich kurz vor Augen, was zuvor geschah:
Standardsituation der Flucht aus Ägypten Ex 13,21:
Der HERR aber zog vor ihnen her, bei Tag in einer Wolkensäule, um sie auf dem Weg zu führen, und bei Nacht in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten, damit sie Tag und Nacht wandern könnten.Spezialsituation vor dem Durchzug Ex 14,19f.:
Und der Engel Gottes, der vor dem Heer Israels herzog, brach auf und trat hinter sie; und die Wolkensäule vor ihnen brach auf und stellte sich hinter sie. So kam sie zwischen das Heer der Ägypter und das Heer Israels, und sie wurde [dort] Gewölk und Finsternis und erleuchtete [hier] die Nacht, so kam jenes [Heer] diesem die ganze Nacht nicht näher.Hier wird „jenes Heer“ wieder als Sünde, die das Auserwählte Volk verfolgt, verstanden, und Gott in der Säule von Feuer und Wolke trennt Licht von Finsternis . [Ob das eine Anspielung auf den ersten Schöpfungstag sein soll, von der in einer weiteren Lesung die Rede ist?]
Jedenfalls mag diese Stelle ein Grund gewesen sein, die Lesung in der aktuellen Form der Osternacht schon bei Ex 14,15 (statt mit Vers 24) zu beginnen.
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