Kamen Worte von dir,
so verschlang ich sie;
dein Wort war mir
Glück und Herzensfreude;
denn dein Name ist
über mir ausgerufen,
Herr, Gott der Heere.
(Jer 15, 16)
Frisch Verliebte scheinen gelegentlich unter einem
geheimnisvollen Bann zu stehen, der sie weder denken noch schlafen lässt, am
Essen hindert und sie zwingt, einander ständig in die Augen zu schauen.
Und so ähnlich ist es auch mit den Evangliumslesern.
Ein Außenstehender möchte vielleicht meinen, allmählich
müsste der mittlere Katholik doch gut genug wissen, was so in der Bibel steht,
und mag nicht verstehen, was die Leute Sonntag für Sonntag in die Kirche
zwingt, und manche auch noch unter der Woche in der Heiligen Schrift lesen
lässt.
Es ist halt ein bißchen wie verliebt sein: man möchte dem
Herrn immer tiefer in die Augen schauen …
Jede von Gott
eingegebene Schrift ist auch nützlich zur Belehrung, zur Widerlegung, zur
Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit (2 Tim 3, 16).
Wozu gucken Verliebte einander in die Augen?
- Um einander kennenzulernen
Verliebte wollen alles voneinander wissen.
In der Bibel erfahren wir Näheres über Gott, über sein
Wesen, sein Verhältnis zu uns Menschen, seine Taten.
Die Heilige Schrift ist nützlich, schreibt Paulus, zur „prÕj
didaskal|an“, zur Lehre, zur Information, um den Glauben zu vertiefen.
- Um einander zu verstehen
Verliebte wollen einander immer besser verstehen. Was bewegt
den anderen, was möchte er, was erwartet er von mir – und wie findet er das,
was ich tue?
In der Bibel lernen wir den Willen Gottes kennen, seinen
Plan für uns Menschen, wie wir sein sollten, wozu wir geschaffen sind: Gott und
den Nächsten zu lieben.
Wir hören auch von Menschen, die mit diesem Anspruch
Schwierigkeiten haben. Vielleicht erkennen wir manche Schwierigkeit bei uns
wieder. Diese Rückmeldung kann uns Ansporn sein, dem Willen Gottes mehr zu
entsprechen.
Die Heilige Schrift ist nützlich, schreibt Paulus, „prÕj
ülegmÒn“, zur Beweisführung oder Rüge, zur Gewissenerforschung, um die
Liebe zu mehren.
- Um einander aufzubauen
Verliebte geben sich Kraft und Trost.
Die Evangelien berichten, dass Gott Mensch geworden ist, um
den Gebeugten die Frohe Botschaft von der nahen Gottesherrschaft zu bringen. Gottes
Geist will in uns wirken, uns helfen, über unseren Schatten zu springen; Gott
erlöst uns aus der Sklaverei der Sünde, beendet die Unterdrückung der Menschen
durch seinesgleiches, macht Himmel und Erde neu.
Wer mit dem eigenen Versagen hadert, findet in der Bibel die
Zusage von Gottes Zuwendung und Verlässigkeit: die gegebene Verheißung wird
nicht zurückgenommen, Gottes Barmherzigkeit streckt ihre offenen Arme immer dem
entgegen, der sich neu besinnt und zu ihm umkehrt.
Die Heilige
Schrift ist nützlich, schreibt Paulus, „prÕj üpanÒrqwsin“,
zum Wiederaufrichten, zum Mutmachen, um die Hoffnung zu stärken.
Die Schriftlesung dient also „zur Information, zur
Gewissensprüfung, zum Mutmachen, [kurz:] zur Ausbildung in Gerechtigkeit“.
Gerechtigkeit ist nicht die Qualifikation des Richters;
gerecht ist, wer seine Pflichten gegen die Mitmenschen erfüllt. Ein antiker
Autor definiert gerecht als „sehr fremdenliebend“, denn die Erfüllung der
Pflichten gegen Rechtlose und Fremde sei besonders in der Gerechtigkeit
einbegriffen, mache den Menschen zum wohlgesitteten.
Das verliebte tête-a-tête mit Gott bleibt nicht bei sich
stehen, sondern bringt Frucht im Umgang mit dem Nächsten, in einem gelingenden
Leben.
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