Sonntag, 21. September 2014

Eher pragmatisch als dogmenzentriert



Der mutmaßlich neue Erzbischof von Chicago Blase Cupich scheint in der amerikanischen Blogosphere nicht sonderlich hoch im Kurs zu stehen, denn die freundlichsten Worte, die über ihm zu lesen waren, sind die im Titel wiedergegebenen. Er ist also mehr auf Handeln als auf Glaubensweitergabe ausgerichtet, wenn ich richtig interpretiere.

Den Gegensatz kann ich nicht nachvollziehen. Bekanntlich ist nichts praktischer als eine gute Theorie, während das Ich-geh-mal-in-die-Werkstatt-und-gucke-wie-es-gehen-könnte, das mein Opa als „praktizieren“ bezeichnete, in den meisten Fällen eher als Herumwursteln anzusprechen sein dürfte. Aus Erfahrung klug hat sich mein Opa vor dem Praktizieren immer ein paar Keilchen geschnitzt, um dann hier mal was dazwischen zu schieben und dort mal was zu recht zu biegen: was nicht passt wird passend gemacht. Ähnlich scheinen sich einige „pragmatische“ Bischöfe vor dem Lehren ein paar Barmherzigkeitchen bereit zu legen. Ich bin aber nicht sicher, ob das, was als Behelf für den bäuerlichen Betrieb funktioniert, ebenso zur Verkündigung des Evangeliums geeignet ist.

Anders beschreibt jedenfalls Paulus seine Tätigkeit (Kol 1, 28): Christus verkünden wir euch, und sprechen dabei jeden Menschen an Herz und Geist an, damit jeder Mensch vollkommen werde durch Christus.
Was da passend (oder genau nicht so, sondern „vollkommen“) gemacht werden soll, ist nicht das Evangelium, sondern der Adressat.
Paulus fährt fort: Dafür mühe ich mich, strenge mich an entsprechend seiner Energie, die in mir wirkt mit Macht.
Glaube ist nicht etwas dem Handeln entgegengesetztes, sondern seine Kraftquelle und Mitte. Pragmatismus ohne Christus, ohne Glauben ist quasi ein Donut.

Pragmatisch ist auch, die Dinge selbst zu erledigen, wie jeder weiß, dessen Kinder ihm mal bei etwas „helfen“ wollten. Es ist viel aufwendiger, Kindern beizubringen, wie etwas gemacht wird; aber es ist halt Aufgabe der Eltern, ihre Kinder zu befähigen. Genauso mag es einem Bischof, der Relevanz durch messbare Ergebnisse erzeugen möchte, einfacher erscheinen, das Gute Werk zu organisieren und caritative Einrichtungen zu unterhalten. Eher aber hatte ich als Aufgabe der Bischöfe verstanden, den Glauben zu stärken, in den Gläubigen den Geist Gottes zu wecken, und als Aufgabe der Laien, die Dinge in der Welt erledigt zu bekommen. Pathetisch: die Geweihten halten das Feuer am Brennen, an dem die Laien ihre Lampen anzünden, um das Licht in die Welt zu bringen

Die in der Bewertung des Neubischofs enthaltene Entgegensetzung kann ich mir nur so erklären, dass manche die Erfahrung gemacht haben, dass Tradition als Weiterreichen der Asche statt des Feuers betrieben wird. Aber das Gegenteil von falsch ist (außerhalb der formalen Logik) nicht automatisch richtig.

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